Die Erleuchtung der Welt. Johanna von Wild
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Читать онлайн книгу Die Erleuchtung der Welt - Johanna von Wild страница 5
Wigbert vermisste die Gespräche mit seiner Frau. Margret war sein Fels in der Brandung gewesen, wenn es Schwierigkeiten gegeben oder das Geld hinten und vorne nicht gereicht hatte. Sie war eine starke Frau gewesen, viel stärker als er, und Helena wurde ihr, was das anbelangte, immer ähnlicher.
Jemand knuffte ihn in die Seite und riss ihn aus seinen wehmütigen Gedanken.
»Wigbert, du bist dran«, forderte ihn sein Tischnachbar auf.
Wigbert griff nach dem ledernen Würfelbecher, schüttelte ihn und stülpte ihn auf den rohen Holztisch, lüftete ihn. Nur eine Zwei und eine Drei. Das reichte bei Weitem nicht, um die beiden Fünfen, die gerade gewürfelt worden waren, zu übertrumpfen. Verloren. Schon wieder.
»Tja, Wigbert, sieht schlecht für dich aus, ich fürchte, du musst mich bezahlen«, feixte Cuntz. Der Winzer schien das Glück gepachtet zu haben, hatte kaum eine Würfelrunde verloren, und das Häufchen gewonnener Münzen vor ihm wuchs stetig.
»Wie viel?«
»Drei Gulden.«
Großer Gott, das konnte er niemals bezahlen. Für drei Gulden musste er zwei Monate arbeiten. Mit einem Schlag war er nüchtern.
»So viel habe ich nicht«, antwortete Wigbert heiser.
Cuntz’ Gesicht nahm einen harten Zug an.
»Dann gib mir, was du hast, und den Rest zahlst du mir bis Ende Jänner.«
»Aber wovon soll ich dann leben? Jetzt ist keine Erntezeit, kaum einer braucht einen Tagelöhner. Ich komme so schon schlecht über die Runden. Das kann ich nicht, meine Kinder …«, rief Wigbert entsetzt.
»Nicht meine Angelegenheit. Du hast Geld zum Würfelspiel, dann kann es so schlimm nicht sein«, erwiderte Cuntz Wengerter unversöhnlich.
»Er hat recht, Wigbert«, pflichtete einer der Mitspieler dem Winzer bei.
Fieberhaft dachte Wigbert über einen Ausweg nach. Dann kam ihm ein rettender Gedanke. »Meine Tochter Helena könnte die Schulden bei dir auf dem Weinberg abarbeiten oder im Haus. Bald ist Mariä Lichtmess, da kannst du sicher ein paar Hände mehr gebrauchen. Sie ist fleißig, geschickt und nicht dumm. Ich würde sie dir überlassen, bis die Schulden abgetragen sind.«
»Ist sie hübsch?«
Wigbert pries Helenas Vorzüge in den höchsten Tönen. »Feingliedrig und anmutig wie ein Reh ist sie, und trotzdem kann sie zupacken. Ihr Haar hat eine besondere Farbe, dunkelrot, wie das Herbstlaub, und ihre grünen Augen funkeln wie Edelsteine. Und sittsam ist sie, wie es sich für ein anständiges Mädchen gehört. Ein wahrer Engel, gottesfürchtig und gehorsam.«
»Schon gut, Wigbert, bevor du mir noch weismachst, sie ist die Jungfrau Maria, schau ich sie mir lieber selbst an. Und nun lass uns gehen.« Er stieß Wigbert den Ellbogen in die Rippen.
»Jetzt?«
»Natürlich jetzt.«
»Ja, ja, einverstanden, ich versichere dir, ich habe nicht übertrieben, was meine Tochter anbelangt«, beeilte sich Wigbert zu sagen und stürzte sein Bier in dem fast vollen Becher in einem Zug hinunter.
Mühsam und schwankend erhob sich Wigbert von seinem Hocker und verließ, gefolgt von Cuntz, das Wirtshaus. Draußen waren die Gassen matschig. Der Winter hatte in den letzten Wochen die Natur fest im Griff gehabt, doch seit zwei Tagen war Tauwetter eingetreten, das den gefrorenen Untergrund in Schlamm verwandelt hatte. Der Winzer nahm Wigbert mit auf seinen Wagen, ließ die Leinen auf die dunkelbraunen Pferderücken klatschen, und die beiden Tiere zogen geduldig an.
