Tote Biber schlafen nicht. Olaf Müller

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Tote Biber schlafen nicht - Olaf Müller

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hol Sie ab. Die sind hier fertig.«

      »Kontrollieren Sie den Ticketautomaten. Wer hier rein will, muss normalerweise ein Ticket ziehen und nachher eins für die Ausfahrt. Die Schranke war zwar oben, vielleicht funktionierte sie noch in der Nacht.« Fett stand auf dem Adlerhof. Bäcker Paschorke aus Gemünd brachte frische Brötchen zum Restaurant. Personal traf ein. Putzfrauen verabschiedeten sich. Schmelzer keuchte die Stufen hoch.

      »Victor Neels war ein belgischer Kommandant von Camp Vogelsang. Er hat viel für die Zusammenarbeit mit den deutschen Nachbardörfern geleistet. War sehr beliebt bei den Menschen. Das war mit seinen Vorgängern nicht immer so. Denken Sie an Major van Bellen. Deshalb wurde die moderne Stahlbrücke nach Neels benannt.«

      Fett nickte gedankenverloren.

      »Warum diese Mühe? Vielleicht Selbstmord? Etwas spektakulär. Wann öffnet der Shop?«

      »Um zehn Uhr, Chef. Die ersten Mitarbeiter aus den umliegenden Orten treffen gerade ein.«

      »Sagen Sie ihnen, dass die Brücke noch gesperrt bleibt. Und hören Sie sich mal um. Victor Neels, Brücke, Brauers. Vielleicht hat jemand etwas mitbekommen.«

      Schmelzer fand nichts heraus. Das Samstagsteam des Besucherzentrums konnte nicht weiterhelfen. Sie waren schockiert über den Toten an der Brücke. Alle wussten von Victor Neels, dem letzten Kommandanten des Camps, der oft noch mit Freunden Vogelsang besuchte. Brauers, nie gehört. Bis auf den Leiter des Besucherservices. Erwin Burda hatte den Namen mal in einer Leitungsbesprechung aufgeschnappt. Konnte sich aber nicht mehr genau erinnern.

      Hoboken und Alkuin

      Gegen Mittag trafen Fett und Schmelzer in Aachen ein. Das Appartement von Dr. Brauers wirkte aufgeräumt. Eine Musterwohnung der gehobenen Preisklasse: Möbel aus Italien, Chuck Close und Neo Rauch an den Wänden, Toplage am Lousberg, Blick auf die Stadt. Die KTU nahm das Notebook und einige Aktenordner mit. Fett schaute die CD- und Plattensammlung durch. Brauers besaß einen exklusiven Plattenspieler für die alten Vinylscheiben. Franz Zappas »Over-Nite Sensation« lag obenauf. Nicht schlecht, dachte Fett. Lange nicht mehr gehört.

      »Lebte er allein?« Fett blickte zu Schmelzer.

      »Sieht so aus.« Schmelzer öffnete die Schubladen des Designerschreibtisches und wühlte in den Unterlagen.

      »War geschieden. Frau und Tochter leben in einem Penthouse in Hoboken mit Blick auf Manhattan. Feine Adresse in New York.«

      »Hoboken? War ich noch nie. Nachbarrevier von Popeye Doyle. French Connection.« Schmelzer schüttelte den Kopf über Fetts Assoziationen. »Brauers habe ich doch oft in der Zeitung gelesen. Immobilien, Messen, Kunst und Kultur. War er mal Karnevalsprinz?« Fett sprach mehr zu sich als zu Schmelzer.

      »Kann sein. Jeder war mal Prinz. Zumindest von den ganz, ganz wichtigen Herren in der Kaiserstadt. Quasi alle Nachfolger Karls des Großen.«

      »Was Sie alles wissen, Schmelzer. Fast so gut wie Einhard.«

      »Besser als Einhard. Alkuin.«

      »Wow. Wie der Hund vom Dompropst. Dann mal los, Alkuin. Bin auf Ihre These gespannt.«

      »Alkuin – Hund vom Dompropst? Eher der Spindoctor von Karl dem Großen. Also: viele Jobs, viele Feinde. Neid, Konkurrenz, Rache, Gier, Eifersucht. Bei Brauers kommt alles zusammen. Suchen Sie sich was aus. Ein Tausendsassa, sagte man doch früher so. Der machte Geld aus allem.«

      »Sehr konkret. Besten Dank, Alkuin vom Steppenberg. Fangen wir mal ganz klein an. Freitagsprogramm von Brauers. Gibt es einen Terminkalender oder steht alles im Handy? Haben wir sein Handy? Gibt es eine Chefsekretärin?«

      »Marion Schnell. Sie leitet sein Büro im Kapuziner Karree. Brauers Handy haben wir nicht gefunden. Treibt vielleicht gerade in Richtung Urfttalsperre.«

