Tochter der Inquisition. Peter Orontes

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Tochter der Inquisition - Peter Orontes

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müssen. Doch dann, vor wenigen Tagen erst, war ihm etwas Seltsames widerfahren. Etwas, das ihn in die Lage versetzte, den Eid zu verweigern, ohne sich in aller Öffentlichkeit zu denjenigen bekennen zu müssen, welche die Kirche als Ketzer bezeichnete. Von diesem Zeitpunkt an hatte er wieder Hoffnung geschöpft. Doch ob der Richter seiner Geschichte Glauben schenken würde, war mehr als fraglich.

      »Jobst Heiss, ich fordere Euch dazu auf, vor Gott und den Menschen zu bezeugen, dass Ihr die Wahrheit gesagt habt.« In fast feierlichem Ernst klang die Stimme Georg von Panhalms über den Platz. Zusammen mit ihm hatten sich auch alle anderen, die am Richtertisch saßen, erhoben.

      »Hebt die Hand und schwört also: Ich schwöre bei Gott dem Allmächtigen und bei allem, was mir heilig ist, dass ich die Wahrheit und nichts als die Wahrheit gesagt habe.«

      Jobst Heiss hob die Hand. »Ich schwöre bei Gott, dem Allmächtigen, und bei allem, was mir heilig ist, dass ich die Wahrheit und nichts als die Wahrheit gesagt habe«, verkündete er Gott und den Menschen. Als er zu Ende gekommen war, standen Schweißperlen auf seiner Stirn.

      »Nun gut. – Ich rufe als ersten Zeugen Balduin Lechner auf«, fuhr der Stadtrichter mit der Verhandlung fort.

      Mit unsicheren Schritten erklomm der Schweinehirt in Begleitung eines der Büttel die Stufen und begann, sichtlich zum Ergötzen der Zuschauer, im Zick-Zack-Kurs quer durch die Laube zu stolpern. Den schwarzen, zerlumpten Hut mit der durchlöcherten Krempe hatte er abgenommen. Das graue Haar hing ihm in verwegenen Strähnen in das schmutzige, von einem struppigen Bart gerahmte Gesicht. Der schwarze Umhang über dem Wams starrte vor Dreck, ebenso die Beinlinge und die Lumpen, mit denen er seine Füße umwickelt hatte. Zielbewusst strebte Balduin mit wenigen Schritten dem Richtertisch zu, den er wider Erwarten auch tatsächlich erreichte. Deutlich schwankend, aber sich durchaus der Wichtigkeit seiner Person bewusst, verharrte er schließlich unmittelbar vor Georg von Panhalm.

      Das hohe Gericht rümpfte entsetzt die Nase. Von Panhalm verzichtete darauf, Balduin förmlich zu fragen, ob er auch wirklich Balduin sei. Dass der Mann, der da vor ihm stand, Herr der Ternbergschen Schweine war, hätte nur ein Wahnsinniger oder jemand ohne Geruchssinn leugnen können. Ebenso wenig, dass das Bier Herr über den Mann war. Die Schwaden, die seiner Gestalt entströmten, ließen an seiner Identität keinen Zweifel zu.

      Nur mit eisernem Willen gelang es dem Stadtrichter, seine Nase von der Umklammerung seiner Finger zu befreien.

      »Balduin Lechner, Ihr wart Zeuge an jenem Abend, als Dietrich Pützer und Jobst Heiss miteinander stritten?« Der Richter bemühte sich, seiner Stimme einen amtlichen Ton zu verleihen.

      Balduin schwankte bedenklich. Er sah den Richter mit glasigen Augen an – dann wandte er sich plötzlich um und torkelte an die Brüstung der Laube. Breit grinsend sah er auf die Masse der Zuschauer hinunter, ungeachtet der schwarzen Zahnstummel, die er dabei entblößen musste, und fuchtelte mit den Armen.

      »Ha… habt Ihr … es a… alle … ge… gehört – hicks – er … er ha… hat … ›Ihr‹ zu mir … ge… gesagt … Verstanden? – hicks – ›Ihr‹ … hat er … ge… gesagt … Nicht … ein … einfach… ›Du‹. Der … der Mann … der Mann da – hicks« –, tollkühn vollzog Balduin eine halbe Drehung um die eigene Achse und wies mit einer kreisenden Bewegung seiner Rechten auf den Richtertisch, – »hicks – der … der weiß, … was sich … ge… gehört.«

      Die Zuschauer brüllten vor Lachen.

      »Weiter so, Balduin!«, schrie einer.

      »Sollen wir in Zukunft auch ›Ihr‹ zu dir sagen?«, feixte ein anderer.

