Jedermannfluch. Manfred Baumann

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Jedermannfluch - Manfred Baumann

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steckte das unförmige, leicht abgegriffene Notizbuch wieder ein. Dann wurde seine Aufmerksamkeit von etwas anderem abgelenkt. »Ich glaube, da bist du gefragt, Martin.« Braunberger wies hinunter zum Anfang des Treppenaufstiegs. Einer der Streifenpolizisten an der Absperrung hielt eine groß gewachsene Frau auf, die an ihm vorbei nach oben wollte. Der Kommissar erkannte sie. Das war Jana Daimond. Sie war die Chefin der Öffentlichkeitsabteilung der Salzburger Festspiele. Jana Daimond war Merana schon im vergangenen Sommer vorgestellt worden. Er verließ den Platz, an dem die Tote lag, trat hinaus auf den steinernen Aufgang und stieg nach unten.

      »Danke, Herr Kollege, ich übernehme das.«

      Er gab dem uniformierten Kollegen ein Zeichen. Die groß gewachsene Frau im dunkelblauen Hosenanzug drehte sich zu ihm. Die Müdigkeit war ihr deutlich anzusehen. Die ansonsten gestraffte Gesichtshaut wirkte rings um die Augen leicht faltig. Für gediegene Kosmetik war wohl keine Zeit geblieben an diesem unerwartet ereignisreichen Morgen, kam es ihm in den Sinn. »Guten Tag, Herr Kommissar.« Er blieb direkt vor ihr stehen. Sie blickte ihm ins Gesicht, prüfend, als versuche sie darin zu lesen. Sie hatte wohl gefunden, was sie suchte. Ihre Stimme wurde ganz leise. »Es ist also wahr? Isolde Laudess ist etwas Furchtbares zugestoßen?« Er nahm sie am Arm, führte sie ein wenig zur Seite, hinein in die Gasse. Einem Fotografen war es offenbar gelungen, durch die Absperrung zu gelangen. Er stand in der Nähe, zielte mit der Kamera in ihre Richtung. Merana gab einem der Kollegen ein Zeichen, wies mit der Hand auf den Fotografen. Der Uniformierte setzte sich augenblicklich in Bewegung, um den Mann zu verscheuchen.

      »Ja, Frau Daimond. Darf ich fragen, wie Sie von dem Vorfall erfahren haben?«

      Sie schaute ihn leicht verwirrt an. »Der Herr Polizeipräsident höchstpersönlich hat mich angerufen.«

      Natürlich, Merana hätte es sich denken können. Vermutlich hatte der Herr Hofrat inzwischen auch mit allen Chefredakteuren der wichtigsten Medien und wohl auch mit dem Landeshauptmann telefoniert. Mit jedem, der ihm auf seinem unermüdlichen Karriereweg irgendwann einmal vielleicht nützlich sein könnte.

      »Können Sie mir erklären, Herr Kommissar, wie es für Isolde zu diesem Unglück kam? Ich vermute, es gibt Anzeichen für ein Verbrechen, wenn so viel Polizei vor Ort ist.«

      Er versuchte, seiner Stimme einen beruhigenden Klang zu verleihen. »Dazu darf ich Ihnen derzeit leider noch nichts sagen, Frau Daimond.«

      Sie nickte. »Die Ärmste. Vermutlich war sie auf dem Weg zu ihrer Wohnung. Isolde hatte ja gestern noch bei unserer ›Jedermann‹-Aufführung auf der Bühne gestanden.«

      Ja, das hatte Merana schon vermutet. Gestern war Vorstellung, wie ihm bekannt war. Dass die junge Frau zum Ensemble gehörte, das wusste er, seit er vor zwei Wochen eine Fernsehreportage darüber gesehen hatte. Die Gestalter hatten mehrfach darauf hingewiesen, welch wunderbare Fügung es sei, in diesem Jahr beide Schwestern nebeneinander auf der »Jedermann«-Bühne zu erleben. Senta, die allseits berühmte Darstellerin großer Charakterfiguren, als Buhlschaft, und die jüngere Isolde in einer kleinen Rolle als Mitglied der Tischgesellschaft.

      »Kann ich sie sehen?«

      Merana schüttelte den Kopf. »Ich bedaure sehr, aber das geht leider nicht.«

      »Ich verstehe. Sie müssen sich wohl an Ihre Vorschriften halten.« Plötzlich wurde ihr Blick noch leerer. Sie seufzte tief. »Dann mache ich mich wohl besser gleich auf den Weg zu Frau Laudess. Besser, sie erfährt die schreckliche Nachricht von mir als von einem der Medienleute.«

      Sie sagte ihm zu, dass er sie in zwei Stunden in ihrem Büro antreffen könnte, falls er sie noch brauchte. »Danke, Frau Daimond. Wie gesagt, ich kann Ihnen noch keine Details zum bedauerlichen Vorfall erörtern. Aber es könnte für meine Mitarbeiter und mich bald sehr wichtig sein, möglichst schnell ein klares Bild über die letzten Stunden von Isolde Laudess zu erstellen. Was passierte, nachdem sie ihren Auftritt bei der gestrigen ›Jedermann‹-Vorstellung beendete. Was hat sie unternommen? Wen hat sie getroffen? Dazu wollen wir möglichst viele Beteiligte an der ›Jedermann‹-Produktion befragen. Danke, wenn Sie uns dabei behilflich sind. Ich persönlich werde mich um ein baldiges Gespräch mit der Schwester bemühen. Auch da wäre ich Ihnen verbunden, wenn Sie das für mich arrangieren.«

      Sie versprach es. Dann reichte sie ihm die Hand und ging. Der Polizist an der Absperrung drängte die inzwischen dort versammelten Leute zurück. Merana sah ihr nach, wartete, bis die hoch aufgeschossene Gestalt in der Gasse verschwand.

