Tochter der Inquisition. Peter Orontes

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Tochter der Inquisition - Peter Orontes

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Seimer gesagt hat. Wie steht Ihr dazu?«, fragte er, im Innern davon überzeugt, dass sich diese Frage eigentlich erübrigte.

      Jobst trat vor den Richter. Er wusste nicht, was er sagen sollte. Völlig entgeistert war er zunächst den Ausführungen des Peter Seimer gefolgt. Er konnte einfach nicht glauben, was er da gehört hatte. Dann aber wurde ihm warm ums Herz. Offensichtlich hatten sich einige seiner Freunde mächtig ins Zeug gelegt, um ihn hier herauszuhauen. Er zermarterte sich das Hirn, wer sich da so für ihn eingesetzt haben mochte, doch er kam zu keinem Ergebnis. Aber letztendlich war das auch gleichgültig. Wichtiger war – das hatte er sofort begriffen –, dass die Aussagen Seimers keinerlei Bedeutung mehr besaßen. Ohne Kopf und Kragen zu riskieren, konnte er diesmal sogar auf die Fragen des Richters wahrheitsgemäß antworten. Denn was die Erpressung anging, von der Seimer berichtet hatte, wusste er schließlich wirklich nichts. Über das ganze Gesicht grinsend, aber immer noch sprachlos ob der für ihn unerwartet günstigen Entwicklung, stand Jobst Heiss vor seinem Richter.

      »Ich habe Euch gefragt, wie Ihr zu der Aussage des Zeugen Seimer steht. Wollt Ihr Euch also endlich bequemen zu antworten?«, hakte der Panhalmer ärgerlich nach.

      »Verzeiht, Ehrwürdiger Herr Stadtrichter«, antwortete Jobst mit triumphierendem Grinsen, »aber Ihr seht mich völlig überrascht. Mir fehlen die Worte. Doch Ihr habt es vorhin selbst schon gesagt: Wie hätte ich den Seimer erpressen können – ich saß ja die ganze Zeit über im Loch. Und was meine Freunde angeht: Welche Beweise gibt es für ihre angebliche Schuld? Wer könnte mit Recht irgendwelche Namen nennen? Mit Verlaub, Euer Gnaden: Peter Seimer lügt. Er hat von Anfang an gelogen; jetzt wird ihm die Sache zu heiß und er zieht den Schwanz ein. Dabei versucht er, die erste Lüge mit einer zweiten zu vertuschen.«

      Jobst hatte Oberwasser bekommen, hämisch grinsend sah er zu Peter Seimer hinüber. In der Menge begann es wieder zu rumoren. Eine hitzige Diskussion hatte eingesetzt. Einige hielten es mit dem Zeugen, andere, und das waren nicht wenige, mit dem Angeklagten.

      Zum wiederholten Male sauste der Hammer des Stadtrichters auf den Tisch.

      »Ruhe!«, rief er. »R-u-h-e-!«

      Er wandte sich an den Bannrichter und flüsterte ihm etwas zu. Gleich darauf steckten sämtliche Beisitzer die Köpfe zusammen und es folgte ein ausführliches, leise geführtes Gespräch zwischen den beiden Richtern und den Vertretern des Rates, dann erhob sich von Panhalm.

      »Hiermit ergeht folgendes Urteil«, verkündete er. »Jobst Heiss wird vom Vorwurf des vorsätzlichen Mordes aufgrund ungültiger beziehungsweise fehlender Zeugenaussagen freigesprochen. Das Gericht muss ihm das Recht zur Notwehr zubilligen. Für den Tatbestand der gefährlichen Schlä­gerei jedoch verhänge ich über Jobst Heiss eine fünftägige verschärfte Kerkerhaft bei Wasser und Brot und verurteile ihn zum Tragen des Spotthutes für einen Tag. Darüber hinaus hat er dem Wirt Jakob Rabener den ihm zugefügten Schaden voll zu ersetzen. Das Urteil ist sofort durch den Züchtiger zu vollstrecken. Was den Zeugen Peter Seimer angeht: Er ist aus dem Verfahren entlassen. Auf seine Vereidigung wird verzichtet. Desgleichen erübrigt sich auch die Vernehmung der anderen Zeugen sowie das Plädoyer der vom Gericht bestimmten Genannten. Die Verhandlung ist damit beendet!«

      Zum letzten Mal an diesem Tag ließ der Stadtrichter den Hammer herniederfahren.

      Die beiden Büttel, die für den Angeklagten zuständig waren, packten diesen rechts und links am Arm und führten ihn ab. Jobst grinste und winkte mit den gefesselten Händen ins Publikum. Für viele war er der Held des Tages.

      »Gut gemacht, Jobst!«, schrie ein kleiner, buckliger Alter mit einem lahmen Bein.

      »Ja, dem Seimer hast du’s ordentlich besorgt!«, brüllte ein anderer. »Wenn du wieder draußen bist, saufen wir dem Rabenwirt den Keller leer!«, grölte ein Bärtiger namens Hans Rotter; er und Heiss waren besonders gute Freunde.

