Nicolae: An der Quelle - Band 7. Aurelia L. Porter

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Nicolae: An der Quelle - Band 7 - Aurelia L. Porter Nicolae-Saga

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hätte nicht übel Lust, mich auf die Suche zu machen. Ob ich besagte Eiche wohl finde?

       Irgendwann zwischen spätem Nachmittag und frühem Abend

      Es bringt keinen Spaß, bei Regen im Wald herumzuspazieren und Bäume zu suchen, darum hatte ich mich dazu entschieden, lieber in den Ort zu radeln, um in einer Teestube eine Kleinigkeit zu essen. Meine Regenjacke klebte eklig auf der feuchten Haut, ich kam völlig verschwitzt dort an.

      Die Promenade war wie ausgestorben. Wo sind die Badegäste nur alle hin? Wahrscheinlich sitzen sie in ihren Hotels und Pensionen und spielen Scrabble oder Memory. Das haben Mutti und ich damals auch getan, als wir für eine Woche nach Büsum an die Nordsee gefahren sind. Ich fand’s stinklangweilig, den ganzen Tag in einem dämlichen Strandkorb rumzusitzen und ab und zu durch Matsch zu waten … Schlick, hat Mutti mich korrigiert. Es soll sehr gesund sein, barfuß durch Schlick zu laufen! Und sich die große Zehe an einer scharfkantigen Muschelschale kaputt zu schneiden, habe ich gedanklich hinzugefügt. Das Beste an dem Urlaub – unser bisher einziger! – waren die Krabben auf Schwarzbrot. Die haben wir unten im Hafen fangfrisch vom Kutter gekauft und selbst gepult. Wie die Finger hinterher stanken! Die halbe Woche war Land unter. Wir saßen den ganzen Tag in unserem kärglichen Zimmerchen der Frühstückspension und haben gescrabbelt, was das Zeug hielt. Gut, dass wir überhaupt Spiele mitgenommen hatten, ich wäre sonst umgekommen vor Langeweile! Ich glaube, ich war damals die einzige Dreizehnjährige dort weit und breit.

      Während ich vorhin in dem völlig überfüllten Tea-Room lustlos ein labberiges Sandwich kaute – mein Gott, wie ich unser Schwarzbrot vermisse! – und heißen Tee mit Milch dazu schlürfte, wurde mir bewusst, dass ich ab morgen wieder unter ständiger Aufsicht stehe. Dann hat das Lotterleben ein Ende.

      Ich versuche mir Tante Nelly vorzustellen. Von der Stimme her klang sie jünger als Mutti. Ich bin sehr gespannt auf ihre Story!

      Auf dem Rückweg, ich wollte gerade meinen Drahtesel besteigen, hielt ein Auto neben mir. Der Fahrer kurbelte die völlig beschlagene Scheibe runter, weswegen ich ihn erst dann erkannte. Natürlich, der Lackaffe! Heute aber mit langer Hose – naja, bei dem Wetter. Ob er mich ein Stück mitnehmen könne?

      Wie käme ich wohl dazu, zu einem Fremden ins Auto zu steigen? Was bildete er sich denn ein? – Und mein Fahrrad? Das könne ich doch nicht so einfach hier stehen lassen.

      Und wie ich das konnte! Zack, saß ich in einem roten mit schwarzen Ledersitzen ausgestatteten Sportwagen, ein Austin Healey 3000, wie ich erfuhr. Er trug Autofahrerhandschuhe aus feinstem Wildleder, beige. Sie saßen wie angegossen. Sein bestimmt teures Eau de Toilette mischte sich mit der Feuchtigkeit, die von meinen nassen Klamotten aufstieg. Mit einem Tuch musste er die sich immer wieder beschlagende Windschutzscheibe frei wischen. Es machte kaum einen Unterschied, der Ausblick blieb grau in grau. Mir war es peinlich, dass ich Sitz und Fußraum dieser Nobelkarosse nass machte, aber er lachte nur darüber, als hätte er mir meine Gedanken von der Stirn abgelesen. Never mind! Sein Garagist würde sich nachher darum kümmern.

      Ich kann immer noch nicht fassen, dass ich genau das getan habe, wovor mich Mutti stets gewarnt hat. Wie konnte ich nur?

      Mir wurde ziemlich ungemütlich zumute mit ihm allein auf so engem Raum. Er spürte es und verwickelte mich in ein Gespräch. Meine Anspannung wollte jedoch nicht weichen und ich blieb einsilbig. Mit dem Auto sind es ja nur wenige Minuten bis zum Cottage, versicherte ich mir selbst. Und wenn er mich an der Straße absetzt, kann er nicht sehen, wo ich wohne. Er soll keinesfalls mitkriegen, dass ich hier ganz allein hause! Wenn ich heil ankäme, so schwor ich mir, würde ich so etwas nie wieder tun. Einfach zu einem völlig Unbekannten ins Auto zu steigen, also wirklich! Do you like a fruit drop? Erschrocken sah ich auf die dargebotene Dose, die er mir mit einem liebenswürdigen Lächeln hinhielt. Tja, kleine Mädchen lockt man eben mit Bonbons! Dankend lehnte ich ab und bemerkte, dass ich immer mehr zu frösteln begann. Außer einer Tasse Tee hatte ich ja wieder nichts Warmes in den Magen bekommen. Doch mehr kann ich mir beim besten Willen nicht leisten, mein Geld ist fast aufgebraucht. Ich hätte mir den Sonnenhut nicht kaufen dürfen, der bei dieser Wetterlage nun völlig überflüssig geworden ist. Abgesehen davon hätte ich mich ohnehin nicht allein in ein richtiges Restaurant getraut.

