Der Bergpfarrer Paket 1 – Heimatroman. Toni Waidacher
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Der Rundgang war alles andere als erbaulich. Natürlich hatte Hubert in den letzten Tagen so gut es eben ging, aufgeräumt und kleinere Schäden beseitigt. Aber es ließ sich nicht verleugnen, daß es am nötigen Geld fehlte, dringend notwendige Reparaturen durchzuführen. Mit jedem Stück, das Sandra zu sehen bekam, wurde ihr Gesicht lang und länger. Nina und Anja begleiteten sie, enthielten sich aber jeglichen Kommentars. Allerdings war an ihren Mienen abzulesen, was die beiden dachten.
»Tja, das ist also der Hof«, erklärte Resi Angermeier, als sie wieder vor dem Haupthaus standen.
Die Magd deutete mit dem Arm nach vorn.
»Die ganzen Weiden gehören natürlich auch noch dazu«, fuhr sie fort. »Die Ponys sind jetzt draußen. Wenn S’ sie sehen wollen, müssen wir hinübergehen. Zwölf sind’s.«
»Jetzt nicht«, schüttelte Sandra den Kopf.
Sie schaute ihre Freundinnen an und wandte sich dan wieder an die Magd und den Knecht, die sie erwartungsvoll ansahen.
»Sie möchten natürlich wissen, ob ich den Hof behalten werde«, sagte sie. »Aber
zu diesem Zeitpunkt kann ich Ihnen noch nicht sagen, wie ich mich entscheide. Bitte, haben Sie Verständnis dafür. Es ist alles noch so neu. Ich muß das erst einmal auf mich wirken lassen.«
»Aber natürlich«, nickt Resi. »Das verstehen der Hubert und ich. Aber über Nacht werden S’ doch gewiß bleiben. Ich geh’ schnell und richt’ noch ein paar Zimmer her.«
Sie stupste den Knecht an.
»Und du kümmerst dich um das Gepäck der drei Damen«, befahl sie.
Hubert Bachmann beeilte sich, diesem Befehl nachzukommen. Er wußte ja, was auf dem Spiel stand...
Die drei Studentinnen schlenderten über den Hof. An der Koppel blieben sie stehen und lehnten sich an den Zaun.
»Na, eine ziemliche Misere das Ganze, was?« meinte Nina zu Sandra.
»Eine ziemliche«, antwortete sie bedrückt, während sie ihren Blick schweifen ließ.
Was sie vor sich sah, war wunderschön. Eine herrliche Alpenlandschaft, wie aus dem Ferienkatalog.
Nur hinter sich schauen, das durfte sie nicht!
»Ich weiß gar nicht, was ihr habt«, warf Anja ein. »Ich find’s toll hier.«
Sie drehte sich um und schaute über den Hof, zum Haus und den Ställen hinüber.
»Mit ein bißchen Farbe, etwas Dachpappe und ein paar Nägeln müßte das doch wieder hinzukriegen sein.«
»Na, ganz so einfach wird’s nicht«, entgegnete Nina. »Da steckt ein schönes Stück Arbeit drin. Also, ich glaub’, ich würd’s verkaufen.«
»Das war auch mein erster Gedanke«, sagte Sandra und drehte sich zu ihnen um.
Dabei schaute sie auf den Hof – ihren Hof.
»Aber, habt ihr’s nicht gesehen?«
»Was?«
»Die beiden alten Leute«, nickte Sandra zum Haus hinüber. »Die Mühe, die sie sich gegeben haben, mich zu empfangen und alles wenigstens ein bißchen herzurichten. Sie erwarten doch etwas von mir. Beinahe ihr ganzes Leben haben sie hier verbracht, hat der Nachlaßverwalter gesagt. Wenn ich den Hof jetzt verkaufe, müssen sie fort.«
Sie sah ihre Freundinnen an.
»Kann ich ihnen das wirklich antun?«
»Ja, gütiger Himmel«, fuhr
Nina auf. »Willst du vielleicht
aus lauter Sentimentalität dein Studium an den Nagel hängen und hier das Ponyhotel wieder eröffnen? Für die beiden Alten ist doch gesorgt, hat dieser Sonnenleitner gesagt. So, oder so.«
»Eben«, sagte Sandra. »So, oder so. Nämlich so, daß sie bis an ihr Lebensende auf dem Hof bleiben können, oder so, daß sie in ein Altenheim müssen...«
Anja legte ihren Arm um die junge Erbin.
»Ich versteh’, was du sagen willst«, meinte sie. »Die beiden haben sich wirklich alle Mühe gegeben, und jetzt sitzen sie drinnen und warten, bangen Herzens, auf deine Entscheidung. Also, wenn du bleibst, dann nehme ich mir ebenfalls eine Auszeit und helfe dir, den Laden hier wieder hochzukriegen. Wenn’s nicht klappen sollte, kann ich immer noch weiterstudieren.«
Sandra schluckte, als sie dies hörte. Nina stellt sich ihr zur anderen Seite.
»Dasselbe gilt für mich«, sagte sie. »Wäre doch gelacht, wenn wir drei das Kind nicht schaukeln würden!«
Sandra Haller sah ihre beiden Freundinnen an. Dabei kämpfte sie mit den Tränen.
»Ihr seid die besten Freundinnen, die man haben kann«, flüsterte sie.
»Na los, dann wollen wir die beiden treuen Seelen da drinnen nicht länger warten lassen«, rief Nina Kreuzer und zog die zwei Madeln mit sich.
»Himmel, da kommt’ was auf uns zu«, stöhnte Sandra, als sie entschlossen auf das Haus zumarschierten.
*
»Sie kommen«, rief Hubert, der in der Küche hinter der Gardine stand und aus dem Fenster schaute.
Resi Angermeier zog ihn weg.
»Geh’, was soll das Fräulein denn denken?«
Das Herz der alten Frau klopfte bis zum Hals hinauf. So sehr sie auch versucht hatte, in Sandras Gesicht abzulesen, was sie wohl dachte, so wenig war es ihr gelungen. Auch ihr Versuch, das Gespräch beim Kaffee auf die Vergangenheit zu lenken, schien nicht geglückt zu sein. Aber, es war ja auch zu lange her. Sie selber hatte in der jungen Frau das Kind von früher nicht wiedererkannt, wie konnte sie da erwarten, daß Sandra sich erinnerte!
Nun gut, dachte sie, wenn’s net sein sollte, dann würd’ sie eben ihre Sachen packen und geh’n, auch wenn’s schwerfiel. Noch arger würd’s aber den Hubert treffen, das wußte sie. Er war, im Gegensatz zu ihr, nicht mehr ganz so rüstig, daß er ohne weiteres wieder auf einem Hof unterkommen konnte. Für ihn bedeutete ein Verkauf des Ponyhofes die Unterbringung in einem Altenheim...
Eben kamen die jungen Frauen durch die Tür. Resi und Hubert konnten sie auf der Diele reden und lachen hören – aber nicht verstehen, was sie sagten. Dann, endlich, öffnete sich die Küchentür und Sandra kam herein. Die Freundinnen folgten ihr. Deutlich konnte man die knisternde Spannung spüren, die in der Luft lag.
Sandra schaute die beiden an und holte tief Luft.
»Also, Resi und Hubert, ich habe mich entschlossen«, begann sie, aber verbesserte sich gleich, »nein, wir haben beschlossen, daß das Ponyhotel wieder eröffnet wird. Wir wissen zwar noch nicht, wie wir es anstellen, aber daß wir es irgendwie schaffen werden, das ist gewiß!«
Hubert strahlte über