Die fünfte Jahreszeit. Anette Hinrichs

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Die fünfte Jahreszeit - Anette Hinrichs страница 7

Автор:
Жанр:
Серия:
Издательство:
Die fünfte Jahreszeit - Anette Hinrichs

Скачать книгу

Leiche war von Henriette Woy eindeutig als die ihres Mannes identifiziert worden. Es war schon später Nachmittag, als Malin zusammen mit ihrem Vorgesetzten erneut den weißen Bungalow verließ. Routiniert hatte Fricke in der letzten Stunde die Befragung durchgeführt. Laut Henriette Woys Aussage hatten sie und ihr Mann eine harmonische Ehe geführt. Außerdem hatte sie ihn als einen geradlinigen und integeren Menschen beschrieben. Unvorstellbar, dass jemand einen Grund gehabt haben könnte, ihn umzubringen.

      Malin war froh, der bedrückenden Atmosphäre im Haus zu entkommen. »Chef, glauben Sie, dass seine Frau etwas mit dem Mord zu tun hat?«

      »Bisher glaube ich überhaupt nichts.«

      »Auf mich wirkte sie ehrlich erschüttert.«

      »Trotzdem sind zu diesem Zeitpunkt alle verdächtig. Auch die Hinterbliebenen. Sie wissen genauso gut wie ich, dass mehr als neunzig Prozent aller Tötungsdelikte Beziehungstaten sind. So leicht lass ich mich durch ein paar Tränen nicht täuschen. Und Sie sollten das auch nicht tun.«

      »Wie Sie meinen, Chef.«

      »Lassen Sie die Telefondaten des Anschlusses überprüfen. Und sehen Sie zu, dass wir die Liste mit den Adressen von den Angehörigen und Freunden der Familie bekommen. Außerdem müssen wir dringend in Erfahrung bringen, wo er seine alten Praxisunterlagen aufbewahrt.«

      »Vermutlich wird er sie seinem Nachfolger übergeben haben«, bemerkte Malin.

      »Dann überprüfen Sie das.«

      Malin zuckte resigniert mit den Schultern und folgte ihrem Vorgesetzten zum Auto.

      Die Tür klemmte. Charlotte Leonberger stemmte ihren Körper gegen die schwere Eingangstür ihres Reetdachhauses. Dann wuchtete sie ihren Koffer über die Schwelle in den Flur. Zufrieden sah sie sich um. Zwei Stapel Briefe lagen säuberlich nach Größe sortiert auf der alten Nussbaumkommode. Daneben stand ein frischer Strauß gelber Astern, ihre Lieblingsblumen. Die gute Tante Alma, dachte sie. Sie ließ ihren Koffer stehen, hängte ihren Mantel an die Garderobe und ging in die Küche, um sich erst einmal einen Tee aufzubrühen.

      Endlich zu Hause, dachte sie und schaute aus dem Fenster. Dicke Wolken hingen am Himmel und Windböen peitschten die Ostsee zu hohen Wellen auf. Ein paar Möwen hatten sich unter einem Holzsteg ein trockenes Plätzchen gesucht. Dicht an dicht drängten sie sich zusammen.

      Die meisten Lokale an der Strandpromenade hatten bereits geschlossen und die verbliebenen Strandkörbe wirkten verwaist. Auf die meisten Menschen hätte der Strand trostlos gewirkt, doch Charlotte liebte ihn zu dieser Jahreszeit ganz besonders. Er lud zu langen Spaziergängen ein – ohne all die Touristen, die den kleinen Ort Strande im Sommer belagerten.

      Der Wasserkessel pfiff. Sie bereitete ihren Tee zu, legte noch ein paar selbstgebackene Kekse von Alma dazu und balancierte alles auf einem Tablett ins Wohnzimmer. Das Kofferauspacken konnte warten. Der Dreiwochentrip durch alle größeren Städte Deutschlands hatte seine Spuren hinter­lassen. Nach einem kurzen Nippen am Tee war Charlotte auch schon auf der Couch eingeschlafen.

      Das dumpfe Hämmern des Türklopfers riss sie aus ihren Träumen. Verwirrt setzte sie sich auf und rieb sich die Augen. Es war stockdunkel. Erneut war ein energisches Klopfen zu hören.

      »Ja, ich komme ja gleich!« Schlaftrunken tastete sie nach dem Knopf der Stehlampe. Gleißendes Licht erhellte den Raum. Gähnend ging sie in den Flur und öffnete die Tür.