Als Wigbert und Cuntz die Kate betraten, war Helena gerade dabei, einen Brei aus Weizen zu kochen. Mit kräftigen Bewegungen rührte sie im Topf und gab noch ein paar verschrumpelte Zwiebeln hinzu, damit die Mahlzeit nicht ganz so fade schmeckte.
»Helena, bring unserem Gast und mir etwas zu trinken«, forderte Wigbert seine Tochter mit schwerer Zunge auf.
Helena blickte über die Schulter und betrachtete argwöhnisch den Fremden, der neben ihrem Vater stand. Groß gewachsen, breite Schultern, einen stattlichen Bauch vor sich hertragend, hellbraunes Haupthaar und einen etwas dunkleren Bart. Seine Gesichtszüge wirkten hart, und seine braunen Augen musterten Helena kalt. Sie holte zwei Becher und einen Krug mit Dünnbier. Beides stellte sie auf den Tisch, schenkte ein und wollte sich gerade wieder der Feuerstelle zuwenden, als Cuntz sie grob am Handgelenk packte.
»Nicht so schnell, meine Hübsche.«
Helena erstarrte und spürte einen Kloß in ihrem Hals.
»Du hast nicht zu viel versprochen, Wigbert«, wandte sich Cuntz an seinen Gastgeber. »Ein hübsches Mädchen hast du da, und wenn ich mich hier so umsehe, hält sie deine Hütte in Ordnung.«
Helena warf ihrem Vater einen fragenden Blick zu, doch dieser wich ihr aus.
»Ich hab’s dir doch gesagt. Dann gilt jetzt unsere Abmachung«, krächzte Wigbert heiser.
»Was für eine Abmachung, Vater?«, wagte Helena mit klopfendem Herzen zu fragen.
Doch dieser blieb ihr die Antwort schuldig, senkte den Blick beschämt zu Boden. An seiner statt klärte der Winzer sie grinsend auf und gab ihren Arm frei.
»Du kommst mit zu mir und arbeitest die Spielschulden deines Vaters ab.«
Entsetzt riss Helena die Augen auf. »Wie konntest du nur?«, rief sie wütend. »Statt zu arbeiten, versäufst und verspielst du das Wenige, das wir haben! Und das am helllichten Tag. Ich …«
Eine schallende Ohrfeige Wigberts brachte sie zum Schweigen. Ihre Wange brannte und Tränen stiegen ihr in die Augen, doch Helena drückte sie tapfer zurück. Sie würde sich keine Blöße geben und weinen. Fest presste sie ihre Kiefer zusammen. Ihre Augen wurden zu schmalen Schlitzen, als sie seinen Blick erwiderte. Ihr Vater verschacherte sie wie ein Stück Vieh. Das würde sie ihm nie vergeben.
»Koch den Brei fertig, dann gehst du mit Cuntz.«
Seine traurigen Augen ließen sie wissen, es tat ihm leid, sie geschlagen zu haben.
Nur gut, dass Mutter das nicht mehr erleben muss. Bestimmt dreht sie sich im Grabe um, dachte Helena zornig.
»Du kannst deinen Brei alleine kochen, ich gehe gleich«, schleuderte sie ihm entgegen. »Oder frag Siegfried, vielleicht übernimmt der nun die Hausarbeit.«
Cuntz Wengerter gefiel das Mädchen immer besser. Von wegen gehorsam. Eine kleine Rebellin war sie. Die Zeit mit Helena auf seinem Wingert versprach spannend zu werden. Er würde ihr ihre Widersetzlichkeit schon austreiben, freute sich der Winzer diebisch.
»Stimmt genau, Wigbert, jetzt musst du wohl selbst den Brei rühren, es riecht schon ein wenig angebrannt«, feixte er. »Na komm schon, Mädchen, vor uns liegt ein ordentliches Stück Weg.«
»Mein Name ist Helena«, sagte sie mit fester