Das Haus in den Dünen. Ulrich Hefner
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Читать онлайн книгу Das Haus in den Dünen - Ulrich Hefner страница 9
»Insgesamt sind wir dreißig Mann stark«, erklärte Borowski. »Aber jeder hier hat einen normalen Job. Egal ob Mechaniker, Chemiker, Kontrolleur oder ob man an einem der Befüller arbeitet – wenn es brennt, dann ziehen unsere Leute ihre Montur über und begeben sich unverzüglich an den Einsatzort.«
»Das heißt, es gibt eigentlich keine ausschließlichen Feuerwehrmänner hier in dieser Firma«, folgerte Monika Sander.
»Nicht das, was Sie landläufig unter einer Feuerwehr verstehen«, erklärte der Kommandant. »Im Brandfall ist der Unterschied zu den Freiwilligen Wehren nicht groß. Außer, dass wir ausgesprochene Spezialisten in unseren Reihen haben, wenn es um Ölunfälle oder Gefahrgutunfälle geht. Unsere Ausbildung ist intensiver als bei den Freiwilligen Wehren. Bei uns hat jedes Mitglied einen Atemschutzlehrgang oder ist mit den modernen Brandbekämpfungsmethoden vertraut. Meine Männer fahren den Tanklöschzug oder auch den Leiterwagen. Wir unterstützen oft die örtlichen Wehren bei Großlagen und werden auch in Alarmierungsfällen von der Feuerwehrleitstelle angefordert.«
Monika Sander schaute Trevisan fragend an. »Das heißt aber, jeder Feuerwehrmann hat in der Firma einen festen Job.«
Borowski nickte, und Trevisan fragte: »Haben Sie in den letzten Monaten einen Mann entlassen?«
»Aha, daher weht der Wind«, schmunzelte der Kommandant. »Sie suchen diesen Brandstifter und meinen, es ist ein Feuerwehrmann. Glaubt ihr noch immer an dieses alte Klischee?«
»Immerhin werden über fünfzig Prozent aller Brandstiftungen von …«
»… Feuerwehrmännern begangen, die enttäuscht wurden, weil sie nicht befördert werden oder einfach nur geil auf Feuer sind und gerne mit Blaulicht und Horn durch die Straßen pfeifen«, vervollständigte Borowski Monikas begonnenen Satz. »Bei uns liegen Sie falsch. Für meine Männer lege ich die Hände ins Feuer und Entlassungen gab es schon seit Jahren keine. Wir könnten sogar noch ein paar Leute brauchen, aber vielen ist die Bezahlung zu schlecht, die Arbeit zu schwer und das Stundensoll zu hoch.«
»Wie sind denn die Arbeitszeiten?«
»Wir stehen hier jeden Tag unter Strom«, erklärte der Kommandant und nahm den Schichtplan der vergangenen Tage von der Pinnwand. »Wir fangen mit der ersten Schicht ab fünf Uhr an. Die Männer arbeiten bis drei, die zweite Schicht übernimmt dann bis zweiundzwanzig Uhr. Auch am Wochenende haben wir Sonderschichten laufen, da kommen die Dampfer rein und löschen ihre Ladung. In den letzten Wochen mussten wir wegen des hohen Aufkommens sogar weitere Sonderschichten fahren. Da wird bei uns jeder Mann gebraucht. Da bleibt keine Zeit für Sperenzchen, das können Sie mir glauben.«
Nachdem Trevisan einen Blick auf den Schichtplan der letzten Wochen geworfen hatte, erhob er sich und reichte Borowski die Hand. »Vielen Dank, Sie haben uns sehr geholfen.«
»Und was ist mit der Liste?«, fragte Monika Sander, als sie wieder im Wagen saßen.
Trevisan winkte ab und legte den Gurt an. »Denk an die Zeiten der Brandstiftungen. Die Schichtzeiten decken sich nicht mit unserem Zeitschema. Die Jungs vom Hafen können wir bedenkenlos streichen. Wer steht noch auf deiner Liste?«
Monika ließ den Wagen an. »Dann fahren wir jetzt hinüber nach Roffhausen.«
*
Die nächsten sieben Tage überprüfte Trevisans Ermittlungsteam Stadtverwaltungen, Betriebsfeuerwehren und Hafenbehörden. Sogar die Marinesoldaten am Arsenalhafen wurden nicht ausgelassen, denn auch dort gab es eine Betriebsfeuerwehr. Einige der verantwortlichen Ressortleiter verhielten sich kooperativ, andere murrten und lehnten zuerst ihre Mitarbeit unter Hinweis auf den Datenschutz ab. Am Ende hatten sie fast vierhundert Personen überprüft und alle bis auf vierzig ausgeschieden. Vierzig Männer im Alter zwischen achtzehn und vierzig Jahren, alle arbeitslos, in der Gegend ansässig und – zumindest laut Eintragung im Register der Zulassungsstelle – im Besitz eines dunklen Kleinwagens. Vierzig Überprüfungen, vierzig Ansatzpunkte, vierzigmal Hoffnungsschimmer. Und vierzigmal anschließende Ernüchterung.