      »War das nicht die Leiterin der Öffentlichkeitsarbeit der Festspiele?«

      Braunberger hatte sich neben ihn gestellt.

      »Ja, ich werde Jana Daimond vermutlich bald in ihrem Büro aufsuchen. Sie wird mir alle Daten zu den Ensemble­leuten und den übrigen Beteiligten des gestrigen ›Jedermann‹-Abends aushändigen. Dann hätten wir zumindest schon einmal diese Unterlagen, falls es sich beim Tod der jungen Frau doch um ein Verbrechen handelt.« Der Abteilungsinspektor wies mit der Hand die Treppe hinauf.

      »Lass uns miteinander die Stelle anschauen, an der Isolde Laudess aller Wahrscheinlichkeit nach hinunterstürzte. Thomas Brunner ist schon oben, er wartet auf uns.« Sie stiegen hinauf. Während die hoch aufragenden Häuser an der linken Seite zur Kaigasse gehörten, waren die Gebäude rechterhand eng an den felsigen Hintergrund geschmiegt. Es gab mehrere Hauseingänge. »Nonnbergstiege 10c«, las Merana an einer Stelle. Acht Namensschilder waren auszumachen und ebenso viele Klingelknöpfe. Thomas Brunner wartete an jenem Platz des Aufstiegs, an dem die zurückgewichene linke Häuserfront wieder im rechten Winkel an die Treppe stieß. Merana sah sich prüfend um. Auf der rechten Seite erstreckte sich ein kleiner ansteigender Garten mit einer kurzen, sehr niedrigen Begrenzungsmauer. Obwohl nur wenig Sonnenlicht in die schmale Stiegengasse fiel, gediehen hier offenbar dennoch einige Blumen und niedriges Gewächs. »Na, wer sagt’s denn«, rief der Abteilungsinspektor. »Hier gibt es sogar Gartenzwerge.« Er korrigierte sich im nächsten Moment. »Nein, das sind wohl doch keine Gartenzwerge. Schaut eher aus wie eine Ansammlung von Märchenfiguren.« Hinter dem schmalen, niedrigen Mäuerchen, das den steil ansteigenden Garten zur Stiege hin abgrenzte, waren etliche Figuren auszumachen. Sie dürften wohl rund 40 Zentimeter groß sein, schätzte Merana. Und sahen tatsächlich aus, als kämen sie aus irgendeinem Märchenbuch. Bei der schon leicht ramponierten bläulichen Katzenskulptur dürfte es sich wohl um den Gestiefelten Kater handeln, vermutete er. Weiters sah er zwei dickliche Zwerge, einen Prinz, der sich auf sein Schwert stützte, und einen Esel, dem ein Ohr fehlte. Zwischen beiden war eine Frauenskulptur zu erkennen. Das mochte vielleicht Schneewittchen sein. Rechts neben dem angeknacksten Esel lungerte ein flammenspeiender Lindwurm. Wahrlich ein putziger Anblick, der sich ihnen hier bot. Aber was Merana weit mehr faszinierte, war das Bild, das sich ihm in der Entfernung weit oberhalb des Gartens bot. Ein Stück helle Mauer leuchtete im Sonnenlicht.

      Ein Teil der Festung war auszumachen. Er entsann sich. Er hatte auch mit der Großmutter an eben dieser Stelle während ihres Aufstiegs verweilt. Sie hatte ihn auf den bemerkenswerten Ausblick aufmerksam gemacht, auf die Festungsmauer und auf einen der Türme. Das Gärtchen hatte es vermutlich auch vor einem Monat an dieser Stelle schon gegeben. Es war ihm gewiss entfallen. An irgendwelche Märchenskulpturen konnte er sich überhaupt nicht erinnern.

      »Also Martin, Eleonore hat es dir ja schon angedeutet. Unsere bisherige Untersuchung des Geländes führt zu dem Schluss, dass die junge Frau an genau dieser Stelle in die Tiefe stürzte.«

      Merana wandte sich vom Anblick des Gärtchens und der Festung ab. Thomas Brunner wies auf die entsprechende Stelle an der Treppenabgrenzung. Merana trat an das niedrige Geländer, blickte hinunter.

      »Sie war wohl auf dem Heimweg«, fügte der Abteilungsinspektor hinzu. »Sie wohnte nicht weit von hier entfernt in der alten Nonntaler

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