Psych. Anpassungsreaktionen von Kindern und Jugendlichen bei chronischen körperlichen Erkrankungen. Manfred Vogt

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Psych. Anpassungsreaktionen von Kindern und Jugendlichen bei chronischen körperlichen Erkrankungen - Manfred Vogt Störungen systemisch behandeln

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Psychische Folgen

      Bei Patienten mit infantiler Zerebralparese sind die Partizipationsmöglichkeiten abhängig von der Schwere der Erkrankung und den damit verbundenen Einschränkungen: Körperliche Funktionseinbußen oder Störungen des Spracherwerbs beeinflussen die Entwicklung nachhaltig. Im Vergleich zur Normstichprobe schneiden Kinder mit Zerebralparese in den Bereichen Gesundheit und körperliche Entwicklung, emotionales Wohlbefinden, Kommunikationsfähigkeit und soziale Kompetenz signifikant schlechter ab als gesunde gleichaltrige Kinder (Gehrmann et al. 2014). Überdies werden Aufmerksamkeitsprobleme, Störungen der sozialen Interaktion, Konflikte mit Gleichaltrigen und weniger prosoziales Verhalten genannt (Weber et al. 2016). Patienten mit nur milden Einschränkungen sind zwar in außerschulische Aktivitäten eingebunden, jedoch erheblich seltener in Bereichen, die bestimmte Fertigkeiten oder Athletik voraussetzen (Majnemer et al. 2008).

      Patienten mit infantiler Zerebralparese leiden an schweren kognitiven Beeinträchtigungen und zeigen häufig Schwierigkeiten im schulischen und beruflichen Bereich. Nur etwa ein Drittel der Betroffenen besucht die Sekundarstufe II der Schule. Während 82 % der Normstichprobe auf dem freien Arbeitsmarkt tätig sind, trifft dies nur auf 29 % der Zerebralparese-Betroffenen zu (Michelsen et al. 2005).

       1.3.4Auswirkungen für die Familien betroffener Patienten

      Die Diagnose einer dauerhaften Behinderung des Kindes kann Auslöser für eine familiäre Krise sein. Mehr oder weniger unvermittelt stellen sich Herausforderungen auf verschiedenen Ebenen: Auf der Verhaltensebene gilt es, die vielfältigen Versorgungsleistungen zu organisieren und dabei die finanziellen Möglichkeiten der Familie zu berücksichtigen. Der teils massive Pflegeaufwand bei Kindern mit infantiler Zerebralparese führt häufig dazu, dass ein Elternteil seine berufliche Tätigkeit aufgeben muss. Infolgedessen – und auch durch den krankheitsbedingten Mehraufwand – ist die finanzielle Sicherheit der Familie gefährdet (Ribeiro et al. 2016). Der pflegerische Mehraufwand kann sowohl die elterliche Gesundheit als auch die Partnerschaft der Eltern stark belasten. Viele chronisch Beeinträchtigte bedürfen auch nachts der Pflege durch die Eltern, weshalb diese häufig von schlechter eigener Gesundheit, psychischer Erschöpfung, Schlafstörungen und Kopfschmerzen berichten (Mörelius a. Hemmingsson 2014). Auf emotionaler Ebene sind ambivalente Gefühle auszuhalten. Die Geburt eines Kindes mit infantiler Zerebralparese kann bei den Eltern trotz der Freude über die Geburt gleichzeitig Wut, Trauer und Unsicherheiten auslösen. Auch kognitiv muss sich die Familie der neuen Situation nach der Diagnose einer chronischen Behinderung stellen: Informationen zur Erkrankung und Versorgung müssen gesammelt und die eigenen Lebenserwartungen an das Leben des erkrankten Kindes angepasst werden (Fortier a. Wanlass 1984).

      Die familiären Belastungen sind unter anderem abhängig von der Ausprägung der Erkrankung: Mütter von Kindern mit milder infantiler Zerebralparese beklagen insbesondere Aggressionen, Lernschwierigkeiten und emotionale Probleme, während Mütter von schwerer erkrankten Kindern besonders unter den plötzlich auftretenden gesundheitlichen Komplikationen und unter der täglichen, mit zunehmendem Alter der Kinder erschwerten Pflege leiden (Ribeiro et al. 2016). Zudem steigt der Unterstützungsbedarf, je weniger mobil das Kind ist – etwa, wenn es auf einen Rollstuhl angewiesen ist (Palisano et al. 2010). Auch die Art der medizinischen Versorgung kann relevant sein: Eltern von Kindern, die mit einem Shunt (operativ geschaffene direkte Verbindung einer Arterie und einer daneben oder in der Nähe liegenden Vene) versorgt sind, berichten häufiger von Depressionen und Ängsten und nehmen das Kind als vulnerabler wahr. Überdies berichtet ein Großteil der Eltern, dass das Kind übermäßig behütet wird (Malm-Buatsi et al. 2015). Zudem spielt die sozioökonomische Situation eine Rolle: So haben insbesondere sozioökonomisch benachteiligte Familien von an Spina bifida erkrankten Kindern ein erhöhtes Risiko für psychosoziale Schwierigkeiten (Holmbeck a. Devine 2010).

