SPIEGLEIN politisches Jahrbuch 2020. Thomas Röper

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SPIEGLEIN politisches Jahrbuch 2020 - Thomas Röper

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keine Überweisungen durchführt, sondern nur eine Art Tauschbörse ist. Wer etwas in den Iran verkauft, bekommt bei Instex ein Guthaben, und das wird verrechnet, wenn jemand anderes etwas aus dem Iran kauft. Hier sieht man schon das erste Problem: Wenn mehr in den Iran verkauft wird, als aus dem Iran gekauft wird, kann nicht alles verrechnet werden. Instex funktioniert nur dann zu 100 %, wenn sich beim Iran-Geschäft Import und Export exakt die Waage halten.

      Nun könnte man sagen, es ist trotzdem eine gute Idee und besser als nichts. Nur hätte es wesentlich besser gelöst werden können. Wenn sich die Banken weigern, den Zahlungsverkehr mit dem Iran aufrechtzuerhalten, hätte doch zum Beispiel die EZB einspringen und einen echten Zahlungsverkehr aufrechterhalten können, anstatt eine Tauschbörse wie Instex zu schaffen, die gar nicht funktionieren konnte und dann in der Folge auch nie funktioniert hat.

      Diese Haltung der EU hatte dann im Mai Folgen. Da kündigte der Iran an, Teile des Atomabkommens auszusetzen.

      Das Atomabkommen wurde 2015 nach langen Verhandlungen geschlossen. Der Iran hat sich darin verpflichtet, sein Atomprogramm einzustellen, und im Gegenzug sollten die Sanktionen gegen den Iran aufgehoben werden. Der Iran hat sich seitdem an das Abkommen gehalten, niemand hat ihm vor Mai 2019 vorgeworfen, es verletzt zu haben.

      Trotzdem haben die USA den Vertrag gebrochen. Sie sind nicht etwa aus dem Abkommen „ausgestiegen“, wie deutsche Medien es gerne formulieren, sondern sie haben es gebrochen, denn ein solcher einseitiger Ausstieg war laut Vertrag gar nicht möglich.

      Aber damit nicht genug. Als die USA ein Jahr zuvor, im Mai 2018, diesen Vertragsbruch verkündeten, konnte man sogar bei der Tagesschau Folgendes dazu lesen: „Am 20. Juli 2015 saßen sie damals im UN-Sicherheitsrat, dem mächtigsten Gremium der Vereinten Nationen, und stimmten darüber ab, was zwölf lange Jahre zuvor ausgehandelt wurde. 15 Hände gingen nach oben damals. Einstimmig angenommen. Dass die USA dieses Abkommen jetzt einseitig aufkündigten, ist ein klarer Verstoß gegen eine gültige UN-Resolution. Es ist der Bruch geltenden Rechts.“

      Der Tagesschau-Artikel, aus dem ich diesen Text kopiert habe, ist übrigens 18 Stunden, nachdem ich ihn im Mai 2019 in einem Artikel zitiert habe, gelöscht worden.

      Es handelt sich beim „Ausstieg“ der USA aus dem Atomabkommen also nicht „nur“ um einen Vertragsbruch, sondern um einen Bruch des Völkerrechts. Das aber hatten die Medien in diesem Zusammenhang schon im Mai 2019 längst vergessen. Stattdessen sprachen sie inzwischen vom „einseitigen Ausstieg“ der USA und tun das bis heute.

      Dieser Völkerrechtsbruch der USA dürfte in erster Linie dem Einfluss von Trumps Schwiegersohn geschuldet sein, der von Trump zum Nahost-Beauftragten ernannt wurde. Kushner, der Schwiegersohn von Trump, ist ein langjähriger, enger persönlicher Freund von Israels Ministerpräsident Netanjahu und er macht im Nahen Osten eine einseitig pro-israelische Politik. Daher auch die Verlegung der US-Botschaft nach Jerusalem und die Anerkennung der israelischen Besetzung der Golanhöhen durch die USA. Und darin dürfte eben auch der Bruch des Atomabkommens begründet sein.

      Nach diesem Vertragsbruch durch die USA war es die Verantwortung vor allem der Europäer, das Abkommen und damit die Einhaltung des Völkerrechts zu schützen. Die US-Sanktionen sorgten dafür, dass die weltweiten Sanktionen de facto wieder eingeführt wurden. Das bedeutete, dass der Iran nun das Abkommen einseitig einhielt, indem er auf sein Atomprogramm weiterhin verzichtete, aber wieder strengen Wirtschaftssanktionen ausgesetzt war. Hier hätten sich die Europäer gegen die Sanktionen stemmen und sie ignorieren müssen, was sie aber nicht getan haben.

