SPIEGLEIN politisches Jahrbuch 2020. Thomas Röper

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die deutschen Medien stellten die Zusammenhänge dabei nicht her, wenn sie ab und an einmal über einen „Einzelfall“ berichteten. Diese Unglücke konnten nur geschehen, weil Polizisten, die dafür nicht ausgebildet sind, das Granatwerfer-Gewehr LBD-40 benutzen.

      Auf die Verhaftungswelle in Frankreich gab es in dem genannten Spiegel-Artikel zumindest einen Hinweis: „Plénel spricht von ‚einer Tendenz zur Unterwerfung der Staatsanwaltschaft‘ unter Macron. Er erinnert daran, dass Macrons Wahl des Obersten Staatsanwalts der Republik zuletzt mehrmals von einem richterlichen Beirat abgelehnt wurde, Macron sich mit seiner Wahl aber dennoch durchsetzte. Er spricht von den von der Staatsanwaltschaft gebilligten Massenverhaftungen im Zusammenhang mit den Gelbwesten-Protesten der letzten Wochen.“

      Wie der Spiegel am Ende des Artikels selbst verschämt schrieb, warf das kein gutes Licht auf Macron. Und der Chef von Mediapart wurde im Spiegel so zitiert: „Vor allem aber verweist Plénel auf ein Grundschema im Fall Benalla. ‚Ein sehr enger Mitarbeiter des Präsidenten, mit guten Verbindungen zur Polizei, verprügelt einen politischen Gegner: Normalfall in einem autoritären Regime, würde jeder Demokrat sagen‘, so Plénel. Weiter spricht er nicht. Den Rest soll man sich denken.“

      Der Spiegel brachte diese Kritik an Macron nur als Zitat. Aber man stelle sich einmal vor, es gäbe Massendemos gegen Putin und der würde mit Massenverhaftungen reagieren, ein Leibwächter von Putin würde Demonstranten verprügeln und dann von Putin gedeckt werden, und alle Journalisten, die dazu ermitteln wollen, bekämen Besuch vom russischen Staatsanwalt. Würde die deutsche Presse dann auch so verschämt berichten? Oder wäre das nicht tagelang auf den Titelseiten mit Überschriften zu „Putins Polizeistaat“ und Ähnlichem?

      In Frankreich wurde so etwas von der deutschen Presse kritiklos hingenommen.

      Anfang März zog Frankreich die Daumenschrauben weiter an und verschärfte das Demonstrationsrecht. Mehr noch: Dieses angeblich in der EU heilige demokratische Recht wurde nun in Frankreich offen eingeschränkt.

      Unter anderem wurde ein Vermummungsverbot eingeführt. Das war deshalb problematisch, weil nun auch zum Beispiel Helme verboten werden konnten, die die Demonstranten aber brauchten, weil die Polizei mit dem LBD-40 Gewehr bewusst mit Gummigeschossen auch auf die Köpfe der Demonstranten zielte (daher kamen die über 141 schwer verletzten Demonstranten).

      Macron setzte nun auf eine Kombination aus Angst verbreiten durch Polizeigewalt und Einschränkungen des Demonstrationsrechts einerseits und andererseits auf die alte Strategie des Aussitzens. Durch die verbreitete Angst ging die Zahl der Demonstranten inzwischen zurück, die Umfragen zeigten jedoch, dass die Unterstützung im Volk ungebrochen war. Trotzdem bestand nun die Möglichkeit, die Protestwelle könnte aus Angst bei den Demonstranten mit der Zeit einschlafen.

      Außerdem hatten die französischen Behörden ab März das Recht, einzelnen Personen die Teilnahme an Demonstrationen zu verbieten. Dazu benötigen sie nicht einmal einen Gerichtsbeschluss. Hier wurde das Demonstrationsrecht stark eingeschränkt, was eigentlich mit „europäischen Werten“ völlig unvereinbar ist. Man stelle sich einmal vor, in Russland oder Venezuela würde die Regierung einzelnen Personen das Demonstrieren verbieten – was da in den deutschen Medien los wäre!

      Zweifel an den offiziellen Teilnehmerzahlen der Gelbwesten-Demonstrationen gab es immer wieder, denn die Angaben von Polizei und Veranstaltern gingen weit auseinander. Mitte März konnte man in den Medien tatsächlich deutliche Hinweise finden, dass die französische Regierung diese Zahlen gefälscht und zu geringe Teilnehmerzahlen gemeldet hatte.

      Wenn aber das französische Innenministerium offiziell nur 32.000 Demonstranten meldete, bei einer Sitzung mit Macron aber von 40.000 bis 50.000 „Radikalen“ unter den Gelbwesten die Rede ist, muss man zwangsläufig zu dem Schluss kommen, dass die offiziellen Zahlen des Innenministeriums geschönt waren und nicht stimmen können. Die tatsächliche Teilnehmerzahl musste weit höher liegen.

      Das bedeutet nicht, dass die Zahlen der Organisatoren korrekt waren. Sie waren vielleicht überhöht, aber wahrscheinlich waren die Zahlen der Organisatoren weit näher an der Wahrheit als die Zahlen des Innenministeriums.

      Ein weiterer Hinweis darauf, dass die offiziellen Teilnehmerzahlen viel geringer waren als die tatsächlichen Zahlen, fand sich im April.

      Die Proteste der Gelbwesten begannen im November mit weit über hunderttausend Teilnehmern. Im April sollen es gemäß offiziellen Angaben der französischen Polizei schon weniger als 30.000 landesweit gewesen sein, die sich samstags zu Protesten versammelten. Da fragt man sich, wozu bei so wenig Demonstranten ein solches Polizeiaufgebot notwendig war. Immerhin wurden zum Beispiel am 20. April in Frankreich 60.000 Polizisten mobilisiert.

      Das zeigt wieder, dass mit den offiziellen Teilnehmerzahlen bei den Gelbwesten ganz eindeutig etwas nicht gestimmt hat, und es ist doch vielsagend, dass die deutschen Medien zu diesem Zeitpunkt über die Gelbwesten kaum noch berichtet haben. Und wenn sie es doch einmal getan haben, dann meldeten sie nur die offiziellen Zahlen und verloren kein Wort darüber, dass die Zahlen geschönt gewesen sein könnten.

      Trotz dieser dramatischen Entwicklungen verschwanden die Gelbwesten mit der Zeit aus den Medien, auch die alternativen Medien berichteten immer seltener. Aber die Proteste

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