Grantlkatz. Kaspar Panizza
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»Koa Angst, die ist stubenrein. Des ist nämlich eine ausgebildete Drogenkatz. Die hat sich perfekt unter Kontrolle. Komisch, a bisserl ang’spannt ist sie schon. Schau mal, wie die schnuppert.«
Jetzt wurde der Fahrer sichtlich nervös. »Augustiner-Keller, des hamma gleich. Ist ja nur ein Katzensprung«, sagte er mit einem gequälten Lächeln.
»Wie sagst du so treffend: Dem geht der Arsch auf Grundeis. Immer wieder ein Vergnügen, diesen Münchner Grantlern eins auszuwischen. Wir sollten das Spielchen viel öfter machen. Aber das mit dem Katzensprung hat er schön gesagt«, meinte Frau Merkel, und fing dann noch an, jämmerlich zu hecheln.
»Übertreib’s ned, der arme Kerl hat schon lauter Schweißperlen auf der Stirn«, murmelte Steinböck.
Die nächsten Minuten vergingen ohne weitere Konversation. Der Fahrer konzentrierte sich auf die Straße und der Kommissar überflog Sabine Husups Zeitung, die sie ihm so charmant überreicht hatte. Der Mann auf einem der Fotos erregte seine Aufmerksamkeit. Er trug einen gelben Strohhut mit einer großen weißen Feder und wurde als Philosoph von der Isar vorgestellt. Irgendwoher kannte ihn Steinböck. Aber bevor er sich näher mit ihm befassen konnte, wurde Frau Merkels Hecheln langsamer. Als sie aber zu röcheln begann, schnippte Steinböck mit dem Finger nach ihrem Ohr.
»He, Gewalt ist auch keine Lösung«, schnurrte sie.
»Aber ein Weg dorthin.«
Der Taxler war sichtlich froh, als der Kommissar und die Katze am Augustiner-Keller ausstiegen. Nachdem er dort in Gestalt dreier stark angetrunkener Chinesen auch noch eine Fahrt zum Flughafen aufnehmen konnte, war der Vormittag gerettet.
Steinböck überraschte, wie gut der Biergarten um diese Tageszeit bereits besucht war. Peter Obstler entdeckte er an einem der Tische im hinteren Teil des Gartens.
»Servus, Steinböck, heut ganz ohne Katz?«, begrüßte ihn dieser und blies eine kräftige Rauchwolke nach oben.
»Griaß di, Peter, die ist schon da, aber wahrscheinlich wartet sie darauf, dass sich der Nebel über dir verzieht«, antwortete er grinsend.
»Ich weiß ned, was die Katz gegen meine Zigarren hat.«
»Die hat sich halt die Petition von den 107 Lungenärzten zu Herzen genommen.«
»Die haben doch völlig falsche Werte angegeben«, erwiderte Obstler, der sich persönlich angegriffen fühlte.
»Schon, aber wen interessiert des denn? Unser verehrter Minister Scheuer nutzt des, um eine Überprüfung der Grenzwerte zu fordern, und die Autolobby reibt sich die Hände.«
»Du hast ja recht, von allen Fake News bleibt was hängen. Jetzt setz dich her und bestell dir etwas zu essen. Ich lad dich ein.«
Steinböck starrte Obstler völlig entgeistert an und selbst Frau Merkel, die inzwischen auf der Bierbank saß, war für einen Moment sprachlos.
»Du lädst mich zum Essen ein? Hast du im Lotto gewonnen?«
»So ähnlich. Zwei Amis haben mich für eine Woche gemietet. Sie wollen einen Fremdenführer der anderen Art.«
Obstler war in Steinböcks Alter. Hätte er keine abrasierten Haare gehabt, wäre er als Inspektor Colombo durchgegangen. Statt Trenchcoat trug er zwar eine abgewetzte braune Lederjacke, dafür hatte er das entsprechende Glasauge, nur der Schnauzer passte nicht dazu. Im Grunde genommen reduzierte sich seine Ähnlichkeit mit dem Fernsehdetektiv auf das Glasauge.