      »Oder vielleicht ›Euer Gnaden‹«, rief jemand dazwischen.

      »Wenn schon, dann ›Eure schweinischen Gnaden‹«, setzte ein anderer drauf.

      Die Menge johlte. Sogar einige vom Rat und den Genannten begannen zu grinsen. Der Gerichtsschreiber lachte gar aus vollem Hals und hielt sich den Bauch. Georg von Panhalm merkte, wie ihm die Verhandlung zu entgleiten drohte. Schlagartig begriff er, dass nicht nur die Würde des Gerichts auf dem Spiel stand, sondern auch seine künftige Karriere.

      »Wollt Ihr diesem unwürdigen Treiben nicht endlich ein Ende machen?«, raunzte Ludwig der Neudlinger den Stadtrichter an und mischte sich damit zum ersten Mal in die Verhandlung ein.

      Von Panhalm erhob sich mit hochrotem Kopf und blickte wütend in die Runde.

      »Ruhe!«, brüllte er von der Laube herunter. »Ruhe! Wollt Ihr endlich Ruhe geben! Das ist eine Gerichtsverhandlung und kein Possenspiel. Oder sollen Euch meine Büttel vom Platz prügeln?«

      Sofort kehrte Ruhe ein.

      »Wer es noch einmal wagen sollte, sich ungebührlich zu benehmen, den lasse ich drei Tage einlochen. Der Zeuge Balduin Lechner ist hiermit entlassen. Auf seine Aussage kann vorerst verzichtet werden, er wird diese morgen in meiner Amtsstube wiederholen – wenn er wieder nüchtern ist. – Entfernt den Mann!« Mit den letzten Worten hatte sich von Panhalm, ruhiger geworden, an den Büttel gewandt, der für den Schweinehirten zuständig war. Der packte Lechner bei den Armen und beförderte ihn die Treppe hinunter.

      Balduin sah enttäuscht drein. Er hatte das bedauerliche Gefühl, dass sein Auftritt zu Ende war, bevor er richtig begonnen hatte. Da hatte er es endlich einmal geschafft, einige Augenblicke lang zu einer wichtigen Person zu werden, und schon war das Interesse an ihm wieder dahin. Missmutig torkelte er von dannen.

      »Peter Seimer, seid Ihr bereit?«, rief von Panhalm seinen wichtigsten Zeugen auf. »Tretet näher und erklärt dem Gericht, wie sich die Dinge an jenem Abend aus Eurer Sicht zugetragen haben.«

      Peter Seimer ging festen Schrittes die Treppen hinauf und trat an den Richtertisch. Mit einem sonderbaren Gesichtsausdruck, in dem Furcht und Zweifel, aber auch ernste Entschlossenheit lagen, sah er den Richter an.

      »Nun?«, fragte der Stadtrichter. Irgendetwas in der Miene Seimers irritierte ihn.

      Peter schwieg. Es fiel ihm sichtlich schwer, mit dem Sprechen zu beginnen.

      »Was ist, Seimer? Hat es Euch die Sprache verschlagen?« Der Stadtrichter runzelte die Brauen; er wurde sichtlich ungeduldig.

      »Nein, Herr Stadtrichter«, Peter hatte sich endlich überwunden, doch seine Stimme klang rau und brüchig. »Es ist nur«, er zögerte, »ich … ich möchte Euch und die anderen ehrenwerten Herren davon in Kenntnis setzen, dass ich meine Aussage zurückziehen muss.«

      Der gesamte Richtertisch saß da, wie vom Donner gerührt. In der Menge hätte man eine Nadel fallen hören können.

      »W-a-a-s sagt Ihr da?«, fragte von Panhalm ungläubig. »Ihr wollt Eure Aussage zurückziehen? Warum denn das, in Dreiteufelsnamen? Seid Ihr von allen guten Geistern verlassen? Oder wollt Ihr mich zum Narren halten?« In die Stimme des Richters hatte sich so etwas wie fernes Donnergrollen gemischt.

      »Nichts liegt mir ferner, Herr Stadtrichter. Ihr wisst, dass ich stets den schuldigen Respekt Euch gegenüber habe walten lassen. Ich achte Euch und Euer Amt. Ebenso das der anderen Herren.« Seimer nickte dem Bannrichter und den Mitgliedern des Rates zu. »Und glaubt mir, es fällt mir nicht leicht zu widerrufen – doch das Leben meiner Familie steht auf dem Spiel.« Peter blickte zu Boden.

      Durch die Menge ging ein Raunen. Die beiden Richter und die vier Ratsmitglieder sahen sich befremdet an, ebenso die Genannten. Jobst Heiss musterte Seimer mit verkniffenem Blick, aber auch

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