      Das eintönige Hin und Her der Scheibenwischer sowie das unaufhörliche Plattern des Regens aufs Verdeck ließen meine Lider immer schwerer werden, kaum dass ich Lackäffchens Worten noch folgen konnte, der locker daherplapperte, um mir die Scheu zu nehmen. Einlullen nennt man das. Und leider gelang es ihm. Mein Schlafmangel rächte sich zum ungünstigsten Zeitpunkt. Would you fancy a nice cup of coffee? I can’t do without one in the afternoon, though it isn’t very British. Irgendetwas ließ mich vermuten, dass er nicht aus England stammt, obwohl er das reinste Oxford English spricht, mit leichter Betonung der Vokale, wie es hier im Süden des Landes üblich zu sein scheint. Ich höre sie gern, diese akkurate Sprechweise, die nicht einen einzigen Konsonanten am Ende verschluckt. Nicht so wie die Franzmänner, die in ihrer Kehle drei Buchstaben zu einem einzigen Laut vermengen und als undefinierbaren Klumpen wieder ausspucken. Die hiesige Sprachmelodie weist eine deutlich umfangreichere Tonleiter auf als die unsere. Wie monoton, abgehackt und hart im Vergleich dazu das Deutsche doch klingt.

      All das ging mir durch den müden Kopf, während er weitersprach und ein vages Lächeln seine Lippen umspielte. Mein Blick wurde dabei immer wieder von seinem Grübchen am Kinn angezogen. Ich kann kaum fassen, dass ich so etwas überhaupt bemerke, und dann auch noch wiederholt notiere! Erst seine hochgezogene Augenbraue machte mir bewusst, dass ich ihm noch keine Antwort auf seine Einladung zum Kaffee gegeben hatte. I am so sorry but … stotterte ich und hatte vor, abermals mein imaginäres Tantchen vorzuschieben. Yes, please. It would be lovely! – Hatte ich das wirklich gerade geantwortet? Ich muss völlig verrückt geworden sein!

      Dieser Lackaffe verwirrt mich, oder wieso habe ich jedes Mal etwas anderes getan und gesagt als beabsichtigt? Als Entschuldigung kann ich nur meine Müdigkeit vorschützen. Wieso aber habe ich dann so nebensächliche Dinge wahrgenommen wie seine Schuhe? Echte Dandy-Schuhe, zweifarbig, braunweiß, mit Lochmuster im Übergang – und diesmal tatsächlich aus Lack! Ich starrte auf sie, als er mir mit aufgespanntem Regenschirm die Wagentür aufhielt und mir beim Aussteigen behilflich war. Wie schaffte er es nur bei diesem Mistwetter, die Hosenbeine seines hellen Sommeranzugs frei von jeglichen Dreckspritzern zu halten?

      Wir waren bei einem französischen Café angekommen. Es lag ein ganzes Stück außerhalb des Ortes, eingebettet in einem lauschigen, von Hortensien umsäumten Garten, in dem es von den Blättern nur so tropfte. Die Front war verglast, sodass wir den herrlichen Blick auf die blühenden Beete nicht zu entbehren brauchten. Der Garçon brachte für ihn einen café noir und für mich einen café au lait, dazu frisch gebackene Madeleines. Allein der Duft war überwältigend. Richtiger Kaffee mit noch warmem Gebäck! Mein Dandy spricht übrigens perfektes Französisch – auch das noch! Es sei vermutlich nicht gerade das, was dem Fräulein aus Germany vorschwebe, wenn es das Vereinigte Königreich besuche, aber die Nähe zu Frankreich könne man nun einmal nicht leugnen. Immerhin befänden wir uns hier an der fast engsten Stelle zum Kontinent. Er plauderte ungezwungen und charmant. Er liebe diese kleinen versteckten Oasen. Die Ferienausflügler führen hier so gut wie nie hin. Sie seien zufrieden mit dem Strand und der Promenade, den Spielhallen und Vergnügungspavillons. Er aber liebe das Abgeschiedene und Ursprüngliche. Es seien übrigens echte Franzosen, die das kleine Café hier betrieben, wahrscheinlich die Nachkommen irgendwelcher Schmuggler oder Piraten, ergänzte er augenzwinkernd, während ich mir ungeniert das französische Gebäck einverleibte.

      Ich muss auf ihn wohl einen ziemlich ausgehungerten Eindruck gemacht haben. Ob die Frau Tante nicht gut für mich sorge?

      Doch, doch, versicherte ich ihm, sie könne nur nicht mehr so lange am Herd stehen, darum schicke sie mich hin und wieder zum Essen holen in den Ort. Vielleicht auch, um ungestört

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