Nicolae: An der Quelle - Band 7. Aurelia L. Porter
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Schon zappelte ich im Netz. Und nun? Wie sollte ich mich da wieder hinauswinden? Wie konnte ich jetzt noch Nein sagen? Schlimmer: Wie sollte ich ihm meine nicht anwesende Tante erklären und meinen Wohnort geheim halten? Ich errötete unter seinem Blick. Er sah zwar nicht aus wie ein Massenmörder oder Mädchenentführer, aber was heißt das schon? Er blieb ein Fremder, selbst wenn ich nun seinen Namen kannte.
Es tue ihm furchtbar leid, füllte er zerknirscht die Stille zwischen uns und legte mir betroffen seine Hand auf den Unterarm, es habe nicht in seiner Absicht gestanden, mich derart in Verlegenheit zu bringen. Er bitte aufrichtig um Verzeihung. Er werde mich sogleich nach Hause fahren. Und falls ich es mir anders überlegen sollte, so würde ich ihn im Palace Hotel finden. Ich bräuchte an der Rezeption nur eine telefonische Nachricht für Zimmer 107 zu hinterlassen, dann werde er sofort kommen und mich abholen. Er werde rein vorsichtshalber einen Tisch für acht Uhr reservieren.
Damit zückte er ein schwarzledernes Etui und reichte mir eine Visitenkarte des Hotels, in dem ich ebenfalls hätte absteigen sollen und in dem ich ihm eventuell sowieso über den Weg gelaufen wäre, sodass man bereits von Schicksal sprechen könnte. Unsere Wege sollten sich wohl kreuzen. Nur ob er in dieser Nobelunterkunft überhaupt auf mich aufmerksam geworden wäre, ist die große Frage. Höchstens wegen meiner schäbigen Aufmachung, denn das Hotel ist für unsereins mindestens drei Nummern zu groß.
Jetzt sitze ich hier mit knurrendem Magen am wackligen Küchentisch. Draußen schüttet es immer noch wie aus Kübeln. Mir ist wieder fröstelig geworden, denn es ist kühl und klamm in der Bude. Momentan könnte ich mir nichts Schöneres vorstellen, als mit diesem charmanten und unverschämt gut aussehenden Engländer – oder auch Nichtengländer, völlig wurscht! – eine warme Mahlzeit einