Psych. Anpassungsreaktionen von Kindern und Jugendlichen bei chronischen körperlichen Erkrankungen. Manfred Vogt

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Psych. Anpassungsreaktionen von Kindern und Jugendlichen bei chronischen körperlichen Erkrankungen - Manfred Vogt Störungen systemisch behandeln

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Therapieansätzen gehört u. a. die Modifikation körpereigener T-Zellen, um verbliebene Leukämiezellen zu bekämpfen (Maude et al. 2015).

      Während Mitte des 20. Jahrhunderts beinahe keine Heilungsaussichten für eine akute lymphatische Leukämie im Kindesalter bestanden, ermöglichen heutzutage präzisere diagnostische Verfahren, neu entwickelte Zytostatika und standardisierte Behandlungsprotokolle in Form von kombinierten Chemotherapeutika Heilungsraten von bis zu 90 % (Yiallouros 2018). Bestimmte Unterformen der Erkrankung, ein schlechtes Ansprechen auf die Therapie, genetische Modifikationen der Leukämie, ein höheres Alter der Patienten und eine hohe Leukozytenzahl zum Diagnosezeitpunkt verschlechtern jedoch die Prognose (Muntau 2007).

       Psychische Folgen

      Kinder, die aufgrund einer Leukämie chemotherapeutisch behandelt wurden, sind später häufig schulisch beeinträchtigt. Es zeigen sich Probleme bei der Lösung komplexer kognitiver Aufgaben und Lernschwierigkeiten in Mathematik (Brown et al. 1992) sowie eine eingeschränkte Aufmerksamkeit und beschränkte exekutive Funktionen (Cheung a. Krull 2015). Dieser Effekt auf die kognitiven Fähigkeiten, insbesondere den Intelligenzquotienten und den Wortschatz, scheint sich zu verstärken, wenn die Betroffenen zusätzlich kranial bestrahlt wurden (Anderson et al. 2000). Je gravierender die Spätfolgen der Betroffenen sind, desto höher ist das Risiko, dass sie im späteren Leben keiner Berufstätigkeit nachgehen können. Im Durchschnitt sind Leukämie-Überlebende häufiger in unsicheren und befristeten Arbeitsverhältnissen beschäftigt (Berbis et al. 2016).

      Leukämie-Patienten dürfen aufgrund der therapiebedingten Immunsuppression nicht die Schule besuchen bzw. sind generell dazu angehalten, größere Menschenansammlungen zu vermeiden. Lebensbedrohliche Erkrankungen sind zudem oft mit internalisierenden Problemen assoziiert: Betroffene berichten häufiger von depressiven Symptomen, Ängstlichkeit und sozialem Rückzug (Myers et al. 2014; Karsdorp et al. 2007; Marciano et al. 2011). Die Patienten haben vermehrt Defizite in der sozialen Kompetenz, erhöhte Werte für Problemverhalten und externalisierende Verhaltensweisen sowie Aufmerksamkeitsprobleme (Shelby et al. 1998; Spijkerboer et al. 2008). Überdies berichten Betroffene von einer signifikant geringeren Lebensqualität (Lane 2002; Marciano et al. 2011; Zeltzer et al. 2009). Neben den bei dieser Verlaufsform typischerweise auftretenden sozioemotionalen Folgen werden auch krankheitsspezifische Konsequenzen beschrieben: So ist der Selbstwert von Überlebenden einer akuten lymphatischen Leukämie im Durchschnitt auch im Erwachsenenalter signifikant verringert (Seitzman et al. 2004).

       1.4.4Folgen für die Familien betroffener Patienten

      Die Diagnose einer lebensbedrohlichen Erkrankung bedeutet auch für die Familie eine massive Belastung. Eltern von Überlebenden einer akuten lymphoblastischen Leukämie (ALL) leiden häufiger an Symptomen posttraumatischen Stresses (Kazak et al. 1997). Mütter berichten zudem häufiger von Depressionen und Ängstlichkeit. Im Vergleich zu Müttern gesunder Kinder besteht eine Tendenz zu erhöhtem Stress (Neu et al. 2014).

      Etwa ein Drittel der Mütter, deren Kind an einer angeborenen Herzerkrankung leidet, hat Probleme mit der Anpassung an die neue Lebenssituation und berichtet von diversen Symptomen psychischer Belastung (Davis et al. 1998). Bei beiden Elternteilen liegen Stress und Hoffnungslosigkeit teilweise im Bereich psychiatrisch Erkrankter, und auch im Vergleich zu Eltern anderweitig chronisch erkrankter Kinder sind diese Werte übermäßig hoch (Lawoko a. Soares 2002). Problematisch ist zudem, dass etwa 40 % der Kinder trotz eines chirurgisch behobenen Herzfehlers dauerhaft auf Unterstützung bei der Bewältigung des Alltags angewiesen sind (Majnemer et al. 2009), weshalb Eltern dieser Belastung dann langfristig ausgesetzt sind.

      Auch Eltern nierenkranker Kinder berichten häufiger von Stress als Eltern gesunder Kinder (Holroyd a. Guthrie 1986). Die familiäre Belastung ist auch hier abhängig vom Grad der Erkrankung und von der entsprechenden Therapie. Familien mit einem schwer erkrankten Kind berichten am meisten von ausgeprägten Beeinträchtigungen, da die Planung des Alltags, Pflegemaßnahmen, Partizipationsmöglichkeiten, Ernährungsvorschriften und regulierte Trinkmengen große Schwierigkeiten bereiten. Weiterhin wird hier am häufigsten von Auswirkungen auf die elterliche Ehe, die finanzielle Situation und den subjektiven Stress des Kindes berichtet. Die Erkrankung kann zudem einen erheblichen Einfluss auf die geschwisterliche Beziehung nehmen: Eltern gaben an, sie würden dem erkrankten Kind gegenüber weniger fordernd und eher nachsichtig sein. Die Geschwisterkinder wurden als fürsorglicher und nachgiebiger beschrieben (Reynolds et al. 1988).

       1.5Erkrankungen, bei denen hohe Therapie-Compliance eine normale Lebensführung ermöglicht

       1.5.1Diabetes mellitus

       Klinisches Krankheitsbild

      Jährlich wird in Deutschland bei etwa 3.000 Kindern und Jugendlichen bis 19 Jahren Diabetes mellitus diagnostiziert. Die Inzidenz liegt bei etwa 14 : 100.000 (Niessen u. Bachert 2001). Die häufigste Form ist Diabetes mellitus Typ 1. Bei Diabetes bestehen Schwierigkeiten bei der Verwertung von Glukose, da der Körper zu wenig des Hormons Insulin produziert oder dieses nicht adäquat verwerten kann, wodurch sich der Blutzuckerspiegel nicht selbstständig reguliert. Bei Diabetes mellitus Typ 1 kommt es meist im Kindes- und Jugendalter zu einer autoimmunologischen Schädigung der in der Bauchspeicheldrüse befindlichen Beta-Zellen, welche Insulin produzieren. Die Entstehung dieses Defekts scheint in Anbetracht familiärer Häufungen mit einer genetischen Komponente zu korrelieren – bei Diagnose von Diabetes bei einem eineiigen Zwilling liegt das Erkrankungsrisiko des anderen Zwillings bei etwa 30 %. In der Ätiologie des Krankheitsbildes werden des Weiteren Mumps- und Rötelviren, früher der Konsum von Kuhmilch sowie körperlicher Stress wie Operationen und Infekte diskutiert.

      Betroffene werden meist mit den folgenden plötzlich auftretenden Symptomen vorstellig: erhöhtes Durstgefühl, vermehrte Urinausscheidung, Heißhunger, Bauchschmerzen, Kopfschmerzen, Leistungsabfall und Müdigkeit.

      Während der initialen Therapie gilt es, die Stoffwechselentgleisung etwa durch Hydrierung und die vorsichtige Gabe von Insulin zu stabilisieren. Langfristig sind Diabetes-mellitus-Patienten gezwungen, sich strengen Ernährungsregeln zu unterziehen, den Blutzuckerspiegel regelmäßig zu kontrollieren und bei Bedarf Insulin zu spritzen. Trotz hoher Compliance leiden Betroffene unter Komplikationen, die u. a. schwere Sehstörungen durch diabetisch bedingte Retinopathie oder Katarakt, Neuropathien und Nierenschädigungen umfassen (Muntau 2007; Stachow et al. 2003).

      Seit vielen Jahren ermöglichen technische Innovationen wie Implantate zur Blutzuckermessung und Insulinpumpen den Betroffenen jedoch ein deutlich vereinfachtes Management der Erkrankung.

       Psychische Folgen

      Bei an Diabetes erkrankten Kindern kann eine häufige Unterzuckerung die kognitiven Fähigkeiten beeinträchtigen (Schoenle et al. 2002). Weiterhin ist die Therapie der Erkrankungen mit einem hohen Zeitaufwand verbunden. Das Management einer Diabetes-mellitus-Erkrankung verlangt von den Betroffenen regelmäßige Blutzuckerkontrollen, das Einschätzen der Nahrungsmengen, die Gabe von Insulinspritzen etc. Dies führt zu einem permanenten Fokus auf den eigenen Körper und den Versuch, Kontrolle über ihn zu gewinnen (Friedrich 1996). Etwa die Hälfte aller Patienten fühlt sich durch die Erkrankung eingeschränkt (McNillan et al. 2004). Generell können die betroffenen Kinder aufgrund von Arztbesuchen und Krankenhausaufenthalten mehr Schultage verpassen und deshalb besonders gefordert sein (Glaab, Brown a. Daneman 2005; Lenney 1997; Sturge et al. 1997).

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