Tödliche K. I.. Markus Warken
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Читать онлайн книгу Tödliche K. I. - Markus Warken страница 8
»Hallo, Nils«, grüßte sie tonlos. »Bist du auch auf der HU?«
»Nein, ich studiere ITM an der TU. Hier höre ich nur Ludification als Gast.«
Jana hatte keinen blassen Schimmer, was Ludification oder ITM bedeutete. Ihre Gedanken rasten, ob sie Nils Wibke vorstellen sollte oder besser nicht. Was, wenn Wibke dabei erführe, dass sie jahrelang mit ihrer Mutter in einer Sozialwohnung in einem heruntergekommenen Stadtteil Kölns gewohnt hatte? Jana spürte, dass sie rot anlief, und nestelte an ihrem Schal, um Zeit zu schinden. Nils zog seine linke Augenbraue nach oben, räusperte sich in das unerquickliche Schweigen hinein und sagte: »Ich muss zur Vorlesung – man sieht sich.« Damit ließ er die beiden Frauen stehen und ging weiter.
»Wer war das denn?«, lästerte Wibke gerade laut genug, dass Nils sie nicht hören konnte. »Bitte sag, dass du mit dem nie etwas hattest.«
Gewissensbisse flackerten in Jana auf, denn Nils ließ nie jemanden im Stich und hätte sie sicher bei niemandem verleugnet. Wibke sah sie lauernd an. Werden wir richtige Freundinnen oder sind wir ein Zweckbündnis? Du bringst mich mit interessanten Leuten zusammen, und weil zwei schöne Frauen größere Aufmerksamkeit auf sich ziehen als eine, nimmst du mich mit?
»Natürlich nicht«, wiegelte Jana ab. »Ich weiß nicht, ob der überhaupt schon mal eine Freundin hatte. Wir waren bloß auf derselben Schule in Köln.«
»Ist ja egal. Es gibt genug interessante Typen und auf so einen bist du glücklicherweise nicht angewiesen. Warst du schon mal bei einem Pferderennen? Nein? Das geht ja gar nicht! Freitag ist Renntag im Hoppegarten, und ich gehe mit Haucke hin. Wenn du willst, bringt er einen schicken Kollegen mit.« Wibke zwinkerte verschwörerisch.
»Mal sehen«, wich sie aus und entschloss sich, eine Lanze für Nils zu brechen. »Du unterschätzt Nils, wenn du ihn nur nach seinem Äußeren beurteilst. Der hat echt was drauf. Es gab noch kein Computerproblem, das der nicht im Handumdrehen gelöst hat, und wenn wenigstens die Hälfte der Geschichten stimmt, die über ihn in Köln die Runde machen, ist er ein Hacker, der selbst in Regierungsrechner reinkommt.«
Wibke zuckte mit den Schultern. »Wenn du meinst. Manchmal kann man so jemanden ja gebrauchen.«
In den folgenden Tagen fuhr Jana ihren Rechner nicht ein einziges Mal hoch. Ihre Seminararbeit bearbeitete sie an öffentlichen Computern der Uni. Um mit den Freunden in Kontakt zu bleiben, schnell etwas im Netz zu recherchieren, selbst um Videos zu schauen, benutzte sie das Smartphone. Einmal lugte sie via Smartphone in ihre E-Mails – 684 neue Nachrichten, die meisten von der Art, die sie überhaupt nicht sehen wollte. Am Donnerstag spät abends wollte Jana vor dem Schlafengehen nach neuen Nachrichten sehen und griff zu ihrem Smartphone. Der jüngste Eintrag auf Whatsapp stammte von jemandem, der sich Achatz nannte. Sie kannte niemanden dieses Namens, wenn man vom Absender der Neonazi-E-Mails an »wbi8888« absah. Ihre Hand zitterte, als sie die Meldung öffnete.
Jana, willst du mit uns für die gemeinsame Sache eintreten und die Ehre Deutschlands wiederherstellen?
Wo kann ich dich treffen?
HH, Achatz
Janas Herz pumpte wild. Zuerst hatte Abu Mujahed ihr auf ihre echte E-Mail-Adresse geschrieben, jetzt Achatz auf Whatsapp, wofür er ihre Telefonnummer kennen musste. Die bekamen ihre wahre Identität heraus! Sie ließ sich auf die Matratze plumpsen und krallte ihre Hände in die Bettdecke, um das Zittern in den Griff zu bekommen. Ihr war, als stünde sie auf einer riesigen Bühne, angestrahlt von Scheinwerfern, schutzlos den Gaffern ausgeliefert. War es eine Frage der Zeit, bis ein Abu Mujahed oder ein Achatz an ihrer Tür klingelte?
