SPIEGLEIN politisches Jahrbuch 2020. Thomas Röper

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SPIEGLEIN politisches Jahrbuch 2020 - Thomas Röper

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Finanzier beunruhigte auch die politische Instabilität in Deutschland, wo CDU/CSU geschwächt wurden und die Position der „Extremisten“, wie Soros die AfD nannte, stärker wird.

      Damit, so schloss der Finanzier, könne die Regierungskoalition nicht mehr rücksichtslos pro-europäisch handeln.

      Noch weniger hoffnungsvoll für die Einigkeit des europäischen Kurses war in den Augen von Soros die Lage in Großbritannien, wo der Streit über den Brexit immer härter geführt wurde.

      Noch weniger begeistert war Soros von der Europäischen Volkspartei (EVP). Sie bekam von Soros ihre Portion Kritik für ihre Position, die Partei „Fides“ des ungarischen Ministerpräsidenten Victor Orban nicht aus der EVP auszuschließen. Die EVP aber brauchte die „Fides“, um ihre parlamentarische Mehrheit zu behalten und die Schlüsselposten in der EU zu kontrollieren.

      Am Ende des Artikels versuchte Soros, die Leser davon zu überzeugen, dass die politischen Kräfte, die nicht für eine Zentralisierung der Macht in Europa sind, als Feinde Europas anzusehen seien.

      Wenn die „ruhende pro-europäische Mehrheit“ nicht mobilisiert wird, dann „kann aus dem Traum von einem einheitlichen Europa der Albtraum des 21. Jahrhunderts werden“ endete Soros und vergaß dabei, dass die zentrifugalen Tendenzen in vielen EU-Ländern deutlich zeigen, dass längst nicht alle Europäer seine Meinung teilen.

      Schäuble sprang auf den Zug von Soros auf und machte am 18. Februar Vorschläge, die Demokratie in der EU endgültig abzuschaffen. Natürlich wurde das so nicht in den Medien berichtet. Dort benutzte man schöne Worthülsen, die das Problem verschleiern sollen. Aber es ging tatsächlich um nicht weniger als um das Ende der Demokratie.

      Was auf den ersten Blick gut klingt, bedeutet den endgültigen Abbau der Demokratie in der EU. Das Problem in der EU ist, dass nicht gewählte Beamte und von Regierungen im Hinterzimmer ausgesuchte Kommissare die Politik der EU bestimmen. Das einzige demokratisch gewählte Organ in der EU, das EU-Parlament, hat praktisch keine Befugnisse. Wäre ein Parlament in einem Staat im Nahen Osten mit ähnlich wenig Befugnissen ausgestattet wie das EU-Parlament, wäre in der Presse von einem „Scheinparlament“ die Rede. Komischerweise wird dieser Begriff für das EU-Parlament nicht verwendet.

      Nun steht es jedem frei, ob man für die weitere Abgabe nationaler Kompetenzen an Brüssel ist oder nicht. Aber worin wir uns alle einig sein sollten, ist, dass es in der EU demokratisch zugehen sollte. Zur Demokratie gehört aber, dass das gewählte Parlament die größte Macht hat und sowohl Gesetze vorschlagen, beschließen und ändern kann, als auch Minister und Regierungschefs absetzen kann. Das EU-Parlament darf praktisch nichts von alledem. Es darf im Grunde nur die „Vorschläge“ der EU-Kommission durchwinken.

      Wer in einer solchen Situation für die weitere Abgabe von Kompetenzen nach Brüssel eintritt, ohne eine Reform der Zuständigkeiten zu fordern, spricht sich im Klartext für einen Abbau von Demokratie aus. Solange nationale Parlamente noch die Möglichkeit haben, sich gegen Entscheidungen aus Brüssel zu wehren, ist zumindest indirekt noch eine gewisse demokratische Kontrolle und Korrektur von EU-Entscheidungen möglich. Allerdings längst nicht mehr bei allen Themen, denn viele Kompetenzen sind schon mit den Verträgen von Lissabon nach Brüssel gewandert, wo Entscheidungen nun undemokratisch von nicht gewählten Leuten getroffen werden. Und kein gewähltes nationales Parlament kann daran anschließend noch etwas ändern.

