Das Salz der Friesen. Andreas Scheepker

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Das Salz der Friesen - Andreas Scheepker

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Waffe ist etwas aus der Mode gekommen in den letzten Jahren.«

      »Es geht hier nicht um Mode, sondern um Mord, lieber Herr Ulfert!«, gab Evert Bruns zurück.

      Ulfert Fockena hörte schon gar nicht mehr hin und sah sich um. Er ging an der Stelle auf das Unterholz zu, wo er den Standort des Schützen vermutete. Der große, schwergewichtige Mann schritt leichtfüßig um die Bienenkörbe herum in das Gebüsch.

      »Kommt hierher, aber vorsichtig, tretet nicht alles platt«, forderte er die anderen auf. Bruns gab seinen Männern mit umständlichen Handbewegungen zu verstehen, dass sie bleiben sollten, wo sie waren, und dass er den Fundort der Leiche allein besichtigen wollte.

      Meta Hallenga dachte gar nicht daran, diese Anweisung auf sich zu beziehen, und schob Bruns beiseite. Noch ehe er sie zurechtweisen konnte, packte sie ihn am Arm: »Na los, Bruns! Wollt Ihr hier Wurzeln schlagen?« Vorsichtig ging sie zu der Stelle, wo Ulfert Fockena kniete.

      »Und was soll hier sein?«, fragte Evert Bruns enttäuscht, als er nur Büsche und Gras vorfand.

      »Hier ist gleich gar nichts mehr, wenn Ihr so weitertrampelt«, antwortete Fockena gereizt. »Von hier ist der Schuss auf Schwester Frauke abgegeben worden. Dazu passt auch, wie sie auf dem Boden liegt. Ihr Mörder muss lange gewartet haben. Das Gras ist so platt gedrückt, dass er eine ganze Zeit gesessen haben muss. Man hat durch das Gebüsch einen ausgezeichneten Blick auf das Haus und den Stall. Er musste nur auf die Schwester warten. Vielleicht hatte er es direkt auf sie abgesehen und wusste, dass sie an diesem Ort anzutreffen war.«

      »Schwester Frauke hielt sich gern draußen auf«, bestätigte Meta Hallinga. »Seit sie zu uns zurückgekehrt war, brauchte sie immer Abstand zu uns anderen. Sie hatte ein besonders enges Verhältnis zu Schwester Idje, unserer Imkerin. Idje ist vor einem halben Jahr verstorben, und war immer so etwas wie eine Mutter für sie. Als Frauke zurückkam, hatte ich gehofft, dass ich Schwester Idje ein wenig für sie ersetzen könnte. Aber Frauke war so anders geworden in dieser kurzen Zeit …«

      »Das ist doch unwichtig, Frau Meta«, polterte Evert Bruns. »Langweilt uns doch nicht mit solchen Plaudereien. Es war sicher ein Dieb, der etwas holen wollte und den Frauke überrascht hat.«

      »Sie war so seltsam bedrückt. Da stimmte etwas nicht mit ihr«, wandte Meta Hallenga ein.

      »Geht, und lasst uns das machen. Das ist nichts für Frauen. Kümmert Euch um Eure anderen Lämmlein besser als um dieses!«, forderte Bruns sie auf.

      Meta Hallenga drehte sich zu ihm um und maß ihn von oben bis unten mit einem durchdringenden Blick, dass Bruns ein wenig mulmig wurde. Dann sagte sie leise und bestimmt: »Jeder gepökelte Schweinskopf hat mehr Verstand als Ihr, Amtmann Bruns. Nur Euer Benehmen ist noch schlechter als Euer Denkvermögen. Wie übel muss es um uns bestellt sein, wenn der Graf Leute wie Euch das Land führen lässt.«

      Evert Bruns stand mit offenem Mund vor ihr und glotzte sie an. Bevor er überhaupt daran denken konnte, ob und wie er darauf passend antworten wollte, fuhr die Vorsteherin fort: »Ich verstehe nichts vom Waffenhandwerk. Aber es wurde nicht der Mörder überrascht, sondern die arme Frauke. Der Mörder hat hier seelenruhig gesessen und gewartet. Ein überraschter Räuber schlägt vielleicht jemanden nieder oder geht mit dem Messer auf ihn los. Aber dieser Schuss wurde gezielt auf etwa zehn Schritte aus einem sicheren Versteck abgegeben.«

      »Da ist vielleicht was dran, also … wenn Ihr meint …«, wollte Bruns einlenken.

      »Ich meine gar nichts!« Meta Hallengas Stimme wurde lauter. »Als ich eintraf, war der Mörder noch da. Ich hörte es rascheln im Gebüsch. Und wenn ich ein Mann gewesen wäre, dann …« Sie hatte Tränen in den Augen und schluckte. »Ich werde jetzt zu den anderen gehen und sie trösten.«

      Mit erhobenem Haupt und kleinen, tippelnden Schritten ging sie davon. Ulfert Fockena sah ihr mit großen Augen hinterher.