»Fremdenführer der anderen Art? Was bitte soll des sein?«, fragte Steinböck neugierig.
»Na, ja, die zwei wollen mehr die Unterwelt und die einschlägigen Lokale kennenlernen. Sozusagen die dunklen Seiten von München.«
»Mensch, da musst du ihnen den Ferdel Bruchmayer vorstellen, die schwärzeste Seite der ganzen Stadt.«
Daran hatten beide ihren Spaß. Bruchmayer, seines Zeichens Staatssekretär im Wirtschaftsministerium und ehemaliger Klassenkamerad von ihnen, war ein typischer Vertreter für hinterfotzige Klientelpolitik in Bayern.
»Ich will die zwei doch ned vergraulen. Sie sind angeblich auf Recherche für ein Buch da. Ich hab 1.000 Euro für die Woche verlangt und sie haben mir 2.000 geboten, wenn ich versprech, nicht über Donald Trump zu reden. Da kann ich ihnen doch nicht den Ferdel vorstellen.«
»Sie haben dir das Doppelte geboten, wenn du nicht vom Trump redest?«, erkundigte sich Steinböck verblüfft.
»Stimmt, da hätt ich ihnen am liebsten was nachgelassen. Aber man muss ja schauen, wie man über die Runden kommt. Also, du bist heut mein Gast und wenn du willst, kannst du auch was für die Katz bestellen.«
»Ich wär schon zufrieden, wenn er seinen Stinkstengel ausmachen würde«, meckerte sie und sprang demonstrativ neben Obstler auf die Bierbank.
»Siehst, sie hat sich schon dran gewöhnt«, grinste der und versuchte, Frau Merkel hinter dem Kopf zu kraulen.
Untersteh dich, dachte der Kommissar intensiv, als er sah, wie die Katz ihre Pfote hob und die Krallen ausfuhr. Unter seinem strengen Blick hüpfte Frau Merkel von der Bank und kletterte auf die mächtige Kastanie.
»Also, was wollts ihr essen?«, bohrte Obstler nach und verfolgte mit seinen Blicken die Katze, ohne zu ahnen, dass er gerade knapp einer blutigen Schramme entgangen war. »Ihr habt ja jetzt auch vegetarische Gerichte«, bemerkte er zu der jungen Kellnerin, die an den Tisch trat.
»Die ham mir schon lange, neu sind die lakto-vegetarischen Gerichte.«
Steinböck musste an Klessels Abendessen am kommenden Sonntag denken und fragte nach: »Was ist des?«
»Lakto-Vegetarier meiden Fleisch, Fisch und zusätzlich auch Eier.«
»Zum Beispiel?«
»Mir hätten heut a Pfifferling-Blumenkohl-Curry mit Tofu.«
»So, des haut aber nicht hin. Pfifferling sind doch Eierschwammerl.«
»Bei die Ösis schon«, warf Obstler grinsend ein.
»Da müsst ich jetzt in der Küche nachfragen«, sagte die Bedienung verunsichert.
»Naa, lass nur. Ich möchte gern einen veganfreien Schweinebraten mit viel Kruste und einen Kartoffelknödel. Dazu bringst mir a leichtes Weißbier.«
»Wegen dem veganfrei muss ich auch nachfragen, ob mir des ham.«
»Mach des«, antwortete Steinböck verschmitzt.
»Was ist mit der Katz?«, wollte Obstler wissen.
»Die macht grad eine strenge Diät«, stellte der Kommissar fest und blickte dabei hämisch nach oben. »Jetzt erzähl, Peter, was hast du über den Maucher rausgefunden?«
Der Freund zog seinen Benzinkocher aus der Tasche seiner Lederjacke, klappte ihn auf, entzündete ihn und brachte durch wildes Saugen die ausgegangene Zigarre wieder zum Glühen.