Der Sommer mit Josie. Sandy Lee

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Der Sommer mit Josie - Sandy Lee

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damit sie nicht umsonst kommt.«

      Solche Malheurs passierten, wenn exklusiv etwas bestellt wurde. Barbara sah das nicht tragisch. So, wie Frau Westphal, Caros Mutter, ließen viele Damen ihre Telefonnummer da, um per Anruf oder SMS benachrichtigt zu werden, falls es Probleme gab.

      »Sag mal, Babs, morgen beginnen doch die Schulferien?«

      Barbara blickte von den Lieferscheinen auf.

      »Ja, und?«

      Veronika schaute ihre Freundin vielsagend an.

      »Verreist ihr … Ich meine du und deine Kinder?«

      Barbara verneinte: »Ich glaube nicht. Jetzt, wo Hendrik nicht da ist.«

      »Gerade deshalb.«

      Barbara wurde etwas ungeduldig.

      »Du hast doch was vor, Vroni! Sag's schon!«

      »Mein Vater hat doch dieses Landhäuschen am Siedlersee. Hättest du nicht Lust?«

      »Du meinst, wir alle …«

      Veronika lächelte bübisch: »Klar! Es ist herrlich. Wir können schwimmen, ein Ruderboot ist auch da, und gar nicht weit weg gibt's einen Reiterhof.«

      Das Angebot schien verlockend. Barbara schwankte noch.

      Veronika drängelte: »Komm! Es ist himmlisch ruhig dort. Der ideale Ort zum Entspannen. Mal ein, zwei Wochen Natur pur.«

      ›Das klingt wie aus einem Reiseprospekt‹, dachte Barbara.

      »Und wann wäre das?«, fragte sie vorsichtig nach.

      »Gleich Anfang August steht das Haus leer. Also, was sagst du?«

      Barbara wusste, dass ihre Freundin keine Ruhe geben würde, bis sie sich entschied.

      »Also gut. Ich werd den Vorschlag zu Hause mal auf den Tisch packen. Mal sehen, was die Kinder sagen.«

      Veronika wollte gerade wieder nach vorn gehen, da eine Kundin das Geschäft betrat. Da rief ihr Barbara hinterher: »Ach übrigens – ich verschwinde heute mal um halb zwei Uhr. Ich muss noch fürs Wochenende einkaufen und will am Nachmittag zu Hause sein. Wegen der Zeugnisse.«

      2

      Es war erst kurz nach zwei Uhr, als Barbara, bepackt mit ihren Einkäufen, das Haus betrat. Sie stieg die Stufen zur Wohnung hinauf, setzte die Beutel ab und fischte den Schlüssel aus ihrer Tasche. Die Tür öffnete sich fast lautlos. Barbara nahm die schweren Beutel wieder auf und trat in den Flur. Mit einem kleinen Stoß des Ellenbogens klappte die Tür zu. – Bumm!

      Der Stoß war etwas zu heftig gewesen, so dass die Tür laut ins Schloss fiel. Für einen Moment glaubte Barbara, allein in der Wohnung zu sein. Ilsa trödelte wahrscheinlich mit Caro, wieder einmal, und Daniel …

      Die Tür des Bades öffnete sich. Daniel war also doch zu Hause. Aber was …

      Ein dumpfes Poltern, ein Klirren folgte. Barbara waren die Beutel aus der Hand gefallen. Die Milchflasche hatte den Aufprall nicht überlebt. Barbara stand für einen Augenblick wie erstarrt.

      War das Daniel, ihr Sohn? Ja, natürlich … aber andererseits war er es auch nicht. Er trug eines von Barbaras Sommerkleidern, das helle mit dem blauen Blütenmuster. Und er hatte Rundungen, wo kein Mann welche aufweisen kann, wenn er Daniels Statur besitzt. Die Haare waren offen, glatt fielen sie auf seine Schultern herab. Und da er seiner Mutter in diesem Moment genau ins Gesicht sah, bemerkte sie auch den Lidschatten und den Lippenstift.

