Tochter der Inquisition. Peter Orontes

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Tochter der Inquisition - Peter Orontes

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Teufel, veranlasst Euch, Eure Aussage zurückzuziehen? Wer sollte Eurer Familie etwas antun wollen?«, wollte von Panhalm wissen.

      »Ich hege große Sorge, ehrenwerter Herr Stadtrichter, dass, wenn ich bei meiner Aussage bleibe, von gewisser Seite«, – Peter Seimer blickte zu Jobst hinüber –, »versucht werden wird, Rache zu nehmen. Ich bin in einem anonymen Schreiben davor gewarnt worden, meine Aussage hier vor Euch zu bestätigen. Sollte ich dies dennoch tun und sollte dies zu einer Verurteilung des Angeklagten führen, würden meine Frau und meine Kinder dran glauben müssen – so ließ man es mich wissen. Darum bitte ich Euch inständig, meine Aussage als hinfällig zu betrachten und sie nicht beschwören zu müssen. Bitte, Herr Stadtrichter, entlasst mich aus dem Verfahren.«

      Von Panhalm hatte mit ungläubigem Staunen zugehört. »Und Ihr glaubt tatsächlich, dass ich Euch das abnehme?«

      »Welchen Grund sollte ich haben, Euch zu belügen? Ich denke, man kennt mich als jemanden, der weiß, was er sagt und was er tut«, wandte Peter ein.

      In der Tat kannte jedermann Peter Seimer als einen aufrechten, absolut ehrlichen Mann mit einwandfreiem Leumund. Insgeheim nannten ihn einige spöttisch sogar den »Heiligen«. Auch seine Familie galt als vorbildlich – für manche gar als übertrieben vorbildlich. All dies wusste auch der Stadtrichter.

      »Zeigt mir dieses Schreiben«, forderte der Richter den Zeugen auf.

      Peter Seimer sah zu Boden. »Ich besitze es nicht mehr, Herr Stadtrichter«, sagte er leise.

      »Ach, Ihr besitzt es nicht mehr. Und das soll ich Euch glauben? Die Sache wird ja immer besser«, konterte von Panhalm verärgert.

      »Es ist aber so, ehrenwerter Herr Stadtrichter. Vor wenigen Tagen wurde ich von zwei maskierten Männern überfallen. Nachts, als ich mich auf dem Heimritt befand. Sie zwangen mich abzusteigen. Einer von ihnen überreichte mir das Schreiben, hielt mir ein Messer vor die Nase und zwang mich, es im Schein einer Fackel, die er bei sich trug, zu lesen. Danach vernichtete er es, indem er es vor meinen Augen verbrannte, und beide verschwanden im Wald. Ihr könnt Euch vorstellen, wie erschrocken ich war.«

      »So, so, Ihr wart also des Nachts zu Pferd nach Hause unter­wegs, als plötzlich zwei Maskierte auftauchten. Wo war das denn? Und wo wart Ihr gewesen – so spät des Nachts?«

      »Bei Gundel Schreyer, dem Zeitler. Ihr wisst, dass ich mit ihm im Streite liege. Er behauptet, ich hätte eines meiner Bienenvölker darauf abgerichtet, seine Stöcke zu überfallen, was natürlich nicht wahr ist. Die Klage ist bei Euch anhängig. Ich wollte mich im Guten mit ihm einigen, aber ich traf ihn nicht an. Als ich zurückritt und noch etwa eine halbe Reitstunde von meinem Hof entfernt war, traten die beiden Maskierten plötzlich aus dem Wald und hielten mich auf.«

      Georg von Panhalm runzelte die Brauen und sah seinen Zeugen skeptisch an.

      »Würde ich Euch nicht besser kennen, Peter Seimer, würde ich Euch für verrückt erklären. Oder für den erfinderischsten Geschichtenerzähler auf Gottes Erdboden. Aber gut – gehen wir einmal davon aus, ich nehme Euch das Ganze ab: Wer sollte Euch erpressen? Ihr wisst, dass der Angeklagte seit der Tat in richterlichem Gewahrsam sitzt. Und zwar in einem gut bewachten Verlies hier in der Stadt.«

      »Ich weiß, Herr Stadtrichter. Doch ich bitte zu bedenken, dass Jobst Heiss über viele Freunde verfügt.«

      Da hatte Seimer durchaus recht. Von Panhalm wusste dies. »Und der Inhalt dieses angeblichen Schreibens lautete tatsächlich darauf, dass Eurer Familie Schaden droht, wenn Ihr bei Eurer Aussage bleibt?«

      »Jawohl, Herr Stadtrichter.«

      »Zeuge Peter Seimer, seid Ihr Euch darüber im Klaren, dass ich Euch, zumindest was Eure Behauptung, erpresst zu werden, angeht, unter Eid stellen muss?«

      »Ich bin mir dessen durchaus bewusst, dass dies Eure Pflicht ist. Und dennoch: Ich kann nicht einmal auf diese Sache den Eid leisten, ohne meine Familie ernstlich zu gefährden.«

      »Was soll das nun wieder heißen?«, polterte der Stadtrichter erbost. Wütend knallte seine Hand auf den Tisch.