»Die Telefonnummer!«, zischte Jana und sah auf ihr Smartphone. Mit fliegenden Fingern öffnete sie die Details zu Achatz’ Whatsapp-Kennung. Die hinterlegte Telefonnummer lautete 0171 123456789. Mit Sicherheit war das keine echte Nummer. Achatz hatte sich irgendwie in Whatsapp gehackt. Sie rannte ins Wohnzimmer zu ihrem Laptop und drückte den Anschalter. Wie in Trance trug sie alle Absender der Belästigungs-E-Mails im Spam-Filter ihres normalen Postfachs ein, bevor sie die Nachrichten in den Papierkorb verschob. Anschließend löschte sie das Postfach zu »[email protected]« und sperrte Achatz auf Whatsapp. Minutenlang saß sie einfach nur da und starrte die Wand an. Sie wusste, dass es sinnlos war, was sie gerade versucht hatte. Die hatten ihre E-Mail-Adresse, ihre Telefonnummer. Die wussten, wer sie war. Eine Frage der Zeit, bis die vor ihrer Tür standen!
Schließlich erhob sie sich von ihrem Schreibtisch, putzte die Zähne, zog ihren Schlafanzug an und legte sich ins Bett. Ein weiterer hilfloser Versuch, durch Routine ihr inneres Gleichgewicht wiederzufinden. Er misslang. An Schlaf war nicht zu denken. Sie wälzte sich hin und her, bis sie den Versuch einzuschlafen aufgab und mit hinter dem Kopf verschränkten Händen dalag, die Decke von sich gestrampelt. Sie fühlte sich erbärmlich. Das spärliche Licht, das von draußen hereinfiel, ließ kaum Konturen erkennen. Das Zimmer wirkte wie ein schwarzes Loch und das Bett in der Mitte wie ein Schlund, der sie verschlingen wollte.
Was soll das Ganze?, fragte sie sich niedergeschlagen. Warum tue ich mir das alles an? Kaum komme ich ein bisschen aus dem Dreck heraus, schon habe ich Typen am Hals, die sonst was von mir wollen.
Sie drehte sich auf die Seite.
Vor ein paar Tagen im Hoppegarten stand mir alles offen. Und jetzt? Wer meinte, das Leben sei ein mieser Verräter, hatte recht.
Jana rollte sich zurück auf den Rücken. In einer Geste der Unterwerfung schloss sie die Augen, eine Besiegte, die den vernichtenden Schlag erwartete und gleichzeitig hoffte, das Schlimmste zu vermeiden. Das Gefühl der Ohnmacht angesichts der Bedrohung lähmte sie für einige Atemzüge – dann fachte es ihren Widerstand an, denn nichts hasste sie mehr als Bevormundung. Sie kniff die Lippen zusammen. Schon wieder andere, die über sie bestimmen wollten! Ihr Nacken versteifte sich, und sie ballte die Fäuste. »Das kann nicht alles umsonst gewesen sein«, fauchte sie und wischte sich über die Augen. »Das darf nicht alles umsonst gewesen sein! Und fang’ bloß nicht an zu heulen. Du hast ganz andere Sachen durchgestanden!«
Sie setzte sich auf und schaltete das Licht an. Ihr Herzschlag beruhigte sich und ihre Gedanken klarten auf.
Sie zwang sich zur Vernunft. Was würde ich einer Freundin empfehlen, die mich in so einer Lage um Rat fragt?
Jana lachte auf, schlug mit der flachen Hand auf die Stirn. Plötzlich schien alles ganz einfach. »Wir leben in Deutschland, im 21. Jahrhundert, einem Rechtsstaat, wie es wenige andere gibt«, erklärte sie der fiktiven Freundin, als stünde sie ihr gegenüber in der Schlafzimmertür. »Du kannst die Belästigungen einfach missachten, bis sie von alleine aufhören. Was wollen die schrägen Typen denn machen? Wenn tatsächlich ein Abu Mujahed oder ein Achatz oder sonst ein Schuft bei dir auftaucht, gehst du zur Polizei! Haaallooo!«
Entspannt sank sie