      So wurde Jobst Heiss unter dem Beifall seiner obskuren Kameraden in das Stadtverlies geführt.

      Einige von denen, die es mit Peter Seimer hielten, gingen auf ihn zu, klopften ihm auf die Schulter und gaben ihm ein paar gut gemeinte Worte. Doch Peter sah zu, dass er den Marktplatz so schnell wie möglich verließ. Ihm war nicht nur ein Stein, sondern ein ganzes Gebirge vom Herzen gefallen. Mochte er auch in den Augen einiger eine zweifelhafte Vorstellung als Zeuge abgeliefert haben, ihm selbst war dies gleichgültig. Hauptsache, er war um den Eid herumgekommen, ohne sich in aller Öffentlichkeit zu seinem Glauben bekennen zu müssen. Für ihn zählte nur eines: Dem Herrn hatte es gefallen, seinen Diener aus der Gefahr zu befreien. Vielleicht hatte sogar er für jene Maskierten gesorgt, die ihn erpresst hatten? Man konnte es nicht wissen. Die Wege des Herrn waren schließlich rätselhaft, wer vermochte sie schon zu kennen?

      Das hohe Gericht hatte sich erhoben und verließ die Gerichtslaube.

      Einige aus der Menge begannen ebenfalls zu gehen, während andere noch blieben. Man stand in Grüppchen beisammen und unterhielt sich über den Verlauf der Verhandlung, wobei die vermeintlich interessantesten Szenen und Aussagen wieder und wieder hervorgezerrt wurden, um sie genüsslich auf den tratschenden Zungen zergehen zu lassen.

      Was für Jobst Heiss und Peter Seimer eine todernste Angelegenheit hätte werden können, empfanden die meisten der Zuschauer im Nachhinein lediglich als unterhaltsames Spektakel, an dem man sich ergötzt und das einem angenehme Schauer über den Rücken gejagt hatte.

      Doch dies sahen nicht alle so.

      Einige der Angehörigen der verschworenen Gemeinschaft der Armen Christi waren ebenfalls unter der Menge gewesen. Für sie, die wie Peter Seimer ihre religiösen Überzeugungen geheim halten mussten, war der Ablauf der Verhandlung vor dem Stadtrichter alles andere als ein vergnügliches Possenstück gewesen. Vielmehr eine erneute Bestätigung dafür, dass sie in einer Welt lebten, die vom römischen Antichristen und damit vom Teufel beherrscht wurde. Einer Welt, in der sie, die wahren Diener des Herrn, sich vorsichtig wie Tauben und listig wie Schlangen erweisen mussten.

      Natürlich waren sie heilfroh, dass sich Peter Seimer nicht gezwungen sah, öffentlich zu bekennen, wer er war. Insofern musste man dem Herrn für seine Güte danken. Doch der Prozess hatte ihnen einmal mehr vor Augen geführt, in welcher Gefahr sie schwebten. Vor allem jetzt, da, wie man gerüchteweise hörte, wieder einmal die Heilige Inquisition im Begriff stand, ihre Klauen auszufahren.

      Und so schwieg man lieber und ging still nach Hause, als sich an der öffentlichen Diskussion auf dem Marktplatz zu beteiligen.

      Auch Heiner Mohr, der mit seiner Familie in Ternberg lebte und als guter Freund Peter Seimers galt, war gerade dabei aufzubrechen, als er von seinem Nachbarn Johann Rieser angesprochen wurde.

      »Gott zum Gruß, Heiner. Willst du etwa schon gehen? Jetzt, wo’s so richtig gemütlich wird? Ich treff’ mich mit den Praitenbergers in der Goldenen Gans. Willst du nich mitkommen?«

      »Nein, Johann. Danke für das Angebot. Vielleicht ein andermal. Ich muss heim; die Familie wartet«, beschied Heiner Mohr seinem Nachbarn und zwang sich zu einem unverbindlichen Lächeln. Sie mochten einander nicht, auch wenn sie notwendigerweise des Öfteren miteinander sprachen. In den Augen Heiner Mohrs war Rieser ein vulgärer Grobian, der beim kleinsten Missgeschick die Selbstbeherrschung verlor, fluchte, was das Zeug hielt, und weder mit seiner Familie noch mit seinen Nachbarn in Frieden leben konnte; kurz: ein Mensch, dessen Gesellschaft man besser mied. Rieser wusste, was Mohr von ihm hielt, und konnte ihn seinerseits nicht leiden. »Scheiß­heiliger«, »Betmemme«, »Pfaffenliebling« waren die gängi­gen Begriffe, mit denen er ihn titulierte, wenn er mit anderen über ihn sprach; Bezeichnungen, in denen sich gleichermaßen Hass und Spott spiegelten. Denn so sehr Rieser Mohr seines überaus sittsamen Lebenswandels und seiner tiefen

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