      Im Spiegel stand zu Schäubles Ideen: „Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble plädiert dafür, dass bei EU-Entscheidungen der Zwang zur Einstimmigkeit aufgehoben wird. ‚Einstimmigkeitsprinzip heißt, dass der Langsamste alles blockieren kann‘, sagte der CDU-Politiker im Inforadio vom RBB: ‚Deswegen brauchen wir ein System von Mehrheitsentscheidungen, von mir aus qualifizierten Mehrheitsentscheidungen.‘“

      „Mehrheitsentscheidungen“ klingt gut und demokratisch. Ist es aber nicht, denn es bedeutet nach Schäubles Lesart, dass Regierungen sich zusammensetzen, etwas im Hinterzimmer ausklabüstern und dann auch denen aufzwingen, die dagegen sind. Von einer demokratischen Mitbestimmung der Bürger in der EU ist dabei nicht die Rede, sondern davon, dass Regierungschefs weniger Rücksicht auf die Länder nehmen müssen, die eine andere Meinung haben. Solange aber Entscheidungen in derart undemokratischen Prozessen entstehen und es kein demokratisch gewähltes Organ gibt, das gefragt werden muss, ist das der Weg in eine Diktatur der Bürokraten.

      Mit den Verträgen von Lissabon wurde dieser Weg bereits eingeschlagen und die Folgen sehen wir heute in der ganzen EU: Die EU-kritischen Parteien gewinnen immer mehr an Zulauf. Anstatt aber aus diesem Wählerwillen der Menschen den Schluss zu ziehen, dass die EU wieder demokratischer werden müsste, findet Schäuble das Ganze wohl nur lästig und will einfach die „Bremser“ durch Mehrheitsentscheidungen gefügig machen und ihnen ihr Vetorecht nehmen.

      Wenig überraschend findet auch die SPD diesen Abbau von Demokratie gut: „Auch die SPD spricht sich in ihrem Europawahlprogramm, dessen Entwurf der Parteivorstand am Montag beschließen soll, für eine teilweise Abschaffung des Einstimmigkeitsprinzips aus. In der EU-Steuerpolitik soll künftig eine Mehrheit der Staats- und Regierungschefs für Entscheidungen reichen. Zur Begründung heißt es im Programmentwurf, der dem SPIEGEL vorliegt: ‚Die Lähmung durch einzelne Mitgliedstaaten, die nur ihre Pfründe sichern wollen, muss aufhören.‘“

      Was das bedeutet, wird einem klar, wenn man die folgende Forderung von Schäuble liest und darüber nachdenkt, welche Folgen sie in der Praxis hätte: „Schäuble sprach sich zugleich dafür aus, Teile der nationalen Finanz- und Wirtschaftspolitik auf die Ebene der europäischen Institutionen zu übertragen. Nur wenn das gelinge, könne man auch einen EU-Finanzminister einführen.“

      Früher war das wichtigste, höchste, sogar „heiligste“ Recht des demokratisch gewählten Parlaments das Recht, über den Haushalt zu entscheiden. Das ist die heilige Kuh der Demokratie, denn über den Haushalt, also die Zuteilung von Geldern, kann man Ideen der Regierung stoppen oder auch fördern. Wer nun die nationale Finanz- und Wirtschaftspolitik auf die Ebene der „europäischen Institutionen“ übertragen will, der sagt nichts anderes, als dass er das wichtigste Feld der Politik, von dem alles andere abhängt, aus der demokratischen Kontrolle herausnehmen und in die Hände von Bürokraten und Beamten überführen will, die niemand mehr demokratisch kontrolliert.

      Wie frei sind Sie noch, wenn jemand anderes über Ihr Geld bestimmt? Sie könnten nicht einmal mehr ins Kino gehen, ohne um Erlaubnis zu bitten.

      Das Gleiche gilt für Staaten, wie Griechenland aus leidvoller Erfahrung berichten kann. Dort hat die EU die Macht über den Haushalt mit katastrophalen Folgen übernommen. Und wenn Schäubles Idee umgesetzt wird, kann Deutschland nicht mehr über Änderungen bei Hartz 4, bei den Renten, bei den Krankenkassenbeiträgen und so weiter entscheiden, weil die Entscheidungskompetenz für alles, was mit Geld zu tun hat, dann in Brüssel liegen würde. Und egal, wie wenig den Deutschen die Entscheidungen aus Brüssel dann gefallen, sie könnten auch durch Wahlen nichts mehr ändern, weil neue Abgeordnete im Bundestag auch nichts ändern könnten, denn sie dürften über das Geld ja gar nicht mehr entscheiden. Auch das EU-Parlament wäre außen vor. Diejenigen, die dann über unser Geld entscheiden, würden in Brüssel sitzen und von niemandem gewählt sein.

      Wie gesagt: Jeder soll über die Abgabe von nationalen Kompetenzen an die EU seine eigene Meinung haben. Aber zuerst müsste die EU demokratisch reformiert werden. Das bedeutet, dass das EU-Parlament die Macht bekommen muss und dass es das EU-Parlament sein muss, das die „EU-Regierung“, also die EU-Kommission, formt. Solange das nicht gegeben ist, dürften keine (weiteren) Kompetenzen an die EU abgegeben werden, weil das diese Kompetenzen der demokratischen Kontrolle entzieht.

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