Nicolae: An der Quelle - Band 7. Aurelia L. Porter

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Nicolae: An der Quelle - Band 7 - Aurelia L. Porter Nicolae-Saga

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ihrer Schwester versteckt gehalten worden waren. Sollte etwa dieselbe Diele gemeint sein, in der ich nach achtzig Jahren ihr Tagebuch und das mir noch unbekannte Bündel Briefe gefunden habe? Hat sich die Szene zwischen den beiden Frauen womöglich genau hier, in dieser Bruchbude zugetragen?

      Und heißt die Kirche in diesem Ort nicht ebenfalls St. Mary’s? Davon ist in dem Tagebuch nämlich die Rede. Höchste Zeit, dass ich mir mal die Füße vertrete!

       Viel später

      So ist es.

      Ich habe einen Rundgang über den Friedhof gemacht und mir die Gräber angeschaut. Aber die Steine sind ziemlich verwittert, die Inschriften teilweise kaum zu lesen. Ich konnte jedenfalls keine Judith Williams darunter entdecken. Ein junger Vikar lief mir über den Weg. Er war so freundlich, mich einen Blick ins Innere der Kirche werfen zu lassen. Sie ist prachtvoll. Besonders der Altar. Stolz hat er mir von ihrer langen Historie erzählt. Ich konnte sein Englisch gut verstehen. Er fragte, ob ich hier Badeurlaub mache und woher ich komme. Ich bejahte, sagte ihm, dass ich aus Deutschland bin, und log, dass ich im Palace Hotel wohne.

      Ich weiß nicht, warum ich das tat. Ich hatte plötzlich das Gefühl, mich verbotenerweise im Cottage aufzuhalten. Als wäre es ein geweihter Ort. Oder als würden noch die Geister aus alten Tagen darin wohnen und ich diese in ihrem Frieden stören. Schließlich war das Tagebuch nicht für meine Augen bestimmt. Wie indiskret von mir!

      Anschließend trieb mich mein knurrender Magen hinunter zum Hafen. Dort fand ich eine Fish 'n' Chips Bude. Panierter Fisch mit Pommes in Zeitungspapier. Und dann kippen die Engländer auch noch Essig über das Ganze. Nun ja, ich muss zugeben, dass mir das fettige Zeug verdammt gut schmeckte. – Keine Kraftausdrücke! Entschuldige Mutti. – Auf jeden Fall dürfte es eine Weile vorhalten.

      Das Essen wird allmählich zum Problem. Hätte ich einen Kühlschrank, könnte ich mir Milch kaufen und mich von Cornflakes ernähren. Aber so etwas Modernes hat diese Hütte wahrscheinlich noch nie gesehen. Irgendwie sympathisch!

      Allmählich fange ich an, den alten Schuppen mit anderen Augen zu sehen. Das ging schnell.

       Abends

      Ich habe Judiths irische Großmutter Granny Bridget kennengelernt und Judiths Vater, den Vikar, sterben sehen. Er soll ihre Schwester getötet haben. Du lieber Himmel, was für eine Familie!

      Das Kerzenlicht flackert in einer Tour. Als ob Geister hier umherschleichen …

      Ich kann kaum noch die Augen offen halten und sollte mich besser schlafen legen. Nur noch ein paar Zeilen …

      Sie tut’s! Sie verlässt ihn!!!

      Nach drei Jahren Ehe und Selbstquälerei gesteht Judith sich endlich ihre wahre Liebe ein und reist zu ihm. GOTT SEI DANK. Nun kann ich endlich mein müdes Haupt beruhigt niederlegen.

       TAG 3

      Letzte Nacht hatte ich seltsame Träume. Was mich wundert, denn ich hatte eigentlich den Eindruck, nicht ein Auge zugetan zu haben. Naja, es knackte überall und der Wind pfiff durch die Fensterritzen. Ringsumher sind nichts als Wiesen, Felder und Weiden sowie ein Wäldchen. Wenn Mutti wüsste, dass ich hier so ganz abgeschieden hause und dann auch noch in einem fremden Land …

      Ich muss wahnsinnig sein! Wenn mir etwas passierte, könnte ich noch nicht einmal Hilfe holen. Das Cottage liegt total im Abseits. Um in den Ort zu gelangen, muss ich einen fünfzehnminütigen strammen Fußmarsch hinlegen. Tagsüber ist es hier richtig idyllisch, ich könnte splitterfasernackt sonnenbaden, wenn ich nicht so eine helle Haut hätte. Aber nachts …

      Vielleicht lag es auch nur an dem fettigen Fisch, der mir im Magen lag. Oder an meiner Bettlektüre, die mich so unruhig schlafen ließ.