      Die Behinderung eines Kindes hat erhebliche Auswirkungen auf die Geschwisterkinder. Nicht zuletzt durch den erhöhten Pflegeaufwand, den die Eltern für das erkrankte Kind zu leisten haben, sind sie in ihrer Lebensgestaltung beeinträchtigt. Sie verbringen ihre Freizeit häufiger allein, empfangen seltener Freunde zu Hause und sind weniger oft im Teamsport involviert als andere Kinder. Zudem haben sie vermehrt das Erleben, als sogenannte Schattenkinder von ihren Eltern weniger gesehen zu werden (Andersson 1988).

      Die Pflege eines chronisch körperlich kranken Kindes kann also eine massive Belastung für die Familien darstellen. Dennoch beweisen betroffene Familien immer wieder Resilienz und zeigen, dass eine Anpassung an die neuen Lebensumstände möglich ist (Taanila et al. 2002).

       1.4Akut lebensbedrohliche Erkrankungen (und Unfallfolgen)

       1.4.1Angeborene Herzerkrankungen

       Klinisches Krankheitsbild

      Knapp 1 % der lebend zur Welt gekommenen Säuglinge und damit 6.000 Säuglinge jährlich haben eine angeborene Herzerkrankung – die größte Gruppe angeborener Fehlbildungen (Schubert et al. 2004). Der Herzmuskel und die umliegenden Blutgefäße können dabei auf verschiedene Weise betroffen sein. Am häufigsten sind folgende Fehlbildungen:

      •Ventrikelseptumdefekt (etwa 30 %): Die Herzscheidewand zwischen den Ventrikeln ist nicht vollständig geschlossen.

      •Vorhofseptumdefekt (10 %): Es besteht eine Öffnung in der Scheidewand zwischen den beiden Herzkammern (Muntau 2007).

      •Pulmonalstenose (7 %): Durch Verwachsungen oder Verklebungen ist die Ausflussbahn vom rechten Herzventrikel eingeengt.

      •Fallot-Tetralogie (7 %): Es liegen Ventrikelseptumdefekt, Pulmonalstenose, überreitende Aorta und Rechtsherzhypertonie vor.

      •Persistierender Ductus arteriosus (7 %): Hier findet innerhalb der ersten Lebenswochen nicht die nachgeburtliche Schließung der Verbindung zwischen der Aorta und der Lungenarterie statt (Niessen u. Bachert 2001).

      Seltener diagnostiziert werden Aortenstenosen, atrioventrikuläre Septumdefekte, Transpositionen der großen Arterien etc. Die Defekte können isoliert oder gemeinsam mit anderen Schädigungen (wie bei der Fallot-Tetralogie) auftreten. Die Ätiologie angeborener Herzerkrankungen ist nur teilweise geklärt. Zusammenhänge bestehen mit Chromosomendefekten (Trisomie 13, 18 und 21), Diabetes, Rötelninfektion oder Alkoholmissbrauch in der Schwangerschaft sowie Phenylketonurie (Muntau 2007).

      Erste Symptome zeigen sich in einigen Fällen bereits pränatal, in anderen erst im Säuglings- oder späteren Kindesalter. Einige Defekte remittieren ohne Therapie: So kann es vorkommen, dass sich Septumdefekte spontan schließen und sie keiner weiteren Behandlung bedürfen. Bei etwa einem Drittel der betroffenen Kinder treten während des ersten Lebensjahres Symptome auf, die einen chirurgischen Eingriff notwendig machen. 10 % der Defekte werden als inoperabel und damit nicht heilbar eingestuft (Schubert et al. 2004). Noch vor wenigen Jahrzehnten erreichten ohne geeignete Interventionen lediglich 30 % der Betroffenen das Erwachsenenalter. Durch die Entwicklung geeigneter diagnostischer und therapeutischer Möglichkeiten sind es heute 85 bis 90 %. Aktuell leben in Deutschland schätzungsweise 200.000 bis 300.000 Erwachsene mit einem behandelten angeborenen Herzfehler. Jedoch bleiben viele Betroffene auch nach erfolgreicher Therapie chronisch krank und müssen ihr Leben lang engmaschige Kontrolluntersuchungen wahrnehmen. Überdies können begleitende Schwierigkeiten und Folgeerkrankungen auftreten (Bauer u. Lange 2003).

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