SPIEGLEIN politisches Jahrbuch 2020. Thomas Röper

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу SPIEGLEIN politisches Jahrbuch 2020 - Thomas Röper страница 28

Автор:
Серия:
Издательство:
SPIEGLEIN politisches Jahrbuch 2020 - Thomas Röper

Скачать книгу

waren folgerichtig auch die Wahlplakate und Slogans so gleich, dass man nicht wüsste, von welcher Partei sie kommen, wenn es nicht draufstehen würde. Nur was ist das für eine Wahl, wenn man nicht zwischen verschiedenen Positionen wählen kann?

      Der Vollständigkeit halber wollen wir uns auch die Wahlergebnisse anschauen, wobei uns der Blick ins EU-Ausland mehr interessieren sollte, denn über viele dieser Trends in anderen Ländern wurde in Deutschland nicht berichtet.

      In Frankreich hat Macron trotz allen Einsatzes verloren und kam nur auf Platz zwei, auf Platz eins landete Le Pen. Für Macron war das eine herbe Niederlage, die seine politische Situation weiter schwächt.

      In Großbritannien gewann die Brexit-Partei, die nicht einmal ein Programm hatte, aber einen Namen, der alles sagt. Die etablierten Parteien lagen weit hinter ihr. Und auch wenn die „Qualitätsmedien“ danach weiterhin auf ein Ende des Brexit warteten, war klar, dass die Mehrheit der Briten den Brexit wollte. Das zeigte sich dann ja auch im November, als Johnson mit seinem kompromisslosen Brexit-Kurs die vorgezogenen Neuwahlen haushoch gewann.

      In Österreich gewann die ÖVP von Kanzler Kurz hinzu, und die FPÖ ist trotz des medialen Dauerfeuers gegen sie im Zuge der Strache-Affäre nicht abgestürzt. Alle Bemühungen der Medien haben nicht zu dem gewünschten Ergebnis geführt. Man darf sich fragen, wie es wohl ausgegangen wäre, wenn nicht genau zum „richtigen“ Zeitpunkt das Strache-Video aufgetaucht wäre. Die EU-Wahl wäre zu einem Triumph der Regierung auf ÖVP und FPÖ geworden, aber diese Regierung wurde gerade noch rechtzeitig vom Strache-Video hinweggefegt.

      In Italien haben die regierenden EU-Kritiker von Liga Nord und 5-Sterne ca. die Hälfte der Stimmen bekommen. Obwohl das eigentlich ihre Position hätte stärken müssen, ist die Koalition nur ein paar Monate später zerbrochen.

      Im kleinen Slowenien führten ebenfalls die oppositionellen Euroskeptiker von rechts.

      In Griechenland bekam Tsipras mit seiner Partei einen derartigen Denkzettel verpasst, dass er sofort Neuwahlen ankündigte, die er dann später verloren hat.

      In Schweden haben die Nationalisten den größten Zuwachs erzielen können und landeten auf Platz drei, während die etablierten Parteien Platz eins und zwei halten konnten und nur leichte Verluste eingefahren haben. Das macht die politische Situation in dem Land nicht einfacher, wo die Nationalisten schon bei den letzten Parlamentswahlen die politischen Karten neu gemischt haben.

      In Ungarn hat die Partei von Orban klar gewonnen und über 50 % eingefahren.

      Europaweit konnte man ein Wachstum der EU-Kritiker beobachten. Und zum ersten Mal haben die großen Blöcke EVP (mit CDU/CSU) und Sozialisten (mit der SPD) ihre Mehrheit im EU-Parlament verloren. Die Stimmung ist also auf den ersten Blick nicht gut für den klassischen „Weiter-so“-Kurs. Aber natürlich haben die Befürworter von „Weiter-so“ immer noch eine satte Mehrheit, denn der Kurs wird auch von den Fraktionen der Liberalen und der Grünen gestützt.

      Die Liberale Fraktion im EU-Parlament wächst stark, allerdings nicht aufgrund von Wahlerfolgen, sondern weil Macrons Partei sich den Liberalen angeschlossen hat. Diese zur französischen Präsidentschaftswahl aus dem Nichts entstandene Retortenpartei war bisher nicht im EU-Parlament vertreten, und ihr Einzug stärkt daher automatisch die Liberalen.