      »Mama … lass dir erklären …«, setzte er an, um das Schweigen zu brechen.

      Barbara hatte sich aus ihrer Starre gelöst.

      »Stopp!«, brach sie seinen Satz ab. »Lass mir fünf Minuten Zeit!«

      Sie ging ins Wohnzimmer und hockte sich mit angezogenen Beinen auf einen der Sessel. Ihr Blick fiel auf die Schrankwand. In einem Fach stand ein Bilderrahmen. Ein Foto der Familie. Hendrik, sie, Ilsa und Daniel. Das Bild war vom letzten Sommer. Daniel …

      Draußen hörte sie, wie der Junge die Beutel aufhob und in die Küche trug. Dann verschwand er in seinem Zimmer – nicht, ohne einen Blick vom Flur durch die offene Wohnzimmertür zu werfen.

      Barbaras Gedanken wirbelten durcheinander. Sie glaubte, ihre Kinder gut zu kennen. Hatte sie etwas übersehen? Noch nie war ihr auch der Funke einer Idee gekommen, die zu dem eben Gesehenen passte.

      Sie schaute zum Fenster. Draußen schien die Sonne; bis eben war es ein herrlicher Tag gewesen. Plötzlich, von einer Minute zur anderen, fühlte sie sich …

      Barbara konnte nicht sagen, was sie genau fühlte. Ihr Sohn war da und war doch nicht da. Jedenfalls in ihrem Inneren.

      Vielleicht hatten Frauen nach dem Krieg so etwas Ähnliches gefühlt, wenn ihr Mann, ihr Sohn nicht nach Hause zurückgekehrt war. Sie wussten nicht, ob er lebte oder nicht, aber sie hofften, oft jahrelang, dass er eines Tages wieder durch die Tür kommen möge.

      So eine Ungewissheit hatte auch Barbara ergriffen. Sie hatte gesehen, was ist. Sie glaubte zu wissen, was war. Und sie hatte keine Ahnung, was sein wird.

      Natürlich hatte sie schon von den verschiedenen Spielarten gehört und auch gelesen, die Menschen ausleben. Aber wer denkt schon im tiefsten häuslichen Frieden an das eigene Kind …

      Die Gedanken begannen, sich zu entwirren. Barbara überlegte von vorn.

      Erstens, sagte sie sich, habe ich gerade meinen fünfzehnjährigen Sohn in meinem Kleid gesehen, geschminkt und – zugegeben – sehr fraulich.

      Zweitens gibt es dafür nur zwei Erklärungen. Wenn dieser Aufzug ernst gemeint war – und daran zweifelte sie keine Sekunde – dann ist mein Kind entweder Crossdresser oder Transgender.

      Drittens kann ich darüber nachgrübeln, mir das Ganze aber sparen und direkt mit ihm sprechen. Um das Gespräch würde Daniel sowieso nicht herumkommen. Es schien sogar sehr naheliegend, dass er es selbst suchen möchte. Schließlich hatte er vorhin versucht, zu erklären …

      Barbara erhob sich. Fakt ist, stellte sie fest, dass ich ihn nicht in die Enge treiben darf. Egal, was bei der Sache herauskommt, er ist mein Kind. Er ist mein Kind …

      Es dauerte noch fünf weitere Minuten, bis sich die Tür zu Daniels Zimmer öffnete.

      Barbara hatte inzwischen die Lebensmittel verstaut und die unbrauchbaren Reste entsorgt. Auf dem Tisch lag ein Zettel, der die Verluste auswies. Sie würde die Sachen nachkaufen … nicht jetzt … nicht heute.

      Daniel hatte sich umgezogen. Er trug wieder seine Jeans, ein weißes T-Shirt, und er hatte die Haare zusammengebunden.

      Langsam trat er in die Küche.

      »Mama …«

      Barbara riss sich zusammen. Sie durfte jetzt keine Abwehrhaltung aufbauen.

      »Warte

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