Was bleibt vom Mensch im Post-Humanismus?. Richard A. Huthmacher
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Ein kleiner, wenn auch durchaus wichtiger Teil des Puzzles zum Bau eines Trans-Humanen, eines Über-Menschen, ist die Kryonik (κρύος: Eis, Frost; stare: stehen, bleiben), also die Gefrier-Konservierung von Organen und Organismen.
Indes: Bis dato kann man gerade einmal Objekte bis 1 mm Kantenlänge (z. B. Eizellen, Spermien) problemlos einfrieren. Unklar ist auch, wie eine Reanimation der tiefgefrorenen Leichname erfolgen soll: Bei der Wiedererwärmung dürf(t)en keine gewebezerstörenden Eiskristalle entstehen, und die (bei Auftau-Temperatur hoch-toxischen) Kühlmittel dürf(t)en nur kurz auf die zu Re-animierenden einwirken (unbeachtlich dessen, was aus deren anima [Seele] zwischenzeitlich geworden). Schließlich kann man nicht außer Acht lassen, dass letztere (die mit und die ohne Seele) infolge des Alterungsprozesses oder, wahrscheinlicher, an einer Krankheit verstorben sind; insofern sollten, sinnvollerweise, auch die vormaligen Todesursachen zum Zeitpunkt des Auffrierens beherrschbar sein.
Offensichtlich hat die Kryonik (noch?) mehr Fragen als Antworten; ähnlich verhält es sich in vielen anderen Bereichen transhumanistischen Gedankenguts. Darum ist es vonnöten, die ethisch-moralischen Implikationen sog. trans- und posthumaner Bestrebungen zu diskutieren. Insbesondere deshalb, weil all das, was heutzutage schon an Eingriffen am je einzelnen Menschen möglich und bezüglich der gesamten Menschheit ebenso denk- wie machbar ist, mittlerweile derartige Dimensionen erreicht hat, dass unser aller Leben sich ebenso zum Besseren wenden wie in kaum vorstellbarem Chaos enden kann.
Zudem gilt festzuhalten: „In Wahrheit unterscheidet sich der Transhumanismus vom traditionellen Humanismus dadurch, dass er keinerlei Werte außer ... Fortschritt um des Fortschritts willen kennt. Nicht zufällig entstanden in der Renaissance hunderte von Abhandlungen über die Würde des Menschen. ´De dignitate homini´ war der Standardtitel einer ganzen Epoche. Doch nach der Würde des Menschen fragt kein Transhumanist mehr.“ Mithin: Der Transhumanismus verheißt dem Menschen das (z. B. Grenzenlosigkeit, Unsterblichkeit), was ihm, in concreto, dann seine Würde nimmt – durch die in-(nicht trans- oder post-)humanen Manipulationen, die er zum Erreichen solcher Ziele über sich ergehen lassen muss und die er anderen angedeihen lässt.
„Mit neuen Biotechnologien können Menschen nicht nur ihre Umwelt, sondern zunehmend auch sich selbst immer weitreichender und präziser nach eigenen Vorstellungen verändern. Verlängerungen der … Lebensspanne, psychopharmazeutische Stimmungsaufhellungen und kognitive Leistungssteigerungen, Technisierung des Gehirns bis hin zum Hinzufügen neuer Sinne werden möglich … Damit aber wird der – zeitliche und logische – Vorrang der biologisch-natürlichen vor der kulturellen Dimension der menschlichen Existenz zumindest teilweise umgekehrt: Ein kultureller Verständigungsprozess liefert wichtige Voraussetzungen für die biologisch-natürlichen Grundlagen der menschlichen Existenz.“
Der Transhumanismus-Gedanke ist, gleichwohl, keine Ausgeburt unserer Zeit, er ist schon in der Antike – z.B. in Ovids „Metamorphosen“ – und namentlich in der Literatur des 18./19. Jhd. (vornehmlich jener der Romantik) weit verbreitet, ist ebenso (als faustscher Homunculus) bei Goethe zu finden:
„Thales:
Gib nach dem löblichen Verlangen,
Von vorn die Schöpfung anzufangen!
Zu raschem Wirken sei bereit!