      Wichtig wäre in erster Linie gewesen, den Zahlungsverkehr mit dem Iran aufrechtzuerhalten, denn ohne Bezahlung ist Handel unmöglich. Da die EU aber nur Instex geschaffen hatte, war der Handel zwischen der EU und dem Iran praktisch tot und die EU ist damit trotz aller schönen Worte, das Atomabkommen erhalten zu wollen, den US-Sanktionen gefolgt.

      Vertragsparteien des Atomabkommens sind der Iran, die USA, Russland, China, Großbritannien, Frankreich und Deutschland. Außer den USA wollen alle Parteien das Abkommen erhalten, auch wenn die EU außer schönen Worten nicht viel getan hat.

      Nachdem der Iran ein Jahr lang stillgehalten hatte, kündigte er am Jahrestag des US-Vertragsbruchs im Mai 2019 an, zu reagieren. Die Reaktion war dabei ausgesprochen zurückhaltend, das Land wollte nur zwei Punkte des Abkommens aussetzen: Es ging dabei um die Beschränkungen der Lagerung von angereichertem Uran und Schwerem Wasser.

      Der Iran gab den anderen Vertragsparteien jedoch noch einmal 60 Tage Zeit, ihren Teil der Vereinbarungen doch noch umzusetzen, dann würde er seinen Teil sofort wieder einhalten. Dies war als Ansage an die EU zu verstehen, denn die USA wollen das Abkommen gar nicht einhalten, und Russland und China haben den Handel mit dem Iran nicht eingeschränkt, das hat nur die EU getan. Wenn die EU das Atomabkommen tatsächlich hätte erhalten wollen, dann wäre es zu diesem Zeitpunkt höchste Zeit gewesen, nach einem Jahr den schönen Worten auch Taten folgen zu lassen.

      „Der Iran hat mitgeteilt, dass er solch eine Neu-Einführung von Sanktionen gemäß Annex II, oder eine Einführung von Sanktionen in Verbindung mit nuklearen Themen als Grund ansehen wird, seine Verpflichtungen dieses Abkommens ganz oder teilweise auszusetzen.“

      Der Iran verstieß also nicht gegen das Atomabkommen, als er im Mai 2019 ankündigte, einige Punkte nicht mehr einzuhalten. Er hatte dazu ausdrücklich das Recht. Und auch als er die Drohung umsetzte, war das kein Vertragsverstoß.

      Der Iran hat – wir werden das immer wieder sehen – jedes Mal mitgeteilt, er würde das Abkommen wieder im vollen Umfang einhalten, wenn wenigstens die EU den Handel und den Zahlungsverkehr mit dem Iran vollständig wieder aufnehmen und auch iranisches Öl kaufen würde. Die EU lehnte das jedes Mal ab und sprach davon, sie ließe sich vom Iran nicht unter Druck setzen.

      Aber anstatt zu deeskalieren, reagierten die USA, indem sie ihre Truppen im Golf verstärkten. Schon Anfang Mai entsandten die USA eine zweite Flugzeugträgergruppe in die Region.

      Der Transport von Öl aus dem Iran läuft mit Tankern durch den Persischen Golf, vor allem durch die enge Straße von Hormus. Eine Eskalation in dieser Region hätte die Ölversorgung der ganzen Welt getroffen und nicht nur dem Iran geschadet, sondern auch allen anderen Ländern der Region.

      Es war also ein Pokerspiel mit hohem Einsatz, denn der Iran ist nicht der Irak. Der Iran hat eine starke Armee inklusive moderner russischer Flugabwehr und könnte sich wehren. Auch wenn der Iran einen Krieg nicht gewinnen kann, er könnte den USA doch hohe Verluste zufügen.

      „Präsident Donald Trump, Außenminister Pompeo und ihre Berater schalten in den Krisenmodus: Schritt für Schritt scheinen die USA auf eine weitere Eskalation des Konflikts mit Iran zuzusteuern. Sogar eine direkte militärische Auseinandersetzung ist nicht mehr ausgeschlossen. Es ist ein brandgefährliches Pokerspiel: Mit immer schärferer Rhetorik und immer härteren Sanktionen will Washington dem Regime in Teheran seinen Willen aufzwingen.“

      Das war völlig korrekt. Und es schien, dass der Apparat in Washington dort eine Konfrontation riskieren wollte, die Trump in eine Lage hätte bringen können, in der er keine Wahl gehabt hätte, als mit Militärschlägen oder sogar einem Krieg zu reagieren, wenn er nicht sein Gesicht verlieren wollte.

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