Rurschatten. Olaf Müller

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Rurschatten - Olaf Müller

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hier. Muss ich mal mit den Kindern herkommen. Wenn ich mal welche habe.« Schmelzer schaute sich um und griff die Gedanken von Fett auf.

      »Die Annakirmes bietet sich zur Flucht natürlich an. Wir können da keine Fahndung auslösen. Das wäre zu riskant gewesen. Ob mit dem Ort noch etwas signalisiert werden sollte? Geisterbahn, Schrecken, Grauen – aber alles nur künstlich. Sehr viel Lärm. – Wohin jetzt, Herr Fett?«

      »Zu Fuß raus aus dem Ort, Rurstraße entlang und dann am Ufer weiter. Jägersweiler, so heißt dieses Waldstück, da muss die Hütte stehen. Sie haben recht, Schmelzer. Zugleich wurde seiner Tochter ein großer Schmerz zugefügt. Der Täter wusste, dass Rütters nicht alleine auf dem Platz war. Darauf nahm er keine Rücksicht. Vielleicht sollte genau das erzielt werden. Am Abend der Freude erfolgt der größte Schmerz.«

      Beide gingen mit raschen Schritten und schweigend durch Einruhr. Vorbei am Freibad mit Holzverschlag als Eingang. Schmelzer schwitzte, Fett ging zügig voran.

      »Der Weg ist noch asphaltiert. Keine Müdigkeit vortäuschen. Los, Schmelzer. Machen Sie mir hier nicht schlapp. Die Rurmücken fressen Sie auf.«

      Schmelzer sah ein kühles Kölsch vor Augen. Fett schritt aus. Vorbei an der Kläranlage und der Behelfsanlegestelle auf die Wiesen zu.

      »Hier war früher mal Sperrbezirk, aber nicht, was Sie denken. Truppenübungsplatz. Vogelsang. Nicht vom Weg abkommen. Minen. Überall.« Fett lachte.

      »Da drüben ist Jägersweiler.«

      Sie sahen die Reste von zwei Häusern.

      »Das muss das Jagdhaus von Rütters gewesen sein. Wieso durfte der hier denn jagen? Sperrbezirk und mittendrin so ein Jagdhaus? Moment mal.« Fett zögerte. Irgendwas ging ihm durch den Kopf: »Liesel Bach.«

      »Wer ist denn Liesel Bach?« Schmelzer verdrehte die Augen.

      »Das da hinten, das ist das Haus von Liesel Bach. Und hier war das ehemalige Haus von Rütters.« Fett überlegte.

      »Ich hab darüber gelesen. Fliegerin. Eine der ersten und besten deutschen Fliegerinnen. Das war ihr Haus. Rütters, Bach, Einruhr.«

      Fett überlegte angestrengt.

      »Grundbuchamt. – Schmelzer, checken Sie das. Wann ist das Haus von Liesel Bach eingetragen worden und das von Rütters? Warum durfte der im Sperrbezirk bleiben? Hier, so nah am Obersee der Rur.«

      Ein lautes Tuten unterbrach seine Überlegungen. Die MS Aachen, ein Elektroausflugsdampfer, schipperte mit winkenden Niederländern in Richtung Einruhr. Fett konzentrierte sich.

      Das Haus war verfallen. Nur wenige Meter daneben das Haus von Liesel Bach, ebenso verfallen. Die Natur hatte alles zurückerobert, wie man so sagt. Nichts war mehr erkennbar. Die Jagdhütte lag wunderschön eingebettet und ruhig mit Blick auf den Obersee. Vielleicht lag das Geheimnis dieses Mordes weit zurück, vielleicht war hier in einem Sommer der 30er- und 40er-Jahre etwas passiert. Fett setzte sich einen Moment in das kniehohe Gras. Die Ruhe überwältigte beide. Sie kehrten wortlos zurück nach Einruhr.

      »Schmelzer, tragen Sie alles über Liesel Bach zusammen und über die Geschichte dieser Hütten. Wir müssen allen Spuren nachgehen.« Fett setzte sich auf den Beifahrersitz. Schweigend kehrten sie nach Aachen zurück. Am nächsten Tag trug Schmelzer vor.

      Die geheimnisvolle Hütte

      »Liesel Bach war eine Kunstfliegerin. Tolle Frau. Jahrgang 1905. 1992 in Frankreich gestorben. Hatte im Krieg Flugzeuge überführt. Nach dem Krieg flog sie durch Indien. Irgendwie unbeschadet aus der NS-Zeit rausgekommen. Die müssen sich gekannt haben. Vielleicht durch die Jagdhütte vom alten Rütters. Ach ja, dann wurde diese Jagdhütte von Rütters 1946 auf Goldbach, Düren, überschrieben. Nach dem Tod von Goldbach fiel es an Rütters zurück zur Nutzung, aber Eigentümer blieb Goldbach, Juwelier, Wirtelstraße. Der durfte auch drin bleiben während der Sperrzeit des ganzen Gebietes. Rütters, Goldbach und wieder Rütters.«

      »Goldbach, Juwelier in Düren?«

      Fett lief langsam auf Betriebstemperatur.