Trevisan betete, dass der Feuerteufel vom Wangerland in der Zwischenzeit keine weiteren Bibelzitate neben verkohlten Leichen hinterlassen würde.
Am Abend des 27. belud Angela ihren Wagen. Ihr Urlaub war zu Ende und ihre neue Aufgabe führte sie für die nächste Woche nach Hamburg. Zum Wochenende wollte sie wieder zurückkehren. Als ihr Wagen die Straße hinunterfuhr und hinter der nächsten Biegung verschwand, fühlte sich Trevisan schlecht. Er hatte die letzten Tage mit Angela genossen, und mehr als einmal war ihm durch den Kopf gegangen, sie zum Bleiben zu überreden. Er ließ es, denn er wusste, dass ihre Antwort längst feststand. Darüber hatten sie in der Vergangenheit schon öfter gesprochen. Angela liebte ihre Arbeit und er wusste, wie wichtig ihre Karriere für sie war.
In dieser Nacht schlief Trevisan schlecht, und das änderte sich auch in den folgenden Nächten nicht.
Im Büro entspannte sich nach der Rückkehr von Alex Uhlenbruch und Tina Harloff die Situation. Gemeinsam mit den Kollegen des 3. Fachkommissariats überprüften sie weitere Tatverdächtige. Auch die Sonderstreifen der Kollegen vom Streifendienst schienen ihre Wirkung nicht zu verfehlen. In Wilhelmshaven und im Wangerland blieb es ruhig. Die nächtlichen Kontrollen führten zu diversen Beschlagnahmen von Führerscheinen betrunkener Autofahrer und in Altengroden konnte sogar ein steckbrieflich gesuchter Ausbrecher wieder dingfest gemacht werden, doch den Brandstifter erwischten sie nicht.
Das Wetter blieb heiß und schwül und es schien, als ob die Luft über der Küste wie unter einer Glocke festgehalten wurde. Der Wind blies nur mäßig. Sieben Tage herrschte Ruhe, bis sich in der Nacht von Donnerstag auf Freitag, dem letzten Tag im August, über Wilhelmshaven ein kräftiges Gewitter entlud. Auch in dieser Nacht fand Trevisan wenig Schlaf. Zuvor hatte er fast zwei Stunden mit Angela telefoniert. Sie fehlte ihm.
4
… ein paar Tage später …
Er war kurz hinter Osnabrück, als die tiefschwarzen Wolken ihre Last über dem flachen Land abluden. Mit dem Regen brach viel zu früh die Dunkelheit an. Es ging teilweise nur noch in Schrittgeschwindigkeit voran. Kropp blickte fluchend auf die Uhr im Armaturenbrett. Der Sechszylinder seines Volvos schnurrte brav und trieb das schwere Gefährt durch die über und über mit Wasser bedeckten Spurrillen der Autobahn. Er war nur noch einen Katzensprung von seinem Ziel entfernt. Nach siebentägigem Aufenthalt in Spanien war er froh, endlich wieder nach Hause zu kommen. Das einzig Positive an seiner Spanientour war das Spiel von Barcelona gegen Real Valladolid gewesen, das Barca mit 3:1 gewonnen hatte. Ansonsten hatte er auf dieser Reise nur Schwierigkeiten gehabt. Zuerst hatten sich die Bremsen seines Aufliegers festgefressen, und als er nach dem Spiel am vergangenen Sonntag noch die sündige Meile der Millionenstadt an der katalonischen Küste besucht hatte, war er in eine Schlägerei geraten und hätte beinahe mit einem Stilett Bekanntschaft gemacht. Er war froh, dass er wieder nahe der Heimat war, und freute sich auf die bevorstehenden freien Tage, in denen er ausspannen, ein paar Bier trinken und den gut gewachsenen Mädchen am Fliegerdeich beim Baden zusehen wollte.
Der Regen machte seinem Zeitplan einen dicken Strich durch die Rechnung. Bei Oldenburg wechselte er auf die A 29. Sturmböen strichen über das Land und grelle Blitze zuckten durch die beginnende Nacht. Mit vierzig Stundenkilometern kroch er die Straße entlang. Überholt wurde er dennoch nicht. Nur wenige Wagen waren an diesem Donnerstagabend