Das Salz der Friesen. Andreas Scheepker

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Das Salz der Friesen - Andreas Scheepker страница 6

Das Salz der Friesen - Andreas Scheepker

Скачать книгу

stand: Ulfert Fockena. Er und Rimberti hatten im letzten Jahr Freundschaft geschlossen, als sie im Auftrag Graf Ennos den Tod eines Mönches aufklären und einen Klosterschatz wiederbeschaffen mussten. Fockena war Häuptling einer kleinen Herrlichkeit in der Nähe von Aurich und hatte Ennos Vater, Graf Edzard, viele Jahre als Offizier und Berater gedient. Aus Verbundenheit zu Edzard stand Fockena auch dessen Sohn Enno hin und wieder zur Seite.

      Rimberti deutete Fockenas für den Grafen nicht sichtbare Handbewegung als Zeichen, die Wiedersehensfreude nicht allzu deutlich zum Ausdruck zu bringen.

      »Ihr wundert Euch vielleicht, verehrter Herr Doktor Rimberti, dass ich Euch noch einmal rufen lasse«, begann Enno mit gespielter Herablassung.

      »Euer Diener hat mir nicht gesagt, wer mich erwartet. Er war überaus diskret«, antwortete Rimberti. »Aber ich nehme an, es geht um den Tod dieses Kaufmanns.«

      Ulfert Fockena grinste und zwinkerte Rimberti zu, während Graf Enno sichtlich erschrocken war, dass man ihn so leicht durchschaute.

      »Nun ja, Ihr habt mir während Eures letzten Aufenthaltes bei der Aufklärung eines rätselhaften Todesfalles geholfen«, setzte Graf Enno wieder an.

      »Und er hat Euch den Klosterschatz aus Bendiktshusen zurückgeholt«, unterbrach ihn Fockena mit dröhnender Stimme. Enno drehte sich verärgert zu ihm um.

      Rimberti antwortete: »Der Tod des Kaufmanns hat Euch beunruhigt.«

      »Jakob Sanders war nicht irgendein Kaufmann. Er genoss in besonderer Weise mein Vertrauen und meine Wertschätzung. Er hat als Delegierter eine Reihe recht vorteilhafter Handelsabkommen für uns abgeschlossen. Er war ein wichtiger Kontaktmann zu den Hansestädten und in den Niederlanden. Seine Schiffe fahren sogar in die Ostsee.«

      Rimberti hatte das Gefühl, dass in dieser Aufzählung etwas fehlte, das Ulfert Fockena später gewiss ergänzen würde.

      »Ich wäre Euch nicht undankbar«, fuhr Graf Enno fort, »wenn Ihr während Eures Auftrages in Ostfriesland, der sich sicherlich nicht nur in meinem Anliegen erschöpfen wird, sondern gewiss auch Angelegenheiten Eures Landesherrn zum Inhalt haben wird, etwas Licht in diese unerquickliche Angelegenheit bringen könntet.«

      Graf Enno wusste, dass Graf August von Kringenberg mehrere Höfe und andere Besitzungen in Ostfriesland zu eigen hatte. Lübbert Rimberti war als Beamter des Grafen für alle Verträge und juristischen Angelegenheiten dieser auswärtigen Besitztümer zuständig und hatte deshalb in größeren Abständen in Ostfriesland zu tun.

      Da Rimberti nicht sogleich reagierte, raunte ihm Enno zu: »Es wird gewiss nicht von Nachteil für Euch und für die Angelegenheiten des Grafen August sein.« Graf Enno wusste ebenfalls, dass Graf August von Kringenberg starkes Interesse daran hatte, Handelsschiffe unter seiner Flagge segeln zu lassen, aber über keinen Hafen verfügte. Rimbertis Landesherr war darauf angewiesen, dass Graf Enno ihm einen zur Verfügung stellte. Graf Enno bot also eine Art Geschäft an.

      Nun gut, dachte Lübbert Rimberti, das letzte Mal hatte Graf Enno Wort gehalten. Rechtsstreitigkeiten konnten im guten Sinne beigelegt werden, und mit einigen Kaufleuten aus der Grafschaft Kringenberg waren vorteilhafte Handelsverträge abgeschlossen worden.

      »Womit hat Sanders gehandelt?«, fragte er.

      »Mit allem«, antwortete der Graf eilig.

      Rimberti sah ihn an und antwortete nicht.

      Enno räusperte sich. »Seine Schiffe haben vor allem Wein, Honig und Obst hergebracht. Tuch und Waffen mitunter auch. Gehandelt hat er mit Korn, Butter, Fleisch und Fisch. Und Salz.«

      Der Graf hatte das letzte so betont beiläufig erwähnt, dass Rimberti hellhörig wurde.