      »Marie Utzerath war bei dem Juwelier doch mal Haushälterin. Liesel Bach, Alexander Rütters, David Goldbach, der Juwelier und Marie Utzerath. Mensch, Schmelzer, langsam verliere ich den Überblick.«

      Diamantenfieber

      Schmelzer trug alle zugänglichen Informationen über David Goldbach zusammen. Daraus ergab sich folgendes Bild:

      David Goldbach, Jahrgang 1919, war mit Alexander Rütters zusammen ins Stiftische Gymnasium gegangen. Humanistische Bildung. Schmelzer tauchte wieder mal ab in Regesten, Archiven, Standesamtsakten. Der Name Goldbach hätte hellhörig machen müssen. Der Name klang nach einer jüdischen Familie. Davids Vater war hochdekorierter Weltkriegsteilnehmer im Ersten Weltkrieg. Die Eltern wurden 1943 deportiert, David ist irgendwie durch den Krieg gekommen. Die Goldbachs besaßen ein Juweliergeschäft und hatten beste Kontakte nach Antwerpen zu den dortigen Juwelieren.

      David überlebte. Schutzengel oder wie immer der jüdische Kollege hieß. Wo und wie David genau gelebt hatte, war nicht mehr zu ermitteln. Aber 1946 übertrug der Angestellte, ein gewisser Heinrich Gülpen, das Geschäft zurück an David Goldbach, der es weiterführte und 1999, mit 80 Jahren, bei einem Segelausflug auf dem Rursee einen Unfall hatte und ertrank. Junggeselle. Keine Familie. Schmelzer hatte alles recherchiert. Bei der Polizei Düren war 1999 Oberkommissar Kuckertz der Ansprechpartner.

      »Fragen Sie die Nachkommen, Schmelzer. Fragen, fragen, fragen. Wie gehören die alle zusammen? Kannten die Liesel Bach? Die war 15 Jahre älter als die beiden Burschen. Liesel Bach, fragen Sie mal nach, über sie gibt es Bücher. Vielleicht weiß jemand etwas über ihr Leben hier in der Eifel.«

      Heißer Sommer

      Es war Anfang September. Der Mord lag fast fünf Wochen zurück. Der Spätsommer wurde immer heißer. Im Freibad von Einruhr war Hochbetrieb. Niemand hatte sich in Aachen bei Fett gemeldet. Die Staatsanwältin Cordula Regauer war noch in den Ferien. Sie hatte genug mit anderen Fällen zu tun. Zwei, drei Mordversuche in der Elsassstraße, Westpark und im Studentenmilieu waren ruckzuck aufgeklärt. Pferdedoping beim CHIO, dem »Weltfest des Pferdesports«, wie es hieß – war nicht sein Gebiet. Fett schlenderte durch die Altstadt, ging zum Katschhof und schaute auf den Aachener Dom, das Oktogon, die Kapellen, die Domsingschule. Ruhe, Wärme, ein Cappuccino, ein Eis, luftig gekleidete Frauen, Studentinnen. Er atmete tief, eher seufzend.

      Iska Sonntag aus Bonn, Leiterin SEK, die war schon bezaubernd. Sehr sportlich. Das Abendessen mit ihr in der Kunst- und Ausstellungshalle hatte er nicht vergessen. Vorher noch die Napoleon-Ausstellung. Es war ein heiterer Abend gewesen. Noch ein paar Mails. Mal ein Anruf. Sie war schwer erreichbar. Immer auf Abruf. Von Bonn aus ging es in den Erftkreis. Da hatten sich mafiöse Strukturen gebildet. Das Sondereinsatzkommando musste oft ran. Sie sah einfach gut aus. Sehr gut. Und sie lachte so erfrischend. Schlagfertig war sie auch. Irgendwie ansteckend. Fett seufzte in sich hinein. Gerade an solchen schönen Tagen fiel ihm das Alleinsein schwer. Viel wusste er noch nicht über sie, ihre Geschichte, ihr Leben. Auch da waren Geheimnisse. Was für ein schöner Sonntag. Er sagte es sich immer wieder, wenn er sie sah. Der Vorname, Iska, der Nachname, Sonntag, eine einmalige Kombination. Nordisch und vielleicht auch eine jüdische Familiengeschichte. Er würde sie beim nächsten Treffen darauf ansprechen.

      »Ist hier noch frei?«

      Fett

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