SPIEGLEIN politisches Jahrbuch 2020. Thomas Röper
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Aber ein Opfer scheint dieses Spiel nicht mitspielen zu wollen, und diese Frau erhob schwere Vorwürfe gegenüber Prinz Andrew.
Der entschied sich, Ende November in die Offensive zu gehen. Er gab der BBC ein Interview, das für ihn in einem medialen Fiasko endete.
Die Medien mussten daher notgedrungen wieder über den Fall berichten. Aber wieder war dabei interessant, worüber die deutschen Medien ihre Leser nicht informiert haben.
Die Medien berichteten ausführlich über das Interview. Das Interview war eine PR-Katastrophe, Prinz Andrew hat quasi medialen Selbstmord begangen. Er konnte seine Kontakte zu Epstein nicht wirklich begründen, war sehr unglaubwürdig und die ganze Zeit damit beschäftigt, sich selbst „als zu ehrenhaft“ zu beschreiben. Andrew gab sich als Opfer der eigenen „Ehrenhaftigkeit“.
Das kam nicht gut an und beherrschte danach die Schlagzeilen. Nach dem Interview haben sich Sponsoren von Projekten abgewandt, deren Schirmherr Prinz Andrew war. Vier Tage nach der Ausstrahlung des Interviews hat er unter dem Druck dann alle öffentlichen Ämter niedergelegt.
Darüber wurde in den deutschen Qualitätsmedien ausführlich berichtet. Und damit wurde von den offenen und wirklich interessanten Fragen abgelenkt.
Die erste und wichtigste Frage ist: Wer waren Epsteins Kunden? Diese müssten wegen Sex mit Minderjährigen, Pädophilie und Ähnlichem angeklagt werden. Aber weil Epstein so freundlich war, sich im Gefängnis das Leben zu nehmen, droht kein Verfahren. Kein „Qualitätsmedium“ stellte diese wichtigste aller Fragen.
Dabei gibt es an der Selbstmordthese einige Zweifel. Nach den gültigen Regeln hätte er als selbstmordgefährdeter Gefangener besonders bewacht werden müssen, und in seiner Zelle durfte nichts sein, womit er sich gefährden könnte. Er saß in einem Hochsicherheitsgefängnis und sogar seine Bettwäsche war aus einer Art Papier. Das müsste reißen, wenn man versucht, sich damit aufzuhängen.
Aber er hat sich gemäß offizieller Version aufgehängt. Wie es der Zufall will, haben sämtliche Überwachungskameras für Epsteins Zelle in der Nacht seines Selbstmordes nicht funktioniert.56 Und die Wachen, die ihn regelmäßig kontrollieren sollten, haben das in der Nacht nicht getan und ihre Protokolle gefälscht.57 Gegen diese Wachleute wurde nun Anklage erhoben. Die Anwälte von Epstein zweifeln die Selbstmordthese an58, und sogar ein in den USA berühmter Pathologe, der bei der Obduktion von Epstein dabei war, zweifelt die offizielle Version an und spricht von „Beweisen für Mord“.59
Über all das wurde in der deutschen Presse nicht berichtet, es wurde so gut wie möglich verschwiegen. Und wenn doch einmal über die offenen Fragen berichtet wurde, sprach die deutsche Presse von „Verschwörungstheorien“. In den USA ist all das aber durchaus ein Thema. Die Worte „Epstein didn’t kill himself“ („Epstein hat sich nicht umgebracht“) sind zu einem Meme geworden und finden sich als Hashtag in allen sozialen Medien.
Außerdem gibt es einen Skandal beim US-Sender ABC News. Eine Moderatorin dort hatte sich kürzlich beschwert und mitgeteilt, sie habe bereits 2016 Material gegen Epstein gehabt, der Sender habe sich aber geweigert, es zu veröffentlichen.60
Die Mauer des Schweigens bei diesem Pädophilie-Skandal der internationalen Eliten ist bemerkenswert: ABC lehnte es 2016 ab, darüber zu berichten. Und heute verschweigen die deutschen Medien alles, was die Eliten belasten könnte. In der Berichterstattung über Prinz Andrew fand sich nicht ein einziges Mal der Name Bill Clinton.