      »Bei allem schuldigen Respekt, Herr Richter, das Schreiben enthielt auch die Aufforderung, nichts von alledem, was ich Euch eben gesagt habe, zu beeiden. Ich könne zwar darlegen, dass das Leben meiner Familie bedroht ist, aber ich dürfe nicht den Schwur auf diese Behauptung leisten. Ohne einen Eid ist meine Aussage jedoch nichts wert, also werdet Ihr sie nicht gegen Jobst Heiss noch gegen irgendjemand anderen verwenden können. Darauf bauen diejenigen, die mich unter Druck setzen. Ehrwürdiger Herr Stadtrichter, um des Lebens meiner Familie willen bitte ich Euch: Vergesst meine Aussage und seht davon ab, mich unter Eid zu nehmen. Entlasst mich aus dem Verfahren. Ich hoffe auf Eure Gnade und Euer Verständnis.« Seimer war zu Ende gekommen. Verzweifelt blickte er auf die beiden Richter und die Beisitzer.

      Georg von Panhalm sah konsterniert auf seine Finger, die nervös auf die Tischplatte trommelten. Er war in einer verzwickten Lage. Da war ein Zeuge, der glaubhaft versicherte, man hätte ihn erpresst, damit er seine Aussage zurückziehe, die den Angeklagten erheblich belastete. Damit nicht genug, verlangten der oder die angeblichen Erpresser auch noch, dass eben dieser Zeuge die Umstände seiner Erpressung zwar darlegen, diese Darlegung aber nicht beeiden dürfe. Worin lag der Sinn dieser Taktik? Offensichtlich darin, alle Aussagen Seimers durch seine Verweigerung des Eides unwirksam werden zu lassen. Zum einen, was seine Darstellung der Geschehnisse jenes Abends anging, an dem der Pützer niedergestochen wurde. Zum anderen, was die Erpressung selbst betraf.

      Von Panhalm war sich darüber im Klaren, dass er dem Zeugen nicht einmal in diesem Punkt einen Eid abnehmen konnte, ohne ihn in Angst zu stürzen. Denn auch der Tatbestand der Erpressung rückte Jobst Heiss deutlich in die Nähe einer Schuld, selbst wenn er nicht persönlich daran beteiligt war. Ein Eid in dieser Angelegenheit würde dem Schuldvorwurf gegen ihn eine umso bedrohlichere Dimension geben. Genau das versuchten der oder die Erpresser geschickt zu verhindern, indem sie Peter Seimer schreckliche Konsequenzen androhten, sollte er doch die Hand zum Schwur erheben. Gericht und Zeuge drehten sich so im Kreis. Waren auch genügend Verdachtsmomente gegen den Angeklagten gegeben, man konnte ihm nichts beweisen. Denn Seimer hatte unbestreitbar recht: Ohne einen Eid waren alle seine Zeugenaussagen nichts wert; so wollten es Recht und Gesetz. Ihn zum Schwur zu zwingen, war unter den gegebenen Umständen jedoch nicht sinnvoll; jeder Richter, der sich dazu hätte hinreißen lassen, hätte sich in den Augen der Öffentlichkeit der Rücksichtslosigkeit schuldig gemacht. Dagegen hatte ein Richter, der sich mit der öffentlichen Meinung gutstellte, unbestreitbar größere Chancen, erneut in das Amt gewählt zu werden.

      Georg von Panhalm sandte einen Hilfe suchenden Blick zu Ludwig dem Neudlinger, der neben ihm saß.

      »Glaubt Ihr an seine Schuld?«, raunte er ihm zu.

      Der Bannrichter zuckte ratlos die Schultern.

      »Ob wir beide es glauben oder nicht, spielt keine Rolle«, raunte er zurück. »Wegen Mordes können wir den Heiss jedenfalls nicht belangen. Er hat einen Eid darauf geleistet, dass dieser Pützer zuerst das Messer gezogen hat. Das könnt Ihr nicht widerlegen, nachdem Euer Hauptzeuge den Schwanz eingezogen hat, auch wenn ich geneigt bin, ihm zu glauben. So wie es aussieht, werden die Genannten, die die Fürsprache dieses Heiss übernommen haben, auf ›nicht schuldig‹ plädieren. Wenn alles so war, wie der Schmied behauptet, hatte er in der Tat das Recht, sich gebührend zu verteidigen.«

      Von Panhalm nickte mit finsterer Miene. Er hatte in der Tat keine andere Wahl, als sich den Gegebenheiten zu beugen, wenngleich sein Instinkt ihm sagte, dass Peter Seimer die Wahrheit gesprochen hatte.

      Ihm blieb nur

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