Das Haus in den Dünen. Ulrich Hefner

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Das Haus in den Dünen - Ulrich Hefner

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das Unwetter. Hin und wieder strich er sich mit der Handfläche über seine müden Augen. Fast zwölf Stunden saß er nun schon – mit kurzen Unterbrechungen – hinter dem Lenkrad. Als er endlich bei Sande die Autobahn verließ und über die Bunsenstraße das Industriegelände oberhalb des Sander Watts ansteuerte, atmete er auf.

      Es war kurz vor dreiundzwanzig Uhr und über der Stadt am Jadebusen tobte ein heftiges Gewitter. Die Bäume an der Straße bogen sich im Sturm und hier und da hatte der heftige Wind schon schwache Äste und dünne Zweige aus den Baumkronen gerissen und über die Fahrbahn verteilt. Als er in die Planckstraße einbog, knirschte ein dicker Ast unter seinen Reifen und schlug ihm gegen den Unterfahrschutz. Hans Kropp fluchte.

      Er war erleichtert, als er die fahle Laterne erkannte, die oberhalb des Betriebstores im Wind hin und her schwang. Er stoppte. Bevor er den LKW verließ, warf er sich seine gelbe Öljacke über die muskulösen Schultern. Er hatte die Fahrt in kurzer Turnhose und T-Shirt zurückgelegt, für das üble Wetter war er denkbar schlecht gekleidet. Nur die Schnürstiefel taugten für den Regen, und die trug er nur, weil er erst vor ein paar Wochen bei einer Polizeikontrolle eine saftige Strafe dafür gezahlt hatte, dass er in Sandalen gefahren war. Vorschrift, hatte der Polizist gesagt. Dieses Land wimmelte vor unnützen Vorschriften. Er öffnete die Fahrertür und kämpfte dabei gegen den orkanartigen Wind, der kräftig für Gegendruck sorgte.

      Das Tor war verschlossen und das Firmengelände lag einsam und verlassen im schummrigen Licht der wenigen Bogenlampen. Hans Kropp hatte einen Schlüssel, so wie jeder Fahrer der Firma, der große Touren bis ins Ausland fuhr. Neben dem Tor stand ein Pfosten, an dem ein Schloss installiert war. Das Schließsystem war erst im vergangenen Jahr ein­gerichtet worden und Hans Kropp hatte geflucht, weil der Firmenchef entgegen der Forderung der Fahrer keine Fernbedienung für das Tor angeschafft hatte. Er steckte seinen Schlüssel in das Schloss. Sekunden später setzte sich das Tor lärmend in Bewegung. Eine gelbe Rundumleuchte blinkte. Hans Kropp ging zurück zu seinem LKW. Bevor er einstieg, verharrte er kurz und schaute sich um. Das eigenartige Gefühl war zurückgekehrt. Es war, als ob ihn fremde Augen fixierten und ihn nicht mehr losließen. Er schüttelte den Kopf. Alles nur Einbildung, sagte er sich, als er sich in das Führerhaus schwang und den Lastwagen durch das Tor in den Schatten des Verwaltungsgebäudes manövrierte. Wenige Minuten später hatte er den Lastzug geparkt. Bevor er das Führerhaus verließ, füllte er noch das interne Fahrtenbuch aus, das zur Abrechnung der Tour mit dem Disponenten wichtig war. 22.41 Uhr trug er in der Spalte Rückkehr/Datum und Uhrzeit ein. Anschließend kletterte er aus dem Wagen und verschloss die Tür. Für heute war Feierabend, den Rest konnte er morgen erledigen, ehe er sich in das verlängerte Wochenende verabschiedete.

      Kaum hatte er seinen Wagen umrundet, keimte erneut dieses Gefühl in ihm auf. Die Gänsehaut auf seinen Armen kam nicht alleine von der Kälte.

      Seinen PKW hatte er neben der Werkstatt geparkt. Als er im Schein einer Peitschenlampe darauf zuging, hörte er plötzlich ein Scheppern. Ein Blitz zuckte durch die Nacht und ein lauter Donner folgte.

      »Ist da wer?«, rief er in die Dunkelheit. Er wandte sich um und lief zurück zu seinem Lastwagen. Es bestand kein Zweifel mehr für ihn, er war nicht alleine auf dem Gelände.

      »Los, herauskommen!«, rief er. »Sonst passiert etwas.«

      Er hatte seinen Lastwagen erreicht. Auf der Beifahrerseite, vor der Hinterachse, befand sich der Werkzeugkasten. Eine Axt lag darin. Es schadete nicht, wenn er seinem unheimlichen Gegenüber etwas entgegenzusetzen hatte.

