Rurschatten. Olaf Müller
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»Was wollte Rütters von Ihnen? Klartext, Johnny. Sonst gibt’s nen Shuttle zum Souterrain in die Hubert-Wienen-Straße nach Aachen. Gefilterter Sonnenschein.«
Herr Rütters
und die jungen Mädchen
Heraus kam, dass Rütters sich für Johnny einsetzte, ihm eine zweite Chance geben wollte. Dafür brachte ihm Johnny meistens am Sonntagabend Besuch ins Sankt Irmgardis. Girls aus der Szene. Drogenabhängige, Minderjährige, Obdachlose. Auch ihnen half Rütters. Auf seine spezielle Art, sagte Johnny. Sonntags, da kam Marie Utzerath nicht zu Besuch. Tennisstunden. Eben.
»Wo warst du an dem Freitagabend?«
Johnny wurde blass. »Hier.«
»Und warum bist du nicht mehr zur Arbeit gegangen?«
»Ich kann nicht mehr. Strack-Zimmermann ist ein Riesenarschloch. Er wollte noch mehr Geld von Rütters und hat gesagt, der Stundensatz für mich sei erhöht worden. Stattdessen hat Rütters aufgehört zu zahlen. Alles soll meine Schuld gewesen sein. Beide haben mich ausgebeutet. Beide. Johnny Kaiser glaubt doch niemand. Ich bin am Ende. Jetzt kann ich wieder in den Jugendvollzug. Scheiße.«
»Wo warst du an dem Freitagabend? Genau. Mit Zeugen.« Fett wurde sauer.
»Also, ich war, ich war hier.«
»Genauer macht schlauer«, sagte Fett.
»Mit meiner Freundin Jasmin, die kann es bezeugen. Wir waren hier. Wohin denn auch? Ohne Knete. Wir haben DVDs geguckt. Wirklich. Ich bring doch den Alten nicht um. Da schon eher Strack-Zimmermann, die Sau. Der beutet uns aus. Dieses Arschloch. Der kassiert für jeden Schwererziehbaren. Vom Jugendamt und von den Paten. Doppelt cash. Das hat der olle Rütters gemerkt. Der dachte, ich würde ihn bescheißen. Stimmt aber nicht. Trotzdem hat er keine Kohle mehr rübergeschoben. Wahrscheinlich rief er dann einen Escort-Service an. Knete genug hatte er ja. Oder die olle Hausbesorgerin musste ran. Die Tennislady. Einmal hat sie ihn mit einer Drogenabhängigen überrascht. Sie hatte sich beim Tennis verletzt und war ausnahmsweise am Sonntagabend mit ihrem Schlüssel in Sankt Irmi aufgetaucht. Affentheater. Scheiße. Ich bring den doch nicht um.«
Fett neigte dazu, diesem armen Hund zu glauben. So jung und schon das ganze Leben verbaut.
»Wir checken deine Freundin. Name und Adresse. Wenn das nicht stimmt, dann hast du ein Problem. Ein weiteres. Hier, meine Karte, wenn dir noch was einfällt.«
Schmelzer und Fett gingen.
»Der war es nicht«, sagte Fett. »Warum so ein komplizierter Mist mit Handy und Geisterbahn und ›Rurschatten‹? Der wäre beim Rütters am Sonntag eingestiegen. Doch nicht so kompliziert. Wir haben nichts. Nur Schatten, die Schatten von Herrn Rütters. Marie Utzerath, die soll mal mehr erzählen. Von dem feinen Herrn. Oder?«
Fett knuffte Schmelzer in die Seite.
»Jow, Chef.«
Schmelzer hatte nicht die beste Laune. Sein Konto war fast leer. Die Sparkasse Aachen hatte die Raten abgebucht und die Inspektion des Volkswagen Passat war teurer als erwartet ausgefallen: neue Scheibenbremsen, neue Reifen, neuer Anlasser. Alles Käse, dachte Schmelzer.
Aus einer anderen Welt
Marie Utzerath öffnete am Mittwochmorgen, fast vier Wochen nach dem Mord, an einem milden Augusttag den Kommissaren lächelnd die Tür.