Da regst du dich nach ewigen Normen,
Durch tausend, abertausend Formen,
Und bis zum Menschen hast du Zeit“
(Faust. Der Tragödie zweiter Teil.
Erstdruck 1833. Kapitel 34)
wie bei Achim von Arnim:
„Diese Golems sind Figuren …
auf de[ren] Stirn das Wort Aemaeth, Wahrheit, geschrieben, wodurch sie lebendig werden und zu allen Geschäften zu gebrauchen wären, wenn sie nicht so schnell wüchsen, daß sie bald stärker als ihre Schöpfer sind. Solange man aber ihre Stirn erreichen kann, ist es leicht, sie zu töten, es braucht nur das Ae vor der Stirne ausgestrichen zu werden, so bleibt bloß das letztere Maeth stehen, welches Tod bezeichnet, und im Augenblicke fallen sie wie eine trockene Tonerde zusammen“
(Achim von Arnim [1812]: Isabella von Ägypten. Kapitel 1)
oder bei Annette von Droste-Hülshoff:
„… Der Golem wandelt mit bekanntem Schritte,
Er spricht, er lächelt mit bekanntem Hauch,
Allein, es ist kein Strahl in seinem Aug',
Es schlägt kein Herz in seines Busens Mitte ...“
(Annette von Droste-Hülshoff: Die Golems.
In: Letzte Gaben. Gedichte [1862])
Aperçu: Der werte Leser betrachte die Kalligrame (Carmina figurata) am Anfang des Buches (Titelei): Wer wohl ist Mensch, wer ein Cyborg?
Und auch vor den Gefahren menschlicher Hybris wird (schon lange) gewarnt – „allzu klug ist manchmal dumm“:
„Nicht noch einmal hat der Rabbi
Einen Golem sich geschnitzelt,
Jede Lust war ihm vergangen:
Allzu klug ist manchmal dumm“
(Detlev von Liliencron: Bunte Beute.
1. Auflage 1903. Der Golem).
„Was der Mensch als ´secundus deus´ Jahrtausende lang erträumte, nämlich wie Gott selber schöpferisch zu werden und Gottes Schöpfung zu verbessern, geriet im Zeitalter der Aufklärung in eine neue Phase der Verwirklichung. Descartes, der bereits den menschlichen Körper als eine Maschine auffaßte, legte die philosophische Grundlage zu einem Sieg der technischen ´Kunst über die Natur´ … Untersuchungen über die Affinität der technischen Gesellschaft zum Massenwahn und über die ´Selbstentfremdung´ sind heute an der Tagesordnung … Indem man den Mythos und die Religion überwand, die bereits Francis Bacon unter die ´idola teatri´ verwies, schuf man die Utopie. Bacons ´Neu-Atlantis´ verbindet bereits die technische mit der politischen Utopie … Dieser Entwurf entfaltete sich bis hin zu Marx, der mit Hilfe der weiter betriebenen Industrialisierung und Sozialisierung den Staat aufheben wollte, und hin bis zu Lenin, der die ´Elektrifizierung der Erde plus Sowjets´ anstrebte, oder bis hin zu Herbert Marcuse, der mit Hilfe der Technik das ´Reich der Freiheit´ [jenseits desjenigen der Notwendigkeit] verwirklichen möchte. Da derlei Utopien wiederum von einem anderen neuzeitlichen Mythos ausgehen, nämlich dem ´guten Menschen´ Rousseaus, der nur ´richtig erzogen´ werden müsse, klammern sie immer das erschreckende Moment aus, nämlich den durchaus auch von Natur aus keineswegs perfekt erziehbaren Menschen, der bis dato einen höchst triebhaften und völlig unrationalen Gebrauch von der Technik macht.“
Zur Eugenik gilt – die Ausführungen zuvor aufgreifend und ergänzend – festzuhalten: Im historischen Rückblick ist diese keinesfalls ein (allein) deutsches Phänomen; namentlich in Großbritannien, in den USA, in Kanada und Australien, aber auch in Japan war in der ersten Hälfte des 20.Jahrhunderts eugenisches Gedankengut weit verbreitet;