      Kapitel 2

      Lübbert Rimberti seufzte behaglich. Allzu bequem war der Reisewagen nicht, aber draußen ritt sein Schreiber mit dem Packpferd und Rimbertis Reitpferd. Rimberti war froh, dass sein Sattel leer und der leere Platz im Reisewagen besetzt war.

      Bei der letzten Rast hatten sie im Gasthof zwei Reisende kennengelernt, Juristenkollegen von Dr. Lübbert Rimberti, und sie hatten ihn und seinen Schreiber freundlich eingeladen, mit ihnen zu reisen. Der Schreiber hatte sich gern bereit erklärt, mit den Pferden vor der Kutsche herzureiten. Schon beim Essen hatte der unaufhörliche Redefluss der beiden ihn sichtlich erschöpft. Aber für Rimberti war das Angebot, eine Wegstrecke zurücklegen zu können, ohne reiten zu müssen, überaus verlockend gewesen.

      Nach dem reichlichen Mittagsmahl waren die beiden eingeschlafen, und Rimberti hatte Zeit, seinen Gedanken nachzugehen, bevor sie wach werden und ihre endlosen Diskussionen fortsetzen würden.

      Schon morgen würde er alte Freunde wiedersehen, und er würde Graf Enno gegenübertreten müssen. Immerhin hatte Graf Enno von Ostfriesland selbst den Kaiser um Rimbertis Vermittlung in einem heiklen Rechtsstreit gebeten.

      Rimberti betrachtete seine beiden Mitreisenden. Magister Gisbert van Woerden war Syndikus einer niederländischen Hafenstadt, und Dr. Nicolas Haykema war Notar. Sie waren unterwegs nach Bremen und machten einen Umweg über Ostfriesland.

      Beiden sah man an Kleidung und Erscheinung an, dass sie wohlhabend waren. Beide waren von kräftiger Statur, aber nicht korpulent. Van Woerden hatte nur noch einen spärlichen Haarkranz auf dem Kopf, dafür schmückte ihn ein dichter, kurz geschnittener weißer Vollbart. Rimberti schätzte ihn auf etwa sechzig Jahre. Seine blauen Augen schauten immer etwas belustigt umher, und er sprach mit einer hellen Stimme, die gar nicht zu einem Mann seiner Statur passen wollte. Haykema war etwas kleiner und mochte ein wenig älter sein. Er hatte volles graues Haar. Er sprach, wenn er die Stimme erhob, immer etwas durch die Nase.

      Lübbert Rimberti hing seinen Gedanken nach, Gedanken an die Ereignisse vor einem Jahr, Gedanken an neue Freunde, die er damals kennengelernt hatte und hoffentlich in den nächsten Tagen wiedersehen würde.

      Haykemas nasale Rede holte ihn aus den Gedanken. Offenbar waren die beiden Reisegefährten in der Zwischenzeit aufgewacht und hatten nach ihrem Nickerchen das Gespräch genau an dem Punkt fortgesetzt, an dem sie vorher eingeschlummert waren.

      »Ihr vertretet da eine absurde Theologie, mein lieber van Woerden. Ihr könnt doch nicht so ein kleines Wörtchen, das in vielen Sprachen nur drei Buchstaben hat, im Lateinischen sogar nur zwei – also so ein Wörtchen könnt Ihr doch nicht zum Angelpunkt Eurer Theologie machen.«

      »Und doch steht es schon im ersten Satz der Bibel und ist nach dem Himmel das zweite, was der Allmächtige geschaffen hat«, versetzte van Woerden mit seiner hellen Stimme.

      »Die Erde«, warf Rimberti ein, der nicht genau wusste, worum es in diesem Gespräch ging, sich aber aus Höflichkeit beteiligen wollte.

      Haykema grunzte bestätigend, aber van Woerden schüttelte den Kopf, wobei er bei jeder Bewegung des Kopfes ein hohes Räuspern vernehmen ließ. »Nein, nein, nein! Hört doch, was da steht: ›In principio creavit Deus caelum et terrem– im Anfang schuf Gott Himmel und Erde‹. Drei Dinge hat er geschaffen: den Himmel, die Erde und die Verbindung zwischen beiden. Das und. Der Schöpfer hat mit seinen Werken diese Werke zugleich in eine Beziehung zueinander gesetzt.«

      Rimberti war verwundert über diese eigenartige Gedankenführung. »Ihr behauptet, das Wörtlein ›und‹ sei ein eigenes Werk des Schöpfers? Ihr wisst doch, dass das Wörtlein ›und‹ im Hebräischen

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