      Judith scheint unverrichteter Dinge nach Hause zurückgekehrt zu sein, zu ihrem Edward. Ohne Erklärung. Zu meiner großen Enttäuschung klafft in ihrem Tagebuch eine Lücke von sage und schreibe fünf Jahren! Ich werde also niemals erfahren, was geschehen ist.

      Erst Ende 1890 erfolgt der nächste Eintrag. Nichte und Neffe samt dem Grafen weilen zu jener Zeit wieder in London, bzw. in Hampstead Heath, wo sie ein altes Herrenhaus im Tudor-Stil bewohnen.

      Judith spricht von Güte und Harmonie – von Liebe kein Wort!

      Wodurch sie wohl wieder zur Besinnung gekommen ist? Schade. Und doch trauert sie heimlich ihrer wahren Liebe nach.

      Ein paar Seiten weiter schildert sie etwas Unfassbares: Ein Attentat wurde auf die Familie verübt! Glücklicherweise konnten sich alle in Sicherheit bringen und in ihrem Heimatland untertauchen, wo auch immer das sein mag. Und als wäre das nicht schon schlimm genug – zumindest einen Tagebucheintrag wert! –, deckt Judith hinterher Ungeheuerliches am verlassenen Tatort auf, an dem nur ein kläglicher Rest an Dienerschaft zurückgeblieben ist. Die meisten sind vor Entsetzen geflohen. Es wird stellenweise derart abstrus, dass ich die Zeilen mehrfach lesen musste, weil ich dachte, sie missverstanden zu haben. Demnach gab es bei dem Überfall – Judith spricht von einem hinterlistigen Anschlag – zwei Tote: der alte Gärtner und ein Stallknecht. Diese hatten ihrer Herrschaft wohl zu Hilfe eilen wollen. So ganz habe ich die Zusammenhänge jedoch nicht begriffen. Es las sich so, als ob das jüngste Kind der Familie entführt werden sollte. Der geschockte Gärtnersohn, der seinen Vater hat sterben sehen, spricht Judith gegenüber von Reitern mit Fackeln und Schwertern, wildem Gemetzel und einem Wald von Gepfählten. – Na, er wird wohl zu viele Horrorfilme im Kino gesehen haben. Obwohl es damals so etwas doch noch gar nicht gab, oder?

      Judith war jedenfalls unerschrocken genug, den Ort des Grauens in Augenschein zu nehmen. Wie nicht anders erwartet, konnte sie nichts entdecken – keinen einzigen Pfahl, keine einzige Leiche. In seiner Panik hatte sich der arme Junge das wohl nur eingebildet.

      Ich meine … Gepfählte, also bitte! Ich weiß nicht, ob Bram Stoker seinen „Dracula“ zu dem Zeitpunkt bereits veröffentlicht hatte, ich glaube eher nicht. Ansonsten hätte ich vermutet, dass dem Jungen nach einer solchen Lektüre die Fantasie durchgegangen ist. Wahrscheinlich fehlte ihm eine Mutter wie die meine, die ihn ständig ermahnt, zur Abwechslung mal etwas Anständiges zu lesen.

      Was das denn bitte schön sei?, habe ich Mutti unlängst gefragt.

      Na, so was wie „Der Schimmelreiter“ von Theodor Storm oder „Der Mann im Strom“ von Siegfried Lenz.

      Nur weil sie im Bertelsmann-Lesering ist! Komisch, ich habe sie noch nie mit der angepriesenen Lektüre vor der Nase angetroffen, die zieren lediglich unser Bücherregal. Umso häufiger blättert sie in Illustrierten, wenn es wieder irgendwelche Skandalgeschichten um Liz Taylor gibt oder Sophia Loren auf dem Titelblatt prangt. Die Hören und Sehen gehört ohnehin zu ihrer Lieblingslektüre, sobald Nadja Tiller in ihrem Nerz oder Lieselotte Pulver mit ihrem Bubikopf vom Titelblatt lächelt. Dabei haben wir nicht einmal einen Fernseher! Zum Fernsehen gehen wir immer zu ihrer Freundin rüber, die im Nebenhaus wohnt. Deren Mann hat oft Nachtdienst, dann dürfen wir seinen Platz einnehmen.

      Aber jetzt bin ich völlig vom Thema abgekommen.

      Jedenfalls kamen Judith nach dem geschilderten Horrorszenario verstörende Bilder in den Sinn, als hätte sie etwas Derartiges schon einmal mit eigenen Augen gesehen – in einem Traum, in einer Vision, auf einer Reise? Auf jeden Fall in einem Wald. Deshalb war sie geneigt, dem Jungen zu glauben.

      Erst ein halbes Jahr später folgt der nächste Tagebucheintrag. Von einer Miss Farrell ist dort die

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