SPIEGLEIN politisches Jahrbuch 2020. Thomas Röper

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Spiegel schrieb, die „Rotschals“ seien Anhänger von Macron. Und dabei war der Spiegel sichtlich bemüht, nicht die Frage zu stellen, die sich dabei als erstes aufgedrängt hätte: Hatte Macron selbst diese „Gegenbewegung“ organisiert? Seine Beliebtheitswerte waren im Keller, fast 80 % der Franzosen waren mit seiner Politik nicht einverstanden. Man fragte sich also spontan, ob die „Rotschals“ von selbst entstanden sind oder von der Regierung gefördert wurden. Eine Frage, der der Spiegel aus dem Weg ging.

      Im Gegensatz zu den Gelbwesten, die selbst an ihren schlechtesten Tagen über 30.000 Menschen auf die Straßen brachten, kamen die Rotschals gerade mal auf 10.000 Demonstranten. Und ob die offiziellen Schätzungen korrekt waren, ist fraglich, denn während das französische Innenministerium am vorherigen Samstag von 69.000 Gelbwesten in Frankreich gesprochen hatte, hatten die Organisatoren 400.000 gemeldet. Wem soll man glauben?

      Während die Gelbwesten für soziale Reformen demonstrierten, wurde in den Medien immer der Schwerpunkt auf Ausschreitungen gelegt. Da passten die Parolen der Rotschals ins mediale Bild: „Sie marschierten am Sonntag für ‚Ruhe und Ordnung‘ und ‚gegen Gewalt‘ durch Paris, viele von ihnen Anhänger des Präsidenten.“

      Der Spiegel stellte es so dar, als ob die Rotschals für Macron ein weiteres potenzielles Problem seien und berichtete ausführlich, wie Macron Distanz zwischen sich und die Rotschals bringen wollte: Macron „betrachtete das offenbar mit gemischten Gefühlen. Kein Regierungsmitglied durfte mitmarschieren, um nur ja kein weiteres Chaos zu provozieren.“

      Aber warum hätte es zu Chaos kommen sollen, wenn jemand aus der Regierung mitmarschiert wäre? Diese Frage beantwortete der Spiegel nicht. Dabei könnte der Grund sein, dass dann die Verbindung zwischen Regierung und Rotschals allzu augenscheinlich geworden wäre, was den Gelbwesten in Zukunft eher Zulauf gebracht hätte.

      Wenn man also davon ausgeht, dass die Rotschals von der Regierung oder zumindest mit deren Hilfe geschaffen worden sind, dann war diese (vermeintliche) Distanz nachvollziehbar. Aber das würde auch die Verzweiflung der Regierung zeigen, die die Bewegung der Gelbwesten nicht eindämmen konnte, obwohl sie schon alles versucht hatte. Zuerst wurden die Gelbwesten ignoriert, dann wurden kleine Zugeständnisse gemacht, ihnen wurde mit einem verschärften Demonstrationsrecht gedroht. Nichts half. Da wirkten die Rotschals wie ein letzter verzweifelter Versuch, den Gelbwesten den Wind aus den Segeln zu nehmen.

      Aber letztlich war all das unwichtig, denn die Rotschals demonstrierten nur ein einziges Mal, danach hörte man nie wieder von dieser „Gegenbewegung“, die von den deutschen Medien so euphorisch gefeiert worden war.

      Parallel versuchte Macron, mit der „nationalen Debatte“ wieder die Oberhand zu gewinnen. Denn Debatte hin oder her, auf die von den Gelbwesten gestellten Forderungen ging er nicht ein. Im Spiegel stand dazu: „‚Es ist ein Moment der Wahrheit, es geht um die Neuerfindung der Demokratie‘, fügte er hinzu und kündigte ‚tiefgreifende Konsequenzen‘ der von ihm angestoßenen Debatte an.“

      Wie schon erwähnt war Macron über die Sympathiebekundungen aus Italien für die Gelbwesten gar nicht begeistert. Aber die hatte er noch murrend geschluckt.

      Das änderte sich, als sich der italienische Vizepremier Luigi di Maio Anfang Februar öffentlich mit den Gelbwesten traf und sie weiter unterstützte. In den deutschen Medien wurde darüber und über die Konsequenzen gar nicht berichtet.

      Diese französische Reaktion zeigt erneut die Doppelmoral westlicher Staaten. Wenn Frankreich in Venezuela nicht bloß Sympathie für die Opposition bekundet, sondern auch gleich einen Putschisten als Präsidenten anerkennt, ist das in Ordnung. Wenn aber ein italienischer Politiker Sympathie für Kritiker des französischen Präsidenten zeigt, ist man schockiert und ruft den Botschafter ab. Oder wie war das in Ukraine, wo die Europäer ebenfalls offen die Gegner des demokratisch gewählten Präsidenten unterstützt haben? Oder in Ägypten bei den Protesten gegen Mubarak? Und so weiter und so fort.

      Wenn westliche Länder sich woanders offen einmischen, ist das in ihren Augen in Ordnung, wenn aber jemand auch nur mit Kritikern ihrer eigenen Regierungen spricht, dann verbittet man sich jede Einmischung von außen.

      Aber Fakt ist auch, dass dies ein bisher in der EU einmaliger Fall war, der zeigte, wie blank die Nerven in Frankreich zu dem Zeitpunkt lagen.

      Wie blank die Nerven in Paris lagen, zeigte sich auch, als Macron im Februar daranging, offen die Pressefreiheit einzuschränken. Man konnte sogar einmal im Spiegel lesen, dass Macron nicht nur ein Problem mit der Pressefreiheit hatte, sondern sogar gegen unabhängige Medien vorging.

      Der Staatsanwalt kam dann aus recht fadenscheinigen Gründen zu Mediapart: „Im Rahmen dieses Verfahrens wurde Benalla verboten, Gespräche mit in den Fall verwickelten Personen zu führen. Ein solches aber führte er Ende Juli mit dem Reserve-Gendarm Vincent Crase. In dem Gespräch betont Benalla, immer noch über die Unterstützung des Präsidenten zu verfügen. Eine Aufnahme des Gesprächs veröffentlichte Mediapart vor zwei Wochen. Drei Arbeitstage später stand der Staatsanwalt vor der Tür. (…) Die Staatsanwaltschaft, so weiß Plénel heute, erhielt noch am Tag nach der Mediapart-Veröffentlichung einen Brief des Büroleiters von Premierminister Edouard Philippe, der Nummer zwei hinter Macron. Darin berichtet der Büroleiter dem Staatsanwalt im Detail von den Ermittlungen der Mediapart-Journalisten im Fall Benalla.“

      Die Anweisung kam also direkt aus dem Umfeld von Macron, der nun die Staatsanwaltschaft auf missliebige Journalisten hetzte.

      Aber es kommt noch besser: In den alternativen Medien gab es zu dem Zeitpunkt schon seit Wochen Berichte über unglaublich harte Polizeigewalt gegen die Gelbwesten und über ungerechtfertigte, massenhafte Festnahmen. Die deutschen Mainstream-Medien berichteten darüber jedoch nicht. Nur vereinzelt fanden sich Berichte über Demonstranten, die durch Polizeigranaten schwer verletzt wurden. Das wurde aber als Einzelfälle dargestellt.

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