      »Rufen Sie Frau Schnell an. Hurtig. Um nicht zu sagen schnell.«

      Fett ging durch die Zimmer. Ihm kam es so vor, als ob er in eine Musterwohnung für »Schöner Wohnen« eingedrungen sei. Nicht nur aufgeräumt, sondern steril. Er dachte an sein eigenes Arbeitszimmer. Immer kippte ein Stapel mit Büchern um. Ständig waren die alten Schallplatten in falschen Hüllen. Irgendwo lagen seine Socken verstreut. Hier nicht. Alles an seinem Platz. Vielleicht ist das das Geheimnis des Erfolgs. Alles an seinem Platz. Ordnung als oberstes Prinzip. Auch am Bücherregal. Klassiker des ökonomischen Denkens. »Feuchtgebiete« neben dem Krimi »Allerseelenschlacht«. Managerbücher wie »Heute arm, morgen reich. Karriere ohne Kurven« und Alltagsweisheit wie »Glücklichsein mit ernster Heiterkeit«, mehrere Exemplare seiner Doktorarbeit im Fach Wirtschaftsgeografie zum Thema »Landschaftsraum, Ökologie und Tourismus. Eine Symbiose.« Kein großer Leser, der große Macher. Die DVD-Sammlung bestand aus Arthaus-Klassikern von der ZEIT. Manche noch verschweißt. Woran hatte Dr. Brauers Freude? Am Kontostand? An Zeitungsartikeln? An VIP-Einladungen? An einer Jacht, an Häusern? War er ein Wohltäter? Sammelte er Orden? Oder alles zusammen?

      »Mit wem haben wir es zu tun, Schmelzer? Wer war der Mann, was trieb ihn an?«

      Schmelzer staunte im Bad über die Pflegeserie für Männer, während er seit Jahren zum Schrecken seiner Ehefrau Anne immer noch Old Spice benutzte.

      »Ich tippe auf Macht. Macht macht mächtig und sexy. Da gehen alle Türen schnell auf. Keine Wartezeiten. Sofort Termine. VIP-Lounge am Airport. Businessclass bei der Lufthansa. Premierenabo im Stadttheater. Eigene Lounge am Tivoli, na, darauf kann man ja jetzt verzichten. Vielleicht steht auf dem Flugfeld von Merzbrück eine Cessna. Wer weiß? Antrieb? Gestalten, machen, bewegen, schaffen, nicht vergessen werden. Etwas hinterlassen. Was treibt die Menschen an? Ruhm, Ehre, Geld, Ansehen.«

      »Nicht schlecht, mein lieber Alkuin. Wie kam er so weit? Hochgearbeitet? Schauen Sie sich seinen Lebenslauf an. Hier finden wir nichts mehr. Eher noch die KTU auf seinen Computern und dem technischen Gedöns. Auf zu seiner Sekretärin. Die wissen alles, auch das, was nicht in der Zeitung steht.«

      Die bitteren Tränen der

      Marion Schnell

      Der Brunch nach dem Bäckerball war ihre Rettung. Die Nacht zu kurz, der Morgen verschattet. Ihr Chef irgendwann verschwunden. Sie tanzte bis um fünf Uhr. Die »Vier Amigos« rockten den Eurogress – wie jedes Jahr, wie immer. Die Hälfte des Lebens kam auf Marion Schnell zu. Im Sportstudio hielt sie sich topfit. Marion war immer dabei. Sie lachte gerne und laut. Sie tanzte die Konkurrentinnen an die Wand, und als Schatten von Dr. Wilfried Brauers, Karnevalsprinz a. D., gelangte sie manchmal auf die Einladungsliste für Feste und Feiern. Sie war mehr als seine Sekretärin, mehr als seine Büroleiterin. Damals war sie noch mehr. Bis in die Nacht im Büro, zum Abschluss Champagner aus dem Bürokühlschrank, die Freude über den Erfolg, all die Stunden, all die Tage, all die Wochen. Sie lebte den Job, sie liebte ihren Chef. Die coole Eleganz, Überblick, Kreativität, sein Gespür für Chancen, Entwicklungen. Wilfried wusste, wie die Welt funktioniert. In ihren Augen. Sie spürte, dass es nicht lange halten würde. Brauers war Trophäenjäger. Aber bei ihr war es anders. Hatte er ihr gesagt, der blonden Marion Schnell, mit den blauen Augen, der engen Jeans, den endlosen Beinen, nach denen sich trotz Me-Too-Debatte die Männer auf der Straße umschauten. Außerdem lächelte sie gerne, und das Wort »Flirt« stand nicht auf ihrem Index der verbotenen Wörter und Taten.

      Der letzte Apérol war einer zu viel. Samstagsbrunch im Hause Paffenhoven. Ihr Chef wollte auch kommen. Das Tattoo am Fußgelenk juckte. Kaum zu sehen. Rouge, Designerjeans, Lederjacke.

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