SPIEGLEIN politisches Jahrbuch 2020. Thomas Röper

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SPIEGLEIN politisches Jahrbuch 2020 - Thomas Röper

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Europäische Kommission schlägt einen Haushaltsentwurf vor. Im Haushaltsverfahren können dann Parlament und Ministerrat Änderungen beschließen. Sind sich beide einig, tritt der Haushaltsplan mit den Änderungen in Kraft. Gibt es zwischen Parlament und Rat Differenzen über den Plan, wird ein komplexes Verfahren mit gegenseitigen Konsultationen und Abstimmungen durchgeführt. Gibt es auch nach dieser politischen Feinabstimmung keine Einigkeit, wird als letztes Mittel der Vermittlungsausschuss eingeschaltet. In der politischen Praxis führt das dann zu einem Kompromiss und zu einer Einigung.

      Auch hier darf das Parlament also nichts alleine bestimmen, sondern muss sich mit dem Rat einigen, der normalerweise den Vorschlag der Kommission unterstützt. Das Parlament darf nicht, wie in einer Demokratie üblich, den Haushalt einfach ablehnen.

      Übrigens ist ja auch die Kommission nicht demokratisch gewählt oder legitimiert, vielmehr darf jedes EU-Land einen Kommissar stellen. In der Regel wird auf den Posten irgendein Politiker „weggelobt“, so wie in Deutschland Herr Oettinger, für den man nach seinen verlorenen Wahlen in Deutschland keine Verwendung mehr hatte und ihn auf den gut dotierten Posten eines EU-Kommissars nach Brüssel abschob. Qualifiziert war er für sein Fachgebiet bekanntermaßen nicht, man suchte nur eine Beschäftigung für ihn. Und so läuft es in der ganzen EU, die Kommissare sind also in der Regel abgehalfterte Politiker, denen man einen gut bezahlten Posten besorgen muss.

      Die Kommission ist aber auch die „Regierung“ der EU. Und wie gesehen darf das Parlament diese Regierung nicht abwählen, wie es in einer Demokratie üblich ist. Das Parlament darf zwar formell den Präsidenten der Europäischen Kommission wählen, aber der Kandidat wird vom EU-Rat vorgeschlagen. Es gab noch nie einen Fall, dass dieser vorgeschlagene Kandidat abgelehnt worden wäre.

      Bei der EU-Wahl haben wir hinterher deutlich gezeigt bekommen, wie ernst man es in Brüssel mit der Demokratie meint. Eigentlich sollte der Spitzenkandidat der größten Fraktion auch EU-Kommissionspräsident werden. Aber weil Herr Weber, dem der Posten demnach zugestanden hätte, einigen Regierungschefs – vor allem Macron – nicht gefiel, setzte man sich darüber hinweg und ernannte Ursula von der Leyen.

      Das Parlament wurde damit offen brüskiert, aber nach einigem Murren wurde Ursula von der Leyen vom Parlament bestätigt.

      Die Regierungen der EU-Staaten klüngeln hinter verschlossenen Türen einen Kandidaten aus und das Parlament winkt den dann durch. Das konnten wir detailliert beobachten, aber dazu gleich noch mehr.

      Außer dem Kommissionspräsidenten bestätigt das Parlament ebenfalls die gesamte Kommission. Auch hier werden die Kandidaten formell durch den Europäischen Rat nominiert, wobei die Entscheidung, wie erwähnt, den nationalen Regierungen überlassen wird. Es kam im 40-jährigen Bestehen des Parlaments seit 1979 ganze zweimal vor, dass das Parlament vorgeschlagene Kommissare ablehnte: 2004 Rocco Buttiglione und 2009 Rumjana Schelewa.

      Und es kam nach der Wahl 2019 noch einmal vor. Vielleicht als Zeichen des Protests über die Brüskierung bei der Durchsetzung von Uschi von der Leyen lehnte das Parlament einen Kommissar ab.

      Auch hier also entscheidet letztlich nicht das Parlament, sondern die EU-Staaten klüngeln hinter verschlossenen Türen ihre Kandidaten aus und das Parlament winkt sie durch.

      Wie man sieht, hat das EU-Parlament keinerlei Machtbefugnisse. Wenn es gegen etwas ist, wird es am Ende trotzdem umgesetzt, es kann sich höchstens ein wenig verzögern. Und das soll demokratisch sein?