»Guten Morgen, Frau Utzerath. Dürfen wir eintreten? Wir haben noch ein paar Fragen an Sie.«
»Sicher, bitte gerne. Bitte kommen Sie in das Wohnzimmer. Kaffee, Tee, Wasser?«
»Kaffee gerne«, sagte Schmelzer.
Fett winkte ab. »Keine Umstände, Frau Utzerath, wir sind gleich wieder weg.«
»Frau Utzerath, Sie haben doch Herrn Rütters regelmäßig in Sankt Irmgardis besucht?«
»Ja, ich bin oft zu ihm gegangen. Wir haben Spaziergänge gemacht.«
»Ist Ihnen etwas aufgefallen in den letzten Monaten?«
»Aufgefallen, ja, vielleicht, er war manchmal etwas schlechter gelaunt. Er erzählte von einem jungen Pfleger, Johnny. Da gab es irgendwie Ärger. Herr Rütters hatte eine Art Patenschaft für den Jungen übernommen. Das hatte ihn etwas beschäftigt. Entschuldigen Sie, dass ich das nicht gleich erzählt habe, denn er war zum Schluss guter Dinge.«
»Kennen Sie Josef Kaiser und wieso gab es Ärger mit ihm?«
»Ich hab den jungen Mann vielleicht einmal auf dem Flur gesehen. Nein, nein. Ich kann Ihnen nicht sagen, um was es ging.«
»Frau Utzerath, das ist jetzt wichtig. Haben Sie Herrn Rütters mal mit einem jungen Mädchen überrascht?«
»Ach, die Geschichte. Das war doch nichts. Sie hat ihm vorgelesen.«
»Vorgelesen?«
»Ja, er liebte es, vorgelesen zu bekommen. Ich hab ihn außer der Reihe sonntags besucht, und da saß sie neben seinem Bett. Ich glaube, sie las ihm Heinrich Böll vor. Ja, Böll. Den mochte er so gerne. Böll lebte in Langenbroich, und Rütters schätzte ihn sehr. Wir diskutierten früher oft die neuen Romane und stritten uns heftig über die Verfilmung von ›Die verlorene Ehre der Katharina Blum‹.«
»Frau Utzerath, hatte Herr Rütters, sagen wir mal, Interesse an jungen Frauen?«
»Nein, Herr Kommissar, ich muss doch bitten. Was hat das mit dem Mord zu tun? Herr Rütters war sehr spendabel und versuchte, Gutes zu tun. Es gab dieses Hilfsprogramm mit dem Herrn Kaiser, und der brachte wiederum andere junge Menschen mit. Rütters versuchte, ich betone, er versuchte, einen guten Einfluss auszuüben. Aber im Innersten glaubte er wohl nicht an einen Erfolg. Vielleicht wollte er durch etwas Muße und Lektüre Nachdenklichkeit erzeugen. Er wollte im Alter immer mehr aufklären, anderen helfen oder die Öffentlichkeit wachrütteln.«
»Wir müssen einfach allen Spuren nachgehen«, sagte Fett und schaute auf die schlanke Marie Utzerath, ihre blauen Augen, die Jeans, die ihr wirklich gut standen, und ihre Jugendlichkeit, die sie wohl nie verlieren würde. Manchmal lohnt sich ein Mord, um Menschen zu treffen, die irgendwie anders sind, dachte Fett und riss sich sofort wieder zusammen. Marie Utzerath gefiel ihm. Er, der cineastische Dilettant, dachte an Marlene Dietrich, die Garbo, Romy Schneider, Catherine Deneuve. Ein Hauch von all den Diven, das hatte die Marie Utzerath.
»Vielen und herzlichen Dank. Wenn Ihnen etwas einfällt, bitte einfach anrufen. Wir freuen uns auf Sie. Und, ach, wie kamen Sie damals, 1985, an die Stelle bei Herrn Rütters?«
»Empfehlung. Jemand hatte mich empfohlen. Ich war einige Jahre im Haus eines Freundes von Rütters. Juwelier Goldbach. Auch hier in Düren. Das Geschäft existiert noch in der Wirtelstraße. Alte Familie. Sie kannten sich, David Goldbach und Alexander Rütters. Düren ist klein. Sie waren eine Generation. Und meine Empfehlungen waren bestens. Immer.«
»Ja, ja. Empfehlung ist immer gut. Empfehlung, Frau Utzerath«, sagte lächelnd Kommissar Fett.
Sie