Die Erleuchtung der Welt. Johanna von Wild

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Die Erleuchtung der Welt - Johanna von Wild

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hatten Helena und Ännlin die Hühner auf zwei Platten verteilt und weiteres Brot gebrochen.

      »Halte die Spieße über das Feuer, damit sie wieder sauber werden«, erklärte Ännlin. »Wenn die Herrschaften fertig sind und hier alles aufgeräumt ist, können wir essen. Und jetzt hilf mir, den Kessel über das Feuer zu hängen.«

      Helena nickte stumm und ging ihr zur Hand. Wenn Ännlin wüsste, dass Helena schon etwas von dem Eintopf bekommen hatte, würde sie ihr bestimmt keinen zweiten Teller füllen.

      Nach dem späten Mahl, zu dem sich auch die Knechte gesellten, überfiel Helena eine bleierne Müdigkeit. Magda bemerkte, dass das Mädchen kaum noch am Tisch die Augen offen halten konnte.

      »Komm, ich zeige dir, wo wir schlafen.«

      Mit schweren Gliedern stemmte sich Helena hoch und folgte Magda aus der Küche über den Hof zum Gesindehaus, wo sich die voneinander getrennten Schlafräume der Knechte und Mägde befanden. Es gab einfache saubere Strohlager mit Schaffellen auf dem Boden und in einer Ecke eine Waschschüssel. Die Notdurft wurde draußen hinter dem Gesindehaus verrichtet.

      »Du schläfst dort hinten.« Magda deutete mit dem ausgestreckten Zeigefinger auf die letzte Schlafstatt. »Morgen früh bekommst du etwas zum Anziehen und ein paar Stiefel. Ich hoffe, sie passen. Deine Vorgängerin hatte etwa deine Größe.«

      »Was ist mit ihr?«

      »Sie ist vor einem Monat gestorben. Hat den ganzen Herbst durch gehustet, und immer wieder kam das Fieber zurück. Gott hab sie selig, die alte Gundel.«

      Helena sank auf ihr Strohlager, zog sich ein Schaffell über die Schultern und fiel in einen tiefen Schlaf, kaum dass sie ihr Haupt gebettet hatte. Sie bekam nicht mehr mit, wie sich nur wenig später auch die Mägde und Knechte zur Ruhe begaben.

      Es war noch dunkel, als Hildegard sie wachrüttelte.

      »Steh auf, Mädchen, es gibt viel zu tun.«

      Helena rieb sich den Schlaf aus den Augen, musste sich erst zurechtfinden, wo sie war. Dann rappelte sie sich hoch und ging in die Ecke zu der Waschschüssel. Das eiskalte Wasser, das sie sich ins Gesicht spritzte, machte sie wach. Außer Hildegard und ihr war keine der übrigen Mägde mehr da.

      »Los, beeil dich«, drängte Hildegard. »Hier sind ein paar Sachen zum Anziehen.«

      Dankbar zog Helena den warmen, weiten Kittel über ihr Kleid, schlüpfte in die Stiefel, die ein wenig zu groß waren, aber wenigstens nicht löchrig.

      Zum Frühstück gab es eine Schale Milch, einen Kanten Brot und einen Teller Brei. Schnell schlangen die Leute ihr Essen hinunter und gingen dann daran, ihr Tagwerk zu verrichten. Brotbacken, das Vieh versorgen, Messer schleifen, Kleider waschen und flicken. Die Zeit bis Mittag flog nur so dahin, und Helena war froh über die kleine Pause und ein karges Mahl, zu dem Dünnbier getrunken wurde.

      »Bald ist Mariä Lichtmess«, erzählte Hildegard, »deshalb werden wir jetzt jede Menge Kerzen machen, um sie in der Kirche weihen lassen zu können. Der Herr hat einen Hammel schlachten lassen, aus dem Talg werden die Kerzen gemacht. Du wirst mir dabei helfen, Helena.«

      Bis zum Abend hatten sie eine stattliche Anzahl Kerzen gefertigt. Helena verabscheute den Geruch des ranzigen Fetts, der an ihr zu haften schien wie Pech, und sie fragte sich, wie sie den Gestank jemals wieder loswerden würde.

      »Heute wirst du gemeinsam mit Ännlin den Herrschaften das Abendbrot auftragen. Verschütte nichts und rede nur, wenn du angesprochen wirst«, trug Magda ihr auf.