      Die wirklichen Gewinner waren die EU-Kritiker und die Grünen, wobei die EU-Kritiker klarer gewonnen haben. Sie teilen sich in zwei Fraktionen auf, in die „Europäische Allianz der Völker und Nationen“ und in „Europa für Freiheit und Demokratie“. Sollten sie sich vereinen, wären sie mit 111 Mandaten drittstärkste Kraft im EU-Parlament, denn trotz Macrons Anschluss an die Liberalen kommen die Liberalen nur auf 105 Mandate.

      Die Grünen sind zweiter Sieger. Während die beiden EU-kritischen Fraktionen zusammen von 78 auf 111 Plätze gewachsen sind, sind die Grünen von 52 auf 69 gewachsen.

      Die Neubesetzung aller Schlüsselposten in der EU, die auf eine solche Wahl folgt, hat sehr dubiose Figuren nach oben gespült. Bei demokratischen Wahlen hätten die wohl keine Chance gehabt, aber wie demokratisch die EU ist, haben wir ausführlich durchgekaut.

      Die EZB wird zukünftig von jemandem geleitet, die rechtskräftig wegen fahrlässigem Umgang mit Steuergeldern verurteilt worden ist. Das war immerhin eine Verurteilung in einer Strafsache. Und gegen die neue Kommissionspräsidentin der EU laufen staatsanwaltliche Ermittlungen. Herzlich willkommen in der EU-Demokratie!

      Christine Lagarde sollte nun die EZB führen und damit für unser aller Geld verantwortlich sein. Aber würden Sie jemandem Ihr Geld anvertrauen, die rechtskräftig verurteilt wurde, weil sie mit anvertrauten Geldern fahrlässig umgeht? Nein? Tun Sie aber, weil die EU-Regierungschefs es so beschlossen haben.

      Folgendes ist geschehen: 1990 kaufte ein französischer Unternehmer die Mehrheit von Adidas und wollte sie 1994 wieder verkaufen. Er beauftragte zunächst eine Bank damit und verkaufte die Anteile schließlich an die Bank, die sie kurz darauf mit großem Gewinn weiterverkaufte.

      Das fand der Unternehmer nicht gut, fühlte sich betrogen und klagte auf einen Anteil an dem Gewinn. Er gewann den Prozess und sollte 135 Millionen Euro bekommen, aber ein anderes Gericht hob das Urteil wieder auf.

      Die Bank gehörte übrigens dem französischen Staat. Bei einem Schiedsgerichtsverfahren traf dann die damalige französische Wirtschaftsministerin 2008 die Entscheidung, dass dem Geschäftsmann nicht nur 135, sondern 285 Millionen zustehen. Inklusive Zinsen wurden ihm 403 Millionen zu Lasten des französischen Staates überwiesen. Und wer war diese Wirtschaftsministerin? Richtig, Christine Lagarde.

      „Der Strafprozess gegen Christine Lagarde geht mit einem Schuldspruch für die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF) zu Ende. Die Richter vom Sondergericht für amtierende und ehemalige Amtsinhaber sahen es als erwiesen an, dass die 60-Jährige in ihrem früheren Amt als französische Finanz- und Wirtschaftsministerin fahrlässig gehandelt hat. Von einer Strafe sahen die Richter aber ab und begründeten dies mit der ‚Persönlichkeit‘ Lagardes, ihrem ‚internationalen Ansehen‘ und der Tatsache, dass Lagarde 2007 und 2008 mit der internationalen Finanz- und Wirtschaftskrise zu kämpfen hatte.“

      So funktioniert der französische Rechtsstaat: Wenn Sie genug „internationales Ansehen“ haben und auch noch wegen einer Wirtschaftskrise im Stress waren, können Sie auch schon mal 400 Millionen Steuergelder an einen Unternehmer verschenken, ohne deshalb – trotz Schuldspruch – bestraft zu werden.

      Die EZB wird also in fähige und zuverlässige Hände gegeben.

      Da hat es die designierte Präsidentin der EU-Kommission besser. Der deutsche Rechtsstaat funktioniert nämlich noch besser als der französische.

      In Deutschland schützt $146 GVG Politiker vor Strafverfahren. $146 GVG sagt, dass Staatsanwälte den Weisungen des Justizministers folgen müssen und nicht ermitteln dürfen, wenn der Justizminister das nicht möchte. Daher gehen zwar immer wieder mal Strafanzeigen gegen Minister oder sogar die Kanzlerin ein, aber davon hört man dann später nichts mehr. Diesen Anzeigen wird von der Staatsanwaltschaft nicht nachgegangen, es wird vom Justizminister kurzerhand untersagt.

Скачать книгу