      Und jetzt möchte ich etwas tun, was man fast schon als Satire bezeichnen kann, wenn es nicht wahr wäre.

      Wir lernen doch in der Schule, dass das Deutsche Reich unter Kaiser Wilhelm keine Demokratie, sondern eine Diktatur war. Und eine Demokratie war es ja auch tatsächlich nicht. Aber es hatte ein gewähltes Parlament, den Reichstag. Und der hatte sehr viel mehr Macht als das EU-Parlament heute.

      Der Reichstag im Deutschen Kaiserreich durfte Gesetze selbst einbringen und sie auch beschließen, außerdem konnte er den Staatshaushalt ablehnen. Wer sich für Geschichte interessiert, der weiß, wie sehr Bismarck und später Kaiser Wilhelm mit dem Reichstag zu kämpfen hatten, weil er nicht nur auf dem Papier Rechte hatte, sondern diese auch konsequent nutzte.

      Wenn man dagegen die Rechte des EU-Parlaments sieht, dann fragt man sich, wie diese EU überhaupt von Demokratie reden kann, wenn sie sich ein Scheinparlament ohne Rechte hält, wie es nicht einmal der deutsche Kaiser Wilhelm gewagt hat.

      Klingt gut, bedeutet aber genau das, was ich ausgeführt habe: Das Parlament hat nichts zu entscheiden, sondern ist „fast“ gleichberechtigt mit dem (Minister-)Rat. Der ist aber gar nicht demokratisch gewählt, was bedeutet, dass das Parlament beim Erlassen von Gesetzen weniger Rechte hat als ein nicht gewähltes Organ der EU. Wo ist hier die Demokratie?

      Weiter stand im Spiegel: „Die Abgeordneten haben zwar kein Initiativrecht für Gesetze. Sie können aber die Kommission auffordern, Gesetze zu bestimmten Themen zu erarbeiten.“

      Genau. Nur wie die Gesetze aussehen, die die Kommission dann erarbeitet und dem Parlament zur Entscheidung vorlegt, darauf hat das Parlament keinen Einfluss. Und wie gesehen hat es auch keine Möglichkeit, solche Gesetze endgültig abzuschmettern. Was aus der nicht frei gewählten Kommission kommt, wird auch Gesetz. In der 40-jährigen Praxis gibt es dafür kein Gegenbeispiel.

      Um uns zu zeigen, wie gut und wichtig das EU-Parlament ist, fragte der Spiegel dann: „Wie bestimmen Entscheidungen des Europaparlaments unseren Alltag?“

      Als Antwort wurden diverse positive Beispiele aufgezählt, wie zum Beispiel die weitgehende Abschaffung der hohen Roaming-Gebühren im EU-Ausland. Nur wir erinnern uns: Diese Gesetze stammen ja nicht vom Parlament, sie kamen aus der Kommission und wurden vom Parlament durchgewunken. Das gilt für alle im Spiegel genannten Beispiele, sie alle wären auch ohne das Parlament entstanden. Das Parlament hat kein Recht, selbst Gesetze einzubringen.

      Bleibt eine Frage: Wozu wählen gehen, wenn das Parlament ohnehin nichts bewegen oder entscheiden kann?

      Nun, das hat rein politische Gründe. Wenn man den etablierten Parteien eins auswischen wollte, dann machte man sein Kreuz bei einer „Protestpartei“. Wer gegen die „Protestparteien“ war, machte sein Kreuz bei einer etablierten Partei. Bei welcher, war völlig egal, sie haben ja sowieso nichts zu entscheiden im EU-Parlament.

      Es ging bei der Wahl also nur darum, zu sehen, wie die Stimmung in Europa ist. Gewinnen die euroskeptischen Parteien, führt das zu Unruhe bei den Regierungen und vielleicht sogar zu Veränderungen. Gewinnen die etablierten Parteien, geht es weiter wie bisher.

      Um mehr ging es nicht, es macht – aufgrund der fehlenden Rechte des EU-Parlaments – keinerlei Unterschied, ob Sie CDU, SPD, FDP oder Grüne gewählt haben. Die Abgeordneten dort haben nichts zu sagen und stimmen sowieso praktisch immer identisch ab.

      „Diese Gemeinsamkeit der Ansichten ließ

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