      »Salz?«, fragte Lübbert Rimberti seinen Freund Ulfert Fockena, als sie nach dem Gespräch mit Graf Enno im Hinterzimmer eines Gasthofes drei Becher Wein und eine große Schüssel Fleischsuppe lang Erinnerungen ausgetauscht hatten. Jetzt waren sie beim vierten Becher Wein und einem gebackenen Huhn in der Gegenwart angekommen.

      »Salz«, bestätigte Fockena. »Jakob Sanders wurde in seinem Kontor ermordet. Jemand muss durch das Fenster einen Armbrustbolzen auf ihn geschossen haben. Da Sanders hinter seinem Tisch an der Wand saß, fiel er nicht zu Boden, sondern sackte tot in seinem Stuhl zusammen. Der Mörder hat eine gute Handvoll Salz über ihn gestreut.«

      »Das kann auch jemand anders gewesen sein.«

      »Vielleicht. Aber vor gut drei Wochen wurde in Oldekamp eine Nonne ermordet. Man hat den Fall nicht weiter untersucht und vermutet einen Einbruchsversuch in das Kloster. Auch sie wurde mit einem Bolzen der Armbrust getötet, und jemand hat die Tote mit Salz bestreut.«

      »Wer sollte in ein Kloster einbrechen?«, fragte Rimberti. »Graf Enno hat die Klöster und Kirchen doch gründlich ausgeplündert. Da gibt es nun wirklich nichts mehr zu holen.«

      »Und schon gar nicht im Klostervorwerk Oldekamp«, antwortete Ulfert Fockena und wischte mit einem Stück Brot die Schüssel aus. »Dort gibt es nur Bienen und ein bisschen Ackerland. Ein paar Kranke werden gepflegt, und ein paar Handschriften werden angefertigt. Kein lohnendes Ziel für einen Räuber. Wozu sollte auch jemand am helllichten Tag mit einer solchen Waffe dort einbrechen?«

      »Sehe ich das richtig, dass der Graf auch dich mit der Lösung des Falles beauftragt hat?«

      »Es gibt keinen Fall. Jakob Sanders war einer der reichsten Kaufmänner Ostfrieslands. Offiziell ist er bei einem …«

      »Er ist bei einem Einbruch getötet worden. Ja?«, unterbrach Lübbert Rimberti den Freund.

      »So ist es. Eggerik Beninga soll Erkundigungen einziehen, und wir sollen ihm dabei helfen«, bestätigte Fockena.

      »Dafür, dass es eigentlich kein Fall ist, betreibt Graf Enno ja einen ziemlichen Aufwand.«

      »Sanders war mit der Abwicklung der Kirchenschätze beauftragt. Er hat für Graf Enno einen Großteil der Wertgegenstände aus den Klöstern und Kirchengemeinden zu Geld gemacht.«

      Einen Moment schwiegen die Freunde und widmeten sich dem gebackenen Huhn. Im letzten Jahr hatte Graf Enno begonnen, unter dem Deckmantel des evangelischen Glaubens alle Schätze und Wertgegenstände aus Kirchen und Klöstern einzuziehen. Ganze Wagenladungen mit Kelchen, Leuchtern, kostbar eingefassten Büchern, Monstranzen, Messgewändern und anderen Wertsachen hatte er durch seine Leute beschlagnahmen lassen, die sogleich einen erheblichen Teil der Kirchenschätze als Aufwandsentschädigung für sich abgezweigt hatten.

      »Also: zuerst die Nonne oder den Kaufmann?«, fragte Rimberti.

      Ulfert Fockena grinste. »Zuerst den Kaufmann, der ist noch frisch.«

      Kapitel 5

      Rinelde Sanders blickte einen Moment auf, als Lübbert Rimberti und Ulfert Fockena in den Raum geführt wurden. Die Witwe des ermordeten Kaufmanns war eine große, schwere Frau mit teigigem Gesicht. Ihre Haare waren ganz unter der enganliegenden Haube verschwunden, was ihr Gesicht noch runder wirken ließ. Mit Herablassung hörte sie sich die Beileidsbekundungen der beiden an und beugte sich wieder über ihre Papiere.

      »Ich danke Euch für Euer Mitgefühl«, sagte sie tonlos und tauchte die Feder in die Tinte. »Mein Mann hatte natürlich keine Gelegenheit, uns ein bestelltes Haus zu hinterlassen. So ist es meine Aufgabe, alles zu ordnen. Ich wäre Euch

Скачать книгу