      Zum ersten Mal betrat Helena die Wohnstube der Familie Wengerter. Ein riesengroßer Tisch, rechts und links je eine lange Holzbank, am Kopfende ein Stuhl, auf dem Cuntz Platz genommen hatte. Rechts von ihm saß seine Schwester Agnes, neben ihr die sechs Kinder ihrer verstorbenen Schwägerin, fünf Jungen und ein Mädchen. Der Winzer würde wohl eine ordentliche Mitgift für seine Tochter bezahlen müssen. Kathrein hatte hervorstehende Zähne, die stark an ein Kaninchen erinnerten, war stämmig und hatte langweiliges mausbraunes dünnes Haar. Ein weiteres Paar saß mit seinen drei Kindern auf der Bank gegenüber. Das musste Gottfried, Cuntz’ Bruder, mit seiner Familie sein, von dem Magda ihr erzählt hatte.

      Der Kachelofen, der von der Küche aus befeuert wurde, erfüllte die Wohnstube mit angenehmer Wärme. An den Wänden fanden sich schmiedeeiserne Halter für die Kerzen, die die Stube in ein schummriges Licht tauchten. An der Seite, die zum Hof zeigte, gab es mehrere Fenster mit Butzenscheiben. Darunter stand eine gepolsterte schwere Truhe, an der Wand daneben eine große Anrichte, auf der Teller und Becher aus Zinn standen, die Ännlin und Helena nun auf dem Tisch verteilten.

      Cuntz besprach mit Gottfried die anstehenden Arbeiten auf dem Weinberg, während Agnes und ihre Schwägerin Elsa die Kinder zur Ordnung mahnten. Helena stellte den Teller vor Cuntz hin und spürte sie im selben Augenblick dessen Hand an ihrem Oberschenkel. Hastig wich sie zur Seite. Als sie wenig später mit Ännlin die dampfenden Schüsseln mit Fleisch hereinbrachte, ließ sie die Magd den Teller des Hausherrn füllen.

      »Helena, bring uns Wein«, rief Cuntz.

      Er hat bemerkt, dass ich ihm ausgewichen bin, dachte Helena. Mit zitternder Hand schenkte sie Wein in die Becher und brachte diese zum Tisch.

      Prompt hielt Cuntz sie am Handgelenk fest, als sie den Becher vor ihn hinstellte.

      »Ein hübsches Mädchen ist sie, nicht wahr, Gottfried? Sieh nur ihre Haarfarbe, das ist etwas ganz Besonderes.«

      »Wie gemacht für die Freuden der Männer, vor allem wenn sie untenrum auch so aussieht«, grunzte Gottfried zustimmend und stieß ein keckerndes Lachen aus, was ihm einen bösen Blick seiner Frau einbrachte.

      Agnes schien sich am Verhalten ihres Bruders nicht zu stören. Cuntz ließ Helena los und gab ihr noch einen Klaps auf den Hintern. Eilig folgte sie Ännlin zurück in die Küche. Cuntz jagte ihr Angst ein.

      »Das hast du dir ja fein ausgedacht«, zischte Ännlin sie an.

      »Ich weiß nicht, was du meinst«, antwortete Helena verwirrt.

      »Tu nicht so, ich hab’s gleich gewusst, als du hier aufgetaucht bist. Machst dem Herrn schöne Augen. Aber ich sage dir, er teilt mit mir das Lager. Du wirst dich nicht dazwischendrängen.«

      »Ich habe nicht die Absicht, mich dazwischenzudrängen, also lass mich in Frieden«, entgegnete Helena wütend, die begriffen hatte, warum die junge Magd sich ihr gegenüber so garstig zeigte, und drehte Ännlin den Rücken zu. Vermutlich bekam Ännlin Vergünstigungen für ihre Liebesdienste. Die warmen Stiefel sahen ziemlich neu aus.

      An Mariä Lichtmess wurden die Kerzen zur Weihe in die Kirche von Neckargemünd gebracht. Helena blieb alleine in der Küche zurück, um große Hammelstücke über dem Feuer zu drehen, einen Bohneneintopf zu kochen und süßes Brot mit Mandeln und Äpfeln zu backen. Die Äpfel lagerten in Säcken im Nebengebäude, wo sich auch der Zugang zum Weinkeller befand. Helena nahm sich einen hölzernen Eimer für die Äpfel und lief über den Hof. Sie war gerade dabei, die Früchte aus einem Sack in den Eimer zu geben, als plötzlich ein Schatten durch die geöffnete Tür fiel. Helena sah auf. Cuntz stand da und betrachtete sie wie ein Händler ein junges Pferd. Eine Gänsehaut kroch über ihren Rücken, und ein eiserner Ring schien sich um ihre Brust zu legen.

      Helena nahm den halb vollen Eimer, holte tief Luft und sagte mit fester Stimme: »Ich muss in die Küche, sonst brennt der Eintopf an.«

      In

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