      »Hallo, mien Deern, schön, dass du wieder da bist. Hier, ich habe dir ein gutes Süppchen gekocht. Du hast doch bestimmt heute noch nichts Warmes gegessen.«

      Charlotte unterbrach mit einer abwehrenden Geste den Wortschwall der alten Frau, die – in ein dunkles Regencape gehüllt – tropfnass vor ihrer Türschwelle stand. In ihren Händen hielt sie einen riesigen Topf, dessen Inhalt gut und gerne eine achtköpfige Familie sättigen konnte. »Guten Tag, Alma, komm doch rein, wenn du schon mal da bist.« Schmunzelnd trat Charlotte beiseite, um die kleine, rundliche Gestalt einzulassen.

      »Und, war die Reise ein Erfolg?«, fragte Alma neugierig. Sie hatte zielstrebig die Küche angesteuert und hantierte am Herd herum.

      Charlotte winkte ab. »Lass uns morgen darüber reden, ich möchte mich jetzt einfach nur noch entspannen. Erzähl mal, wie ist es dir denn in den letzten Wochen ergangen?«

      »Ach, so weit ganz gut, auch wenn meine alten Knochen nicht mehr ganz so wollen.« Alma rührte die Suppe um. »Mmh, wie das duftet!«

      Charlotte lief das Wasser im Mund zusammen. »Ich decke schon mal den Tisch. Du bleibst doch zum Essen?«

      »Gerne, dann können wir noch ein bisschen plauschen.« Ein Strahlen überzog Almas rosiges Gesicht und ihre haselnussbraunen Augen sahen Charlotte liebevoll an.

      Es war spät geworden, als Alma sich vom Küchentisch erhob, um sich auf den kurzen Heimweg zu machen. Es behagte Charlotte gar nicht, die alte Frau alleine in die Dunkelheit zu schicken, aber wie immer lehnte Alma ihr Angebot, ein Taxi zu rufen, brüsk ab.

      »Wer sollte denn eine so alte Frau wie mich überfallen? Bei mir gibt es doch nichts zu holen. Ihr jungen Dinger solltet euch schon eher Sorgen machen.« Ohne Widerspruch zu dulden, griff sie nach ihrem Regencape.

      Charlotte gab sich geschlagen. »Aber ruf an, wenn du zu Hause bist«, rief sie ihr hinterher.

      Keine zwei Minuten später läutete das Telefon. Komisch, dachte Charlotte, Alma konnte doch unmöglich in dieser kurzen Zeit zu Hause eingetroffen sein. Sie griff nach dem Hörer und nannte ihren Namen. Eine fremde Stimme.

      Kurz lauschte sie dem Anrufer, dann legte sie verwirrt auf. Schon wieder, dachte sie. Das war bereits das zweite Mal. Sie überlegte einen Moment und wählte dann die Nummer der Kriminalpolizei Kiel.

      5

      Sie hatte versucht, es so lange wie möglich hinauszuzögern, doch allmählich waren ihr die Ausreden ausgegangen.

      Verdammt, dachte Malin. Als hätte ich nichts Besseres zu tun. Der Sonntag war ihr erster freier Tag seit einer Woche und sie war auf dem Weg zum wöchentlichen Familien­essen. Ausgerechnet heute war ihr Mini nicht angesprungen. Schlecht gelaunt hatte sie sich auf den Weg zur U-Bahn gemacht. Die hatte nun aufgrund einer Signalstörung fünf­undzwanzig Minuten Verspätung. Und das, wo Malin sowieso schon zu spät dran war.

      Kurz entschlossen verließ sie den Bahnsteig und steuerte den nächsten Taxistand an. Ein Wagen wartete bereits mit laufendem Motor auf Kundschaft. Knoblauchgestank drang ihr aus dem Wageninneren entgegen, trotzdem glitt sie auf die Ledersitze und nannte dem Fahrer die Adresse in Harvestehude. Sie lehnte sich zurück und versuchte, sich zu entspannen.

      Seit zwei Tagen traten sie bei den Ermittlungen auf der Stelle. Sie hatten alle Verwandten, Freunde und Nachbarn von Dr. Woy befragt, Alibis überprüft und Zeugen vernommen. Nichts. Niemand schien etwas zu wissen oder auch nur ansatzweise ein Tatmotiv zu haben. Allem Anschein nach war Dr. Woy ein angesehener und unbescholtener Bürger gewesen, den alle gemocht und geschätzt hatten. Und dennoch hatte ihn jemand ermordet.

      Am Harvestehuder Weg bezahlte sie den Fahrer und blieb kurz am Straßenrand stehen, um die Aussicht zu genießen. Hinter gepflegten Parkanlagen und der langen Ufer­promenade schimmerte die Außenalster und zeigte Hamburgs schönste Seite.

      Malin wandte sich um und ging die paar Meter zur Auffahrt. Die weiße Jugendstilvilla

Скачать книгу