      Hans Kropp hatte ein Gespür für Gefahr. In Barcelona hatte es ihn davor bewahrt, mit einem Stilett im Rücken zu enden. Er hatte die Gefahr gewittert und sich rechtzeitig herumgedreht, um das Billardqueue auf die Messerhand seines Angreifers zu schlagen.

      Mit dem Beil in der Hand fühlte er sich sicher. Er spähte hinaus in die Dunkelheit. Das Scheppern war von der Frachthalle gekommen. Vielleicht waren dort Einbrecher am Werk, die das Unwetter für einen nächtlichen Besuch in der Firma ausnutzten, und vielleicht waren sie schon damals bei seiner Abfahrt in der Nähe gewesen, um das Gelände auszubaldowern. Vielleicht hatten sie erst heute Nacht die richtige Gelegenheit gefunden – bei schönem Wetter verirrten sich nachts öfters mal verliebte Paare in diese Gegend, um sich im Wagen etwas näherzukommen.

      Genauso musste es sein, ein paar Einbrecher, dreiste Halunken, die es auf die Getränkekasse und die Automaten abgesehen hatten. Sollte er zur Fahrzeughalle hinübergehen? Er zögerte.

      Erneut zuckte ein Blitz durch die Nacht. Doch diesmal, so hatte er den Eindruck, war der Donnerhall vor dem Blitz gekommen. Ein heftiger Schmerz durchfuhr seinen Körper. Bevor er überhaupt begriff, was geschehen war, blitzte es erneut. Doch der Blitz zuckte nicht aus den tiefen Wolken, er zuckte hinter den abgestellten Containern hervor und züngelte direkt auf ihn zu. Ein zweiter Schlag traf seinen Körper. Diesmal ungleich heftiger. Er stürzte zu Boden. Was war nur passiert?

      Er sah die Laterne, die am Verwaltungsgebäude befestigt war, wie durch einen roten Schleier. Plötzlich verdeckte ein dunkler Schatten das Licht.

      »… nein … was soll …«, stammelte er.

      Es waren seine letzten Worte, bevor sein Leben in einem lauten Knall zerbrach.

      *

      »Der Mechaniker, ein gewisser Dragan Vukovic, hat ihn heute früh so gegen fünf neben seinem LKW gefunden und sofort die Kollegen vom Revier verständigt«, erklärte Dietmar Petermann und zog seinen Mantelkragen höher.

      Es war frisch am heutigen Morgen, und nachdem die Sonne aufgegangen war, stiegen milchige Schwaden vom Boden auf. Kleine, schwarze Schildchen mit weißen Zahlen standen scheinbar wahllos aufgereiht auf dem grauen und feuchten Asphalt im Betriebshof der Intertrans im Industriegebiet West.

      »Weiß man schon, wer er ist?«, fragte Trevisan und wischte einen Schweißtropfen von seiner Stirn. Er hatte sich nach dem Anruf am frühen Morgen beeilt.

      »Hans Kropp, Fernfahrer«, antwortete Dietmar. »Ist wohl heute Nacht von einer Tour aus Spanien zurückgekommen. Drei Schüsse. Einer traf ihn im rechten Oberschenkel, der andere in der Nierengegend. Das hat dem Täter offenbar nicht gereicht, da hat er ihm auch noch ein Stück von seinem Kopf weggeschossen. Aus nächster Nähe, meint Kleinschmidt.«

      »Und woher kennt er die Reihenfolge der Schüsse?«

      »Zweimal Gewehr und einmal eine Pistole.«

      Trevisan nickte. Der Polizeifotograf war noch damit beschäftigt, Bilder vom näheren Tatort aufzunehmen. Direkt neben dem Toten lag eine Axt.

      »Hat Kleinschmidt eine Vermutung?«, fragte Trevisan seinen Kollegen.

      »Er sucht noch nach der Stelle, von wo aus geschossen worden ist«, entgegnete Dietmar. »Es wäre möglich, dass Kropp ein paar Einbrecher überrascht hat.«

      »Einbrecher mit Gewehren und Pistolen?«

      »Nicht ganz handelsüblich, was?«

      Kleinschmidt tauchte hinter einem Container an der Nordwestseite eines langgestreckten Gebäudes auf und marschierte auf den Zaun zu, der das Betriebgelände umgab. Trevisan beeilte sich, den Chef der Spurensicherung einzuholen. »Moin, Horst.«

      Kleinschmidt tastete mit suchenden Blicken den Boden ab, als könne ihm der Asphalt verraten, was in der Nacht hier geschehen war. »Jetzt auch noch das«, knirschte er knurrig. »Als ich angerufen wurde, dachte ich, es hätte wieder mal gebrannt. Und jetzt liegt hier eine Leiche. Das ist vielleicht ein beschissenes Jahr.«

      »Dietmar

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