Tote Biber schlafen nicht. Olaf Müller

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Tote Biber schlafen nicht - Olaf Müller

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saß sie wenig später auf ihrem Sofa und hielt einen Teddy im Arm. Das Rouge war mit den Tränen auf die Lederjacke gelaufen. Von dort auf die hellblaue Jeans. Fett und Schmelzer trafen kurz nach ihrem Anruf ein und kondolierten zum Tod von Dr. Wilfried Brauers.

      Schmelzer schaute sich um. Seilgraben, Innenstadtlage, Mietwohnung. Marion Schnell war Stammkundin der großen Möbelhäuser in der Region. Hier und da ein Accessoire aus einem Designerladen. Krimis von Martin Suter. BRIGITTE woman, »Landlust«, eine CD von »AnnenMayKantereit«, Einladung zum Bäckerball. Eine alleinstehende Frau, attraktiv, bei einem der Macher der Stadt beschäftigt.

      »Wann haben Sie Ihren Chef zuletzt gesehen?« Fett sprach sie mit ruhiger Stimme an.

      »Gestern. Auf dem Bäckerball. Er saß vorne. An der Bühne. Bei den wichtigen Leuten.«

      »Wo saßen Sie?«

      »Hinten. Mit meinen Freunden.«

      »Haben Sie eine Uhrzeit für uns, wann Sie ihn zuletzt gesehen haben?«

      »Nach den ›Vier Amigos‹. Das war gegen 23 Uhr. Er ging raus, winkte mir zu. Ich blieb an meinem Tisch. Sie können ja meine Freunde fragen.«

      »War er alleine?«

      »Ja.« Sie wischte sich die Tränen ab. Fett reichte ihr ein neues Papiertaschentuch.

      »Scheiße. Wie ist das passiert?« Marion Schnell pendelte zwischen Wut und Trauer.

      »Darüber können wir noch nichts sagen.«

      »Sie sind doch von der Mordkommission. Wie ist er ermordet worden? Wer tut so etwas?«

      »Frau Schnell, auch Selbstmord kommt in Betracht. Sie kennen doch den Satz aus jedem ›Tatort‹: Wir stehen am Anfang der Ermittlungen.«

      »Quatsch. Wilfried Brauers hätte nie Selbstmord begangen. Auch wenn er in letzter Zeit etwas nachdenklicher war, weil er so viele Bälle in der Luft hatte.« Marion Schnell blickte ernst und bestimmt. »Das Einkaufszentrum ›Karls-Quartier‹ ist doch gerade fertig. Die Kaufverträge für Objekte in Bonn, Neuwied, das neue Schwimmbad in Düren sind unterschriftsreif. Bei Heimbach an der Rur der Ferienpark für die Niederländer. Sogar irgendwo in Polen bei Salino oder Solina plante er ein riesiges Objekt. Nächstes Jahr sollte er den Vorsitz des Lions Club Salvator übernehmen. Wilfried hat sich nicht umgebracht.«

      »Hatte er Feinde? Ist Ihnen etwas aufgefallen?« Schmelzer schaltete sich ein.

      »Neid, Konkurrenz. Die großen Macher können Sie an einer Hand abzählen. Wilfried war einer von ihnen. Immer im Wettbewerb. Das war Alltag.«

      »Geht es etwas konkreter?«

      »Nein. Wilfried war korrekt. Konkurrenz ja, keine Drohungen.«

      »Seine Frau?«

      »Kein Kontakt. Seit der Trennung vor 15 Jahren. Sie bekommt sein Geld. Macht sich ein schönes Leben in New York.«

      »Hatte er keine Freundin?«

      »Dr. Wilfried Brauers war mit seinem Job liiert. Ansonsten Affären. Nichts Bedeutendes.«

      »Und aktuell?«

      »Keine Ahnung. Irgendwas lief immer. Wir haben das Thema ausgeklammert.«

      »Warum?«

      »Weil wir selbst mal kurz zusammen waren. Damit kamen wir klar. War alles erledigt. Trauerarbeit. Wenn Sie verstehen. Sie erfahren es ja sowieso.«

