DIE SEELE IM JENSEITS. Whitley Strieber
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Читать онлайн книгу DIE SEELE IM JENSEITS - Whitley Strieber страница 11
Sie lächelte sanft. »Nein, Baby«, sagte sie und fügte hinzu: »Whitley, es ist Zeit für die Hospizversorgung. Ich möchte, dass sie morgen zu mir kommen.«
Okay, das war es also. Sie war fest entschlossen, jedenfalls im Moment. Ich hatte gehofft, dass sie hungrig werden würde und durstig. Aber sie war nicht bereit, ihr Fasten zu brechen. Stattdessen sah sie tapfer einer Nacht voller quälendem Hunger und Durst ins Auge.
Das wollte ich ihr ersparen. Wir hatten uns bereits für ein Hospizteam entschieden. Dort kannte man ihre Situation und ihren Plan. Ein Anruf genügte, dann würden sie kommen.
Es war das schwerste Telefonat meines Lebens. Ich fürchtete mich seit Monaten davor. Ich konnte kaum sprechen. Aber ich schaffte dann doch, ihnen zu sagen, dass es so weit war und Anne begonnen hatte zu fasten.
Sie kamen gegen 21 Uhr und leisteten ihr die gesetzlich erlaubte Hilfestellung, die im Wesentlichen in einer milden Dosis Morphium und einer Befeuchtung des Mundes bestand.
Als am nächsten Morgen die Krankenschwester kam, musste ich das Haus verlassen, damit sie Anne ohne meine Anwesenheit fragen konnte, ob sie weiterleben wollte oder nicht und ob ihr klar bewusst war, dass die Beendigung von Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme ihren Tod bedeuten würde. Bislang hatte sie nur eine leichte Dosis Morphium erhalten. Ich hatte dafür Sorge getragen, dass sie auf jeden Fall bei klarem Bewusstsein war. Damit sie sich wohlfühlte, war ich die ganze Nacht bei ihr geblieben, hatte ihren Mund befeuchtet und ihre Lippen mit einem Pflegestift eingefettet, sobald sie das wünschte.
Ich fuhr ziellos herum und sah durch meine Tränen kaum die Straßen.
Als ich zurückkehrte, erkannte ich am ernsten Gesicht der Schwester, was Anne geantwortet hatte.
Dennoch fragte ich sie, bevor sie das Bewusstsein verlor, alle zwei Stunden, ob sie ihre Meinung geändert hatte. Ich wollte sie so sehr anflehen, zwang mich aber, es nicht zu tun. Sie sah meine Tränen und meine große Qual. Ich konnte den Schmerz nicht unterdrücken, und das war Flehen genug.
An dem Freitag, bevor sie starb, gab es einen Hoffnungsschimmer. Sie sagte, dass sie ins Kino gehen wollte. Dass sie Popcorn und Cola wollte. Mein Herz machte einen Sprung, und ich sagte: »Klar doch, lass uns das tun.« Aber dann musste ich hinzufügen: »Du fastest schon zu lange, um es einfach unterbrechen zu können. Wir brauchen ein paar Tage, bis du wieder stark genug bist.« Ich hatte mich gründlich über den ganzen Vorgang informiert. Ich wusste genau, was in jeder Phase zu tun war, um sie zurückzuholen, und wann das nicht mehr möglich sein würde.
Sie lächelte sanft und sagte: »Nein, dann müsste ich das alles noch einmal tun.«
Trotzdem beschäftigt mich manchmal immer noch der Gedanke, dass sie vielleicht das Fasten beendet hätte, wenn ich etwas überzeugender, hoffnungsvoller geklungen hätte.
Aber sie hatte recht. Wenn sie das Fasten abbrach, hätte sie vor der Entscheidung gestanden, es wieder zu beginnen. Ich hatte nicht das Recht, sie dazu zu drängen, und heute bin ich froh, dass sie bei ihrer Entscheidung blieb.
Es bestand keine Aussicht auf eine Besserung ihres Zustandes, und es konnte ein Punkt kommen, wo sie selbst nicht mehr in der Lage war, Entscheidungen zu treffen. Dann wäre die rechtliche Situation wesentlich komplizierter geworden.
Es gibt eine Entscheidung des Supreme Court, des Obersten Gerichtshofes, wonach eine Person, die im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte ist, das Recht hat, Nahrung und Flüssigkeit zu verweigern, dass aber kein Familienmitglied diese Entscheidung für einen Angehörigen treffen darf, der selbst seinen Willen nicht mehr äußern kann.