Die Zweifel an der Selbstmordthese sind kein Thema in den deutschen Medien, sogar die Hintergründe seines Falles werden möglichst nicht erwähnt. Im Spiegel konnte man zum Beispiel lesen:61 „Epstein hatte sich am 10. August umgebracht. Ihm war von der Staatsanwaltschaft vorgeworfen worden, Dutzende minderjährige Mädchen missbraucht zu haben. Der 66-Jährige habe zwischen 2002 und 2005 in New York und Florida einen illegalen Sexhandelsring aufgebaut, hieß es in der Anklageschrift.“
Ob sich Epstein umgebracht hat, ist keineswegs sicher. Und der Spiegel-Leser erfuhr über die durchaus berechtigten Zweifel und offenen Fragen im Zusammenhang mit Epsteins Tod nichts. Über seine Zuhälterdienste für die internationale Elite erfuhr der Spiegel-Leser ebenfalls nichts. Dort wurde so vage wie möglich von einem „Sexhandelsring“ gesprochen, ohne die Frage zu stellen, wer denn die Kunden des „Handelsrings“ waren.
Warum verschwieg der Spiegel hier die Details? Warum hat er die Namen, die im Gespräch sind, verschwiegen? Warum stellte der Spiegel keine kritischen Fragen über professionell aufgezogene Prostitution von Minderjährigen mit Prominenten wie Bill Clinton? Man hätte ja darauf hinweisen können, dass es Zeugen gibt, die Clinton beschuldigen und dass er alles abstreitet. Aber all diese Dinge komplett zu verschweigen und nur über Prinz Andrew zu berichten, war mindestens „unvollständige“ Berichterstattung, man könnte auch „Lückenpresse“ dazu sagen.
In den Tagen von Prinz Andrews Interview kam eine weitere Meldung, die man in den deutschen Medien nicht finden konnte. Ausgerechnet der Richter, der den Fall Epstein verhandeln sollte, äußerte ebenfalls massive Zweifel an der offiziellen Erklärung über Epsteins Selbstmord.62
Noch dreister lenkte der Spiegel von der Frage ab, wer denn die Kunden von Epstein waren. In der der Printversion 48/2019 des Spiegel wurde ja bereits verschwiegen, was Epstein getan hatte, und es wurde kurzerhand so dargestellt, als habe sich Epstein alleine an Minderjährigen vergangen. Dort konnte man lesen:63 „Viele Leute, mit denen sich dieser (Epstein) umgab, wollen immer noch nicht wahrhaben, dass sie durch ihr Wegsehen Mitschuld tragen. (…) Epstein verkehrte mit allen möglichen Figuren aus Politik, Forschung, Mode, Adel und Kultur – hat wirklich kein einziger seiner zahlreichen Bekannten von seinen Neigungen etwas mitbekommen? (…) Das ist der wahre Epstein-Skandal, bis heute: dass um ihn so viele Menschen kreisten wie Satelliten, die jetzt zumindest so tun, als wüssten sie nichts.“
Nirgendwo im Artikel wird die Frage gestellt, welche seiner illustren Gäste er mit minderjährigen Prostituierten versorgte, sondern es wird nun so dargestellt, als ob Epstein allein all die Mädchen missbraucht hätte. Laut Spiegel war die wichtigste Frage nun, warum niemand etwas mitbekommen hatte.
Das ist absurd! Alle haben es gewusst. Trump hatte sich wie gesehen dazu schon im Wahlkampf 2015 geäußert. Aber das weiß der Spiegel-Leser ja nicht.
Davon, dass niemand etwas wusste, kann also keine Rede sein. Es war ein offenes Geheimnis in der amerikanischen High Society, wenn es sogar Trump wusste, der mit Epstein seit einem Jahrzehnt nichts mehr zu tun gehabt hatte.
Um die Sache weiter in die gewünschte Richtung zu treiben, berichtete der Spiegel am 2. Dezember, dass auch die norwegische Kronprinzessin Mette-Marit bedauert, Epstein gekannt zu haben. Sie ist über jeden Verdacht erhaben, und beim Spiegel-Leser entstand so der Eindruck, dass Kontakt mit Epstein so schlimm ja nicht gewesen sein konnte. Klar, es ist im Nachhinein peinlich, den Mann gekannt zu haben, aber das macht ja noch niemanden zu einem Mittäter.
Über die Hintergründe im Epstein-Fall steht im Spiegel-Artikel Folgendes:64 „Epstein war 2008 zu einer 13-monatigen Haftstrafe verurteilt worden, nachdem er zugegeben hatte, eine Minderjährige für sexuelle Dienstleistungen bezahlt zu haben. Zuletzt wurde er 2019 beschuldigt, Dutzende Minderjährige missbraucht und zur Prostitution gezwungen zu haben. In Erwartung des Prozessauftakts nahm er sich in einem New Yorker Gefängnis Anfang August das Leben.“
Am Ende des Artikels fand sich noch etwas über Prinz Andrew