      »Trauerarbeit? Dann können Sie ja jetzt weitermachen.«

      »Find ich geschmacklos von Ihnen.«

      »Frau Schnell, wir ermitteln. Ihr Chef hing heute Morgen an einer Brücke in der Eifel. Alles sehr unangenehm. Vor allem für ihn. Wir ziehen Ihnen alles aus der Nase.«

      »Hören Sie! Vor wenigen Stunden habe ich Wilfried noch lebendig gesehen. Jetzt kommen Sie rein, quatschen von Mord oder Selbstmord und wollen von mir wissen, wer ihn umgebracht haben könnte. Meine Existenz ist am Arsch! Seine Alte in Hoboken erbt alles. Ich steh auf der Straße und kann bei irgendeinem Bürofuzzi Exceldateien für Mindestlohn tippen. Soll ich jetzt Hurra rufen und Ihnen eine Mörderliste geben?«

      »Frau Schnell, so haben wir das nicht gemeint. Je mehr Sie uns sagen, umso schneller können wir den Fall aufklären.«

      »Dann klären Sie mal auf. Und lassen Sie mich in Ruhe. Man verliert nicht einen Menschen wie ein altes Portemonnaie. Wir kannten uns über 20 Jahre.«

      »Rufen Sie uns bitte an, wenn Ihnen etwas einfällt. Sie erreichen uns immer.«

      »Den Terminkalender von Dr. Brauers. Wo finden wir den?«

      »War in seinem Handy und die geschäftlichen Termine auf meinem PC im Büro. Passwort ›Wilfried2003‹.«

      Fett betrachtete ihre lackierten Fingernägel, die verweinten Augen, die blonden Strähnen. Wenigstens kein Nagelstudio, dachte er. Ob sie viele Tattoos hat? Er sah nur am linken Fußgelenk einen Buchstaben. Sah nach einem W aus. Für Wilfried? Die einsamen Abende im Büro konnte er sich gut vorstellen. Von ihr ging eine durchdringende erotische Ausstrahlung aus. Es knisterte. Ob Schmelzer das auch spürte? Der Kollege schaute interessiert die Inneneinrichtung an. Wahrscheinlich holte er sich Ideen für sein Fertighaus am Steppenberg. Er reichte Marion Schnell die Hand. Selbst da noch spürte er das Kribbeln, die Ausstrahlung einer lebensfrohen und verdammt attraktiven Frau Ende 30, Anfang 40.

      Bäckerball – Todesball

      Fett und Schmelzer fuhren zum Eurogress. Die Aschenbecher vor dem Kongressgebäude waren noch voller Kippen. Das Casino nebenan schon lange geschlossen. Eine Sternstunde der Stadtentwicklung. Irgendwann sollte sogar ein Nachbau der Sixtinischen Kapelle da rein. Stand in der Zeitung und war kein Aprilscherz. Johannes Beaucamp, der Hausmeister, öffnete. Ferdi Scholl, Technikbeauftragter, kam aus Richtung Europasaal auf sie zu. Er trug einen grauen Kittel wie sein Kollege Hausmeister.

      »Tag, die Herren. Sie kommen wegen des Bäckerballs?«

      »Fett, Schmelzer. Kripo Aachen. Haben Sie Kameras installiert?«

      »Kameras? Ja, aber nur hintenrum. Für die Zufahrt. Ist ja stockdunkel. Wir hatten Einbruchsversuche.«

      »Nicht hier vorne oder im Eingangsbereich zu den Sälen?«

      »Datenschutz! Da macht uns die Politik im Betriebsausschuss die Hölle heiß. Soll keiner sehen, wer hier feiert.«

      »Und alle Gäste kommen hier rein und gehen hier raus?«

      »Gäste ja. Künstler hinten.«

      »Das war es.«

      »Na dann. Heute Abend ist wieder Bäckerball. Wenn Sie noch nichts vorhaben. Sind noch wenige Karten frei.«

      »Wir melden uns. Mein Kollege steht mehr auf veganen und alternativen Karneval.«

      Schmelzer schaute überrascht. Wusste er von sich gar nicht.

      Schneeregen

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