Auf diese Weise bewahrte sie ihre Würde und ging mit vollem Bewusstsein in den Tod.
Wir hatten die Morphium-Dosierung gründlich mit unserem Arzt besprochen. Anne wollte den Sterbeprozess bewusst erleben. Ich wollte, dass sie möglichst lange wach genug blieb, um sich doch noch anders entscheiden zu können.
Ich weiß, dass sie die richtige Entscheidung traf und dass es richtig war, diese nicht mehr zu ändern. Das heißt aber nicht, dass ich keine Seelenqualen durchlitt. Dieser Schmerz ist heute noch da und wird mich immer begleiten, und so muss es auch sein. Sie bedeutete mir mehr als ich mir selbst, und daher wird der Schmerz über ihren Verlust ein Teil von mir bleiben. Ich erinnere mich, wie ich zum letzten Mal zu ihr sagte: »Anne, wenn du Nahrung und Wasser verweigerst, wirst du sterben. Willst du deine Meinung nicht ändern?«
Es kam keine Antwort. Ihre Augen waren geschlossen. Sie war in den tiefen, letzten Schlaf hinübergeglitten, der schon bald zu einem tödlichen Koma werden würde.
Anne war gegangen – mehr oder weniger.
Schon wenige Stunden später begann sie, telepathisch zu kommunizieren – und wenn Sie zu denen gehören, die über solche Dinge verächtlich spotten, bitte ich Sie, eine offene Geisteshaltung einzunehmen oder, wenn Sie sich dagegen sperren, nicht weiterzulesen. Dann ist unsere Geschichte nicht für sie gedacht. Jene aber, die zumindest bereit sind, in Betracht zu ziehen, dass solche Dinge möglich sind, erwartet eine eindrucksvolle Geschichte über eine Liebe, die den Tod überlebt hat, und eine Ehe, die weiterhin blüht und gedeiht, obwohl einer der beiden Partner nicht mehr körperlich in der Welt präsent ist. Es ist zugleich eine Geschichte von universaler Gültigkeit, die sich in vielen Leben anspielt, über die aber zumeist nur privat im kleinen Kreis gesprochen wird oder die die Menschen allein der Stille ihres Herzens anvertrauen. Hier dagegen entfaltet sie sich, in aller Öffentlichkeit, auf den Seiten eines Buches …
Meine Trauer gilt dem Verlust von Annes Körper, nicht der Abwesenheit ihres Seins. Tatsächlich ist Anne, wie Sie im weiteren Verlauf unseres Berichtes sehen werden, zu einer Präsenz geworden, die sich durch hohe Intelligenz, Mitgefühl und, vor allem, Einsicht auszeichnet.
Bis Montagmorgen verstummte sie völlig. Ich befand mich in einem so machtvollen emotionalen Zustand, wie ich es nie zuvor erlebt und auch nie für möglich gehalten hätte. Es war mehr als Seelenqual. Es war Qual gemischt mit etwas, das an Ehrfurcht grenzte.
Ich war mir bewusst, dass ich Zeuge des Sterbens einer großen Seele wurde.
Annes Leben hatte in sehr bescheidenen Verhältnissen begonnen. Ich hatte einige ihrer Schulkameradinnen kontaktiert, und sie schrieben mir, sie sei ein stilles, unscheinbares Mädchen gewesen. Niemand hatte sich je die Mühe gemacht, Anne zu fördern und geistig zu inspirieren. Bevor wir uns trafen, hatte niemand ihren Scharfsinn bemerkt. Bisher hatte er sich in Annes Leben nur dadurch geäußert, dass sie ständig Menschen verärgerte, weil sie ihnen sagte, was sie falsch machten. Weil sie die geborene Lehrerin war, konnte sie es einfach nicht lassen, den Leuten zu erklären, wie sie bestimmte Dinge besser machen konnten. Damit machte sie sich oft unbeliebt und wurde an jedem neuen Arbeitsplatz meist nach ein paar Monaten gefeuert.
Sie hatte nicht die leiseste Ahnung, wie bemerkenswert sie war. Gleich bei unserem ersten Treffen sprudelten die brillanten Gedanken nur so aus ihr hervor und ihr scharfer Verstand funkelte. Schon nach zehn Minuten hatte ich erkannt, was für eine glückliche Begegnung das war.
Ich hatte mir immer eine kluge Frau gewünscht. Sehr klug. So klug wie möglich. Als wir uns eine Woche kannten, wusste ich, dass mir noch nie ein so hellwacher, geistreicher Mensch begegnet war. Ich war fest entschlossen, wenn unsere Beziehung funktionierte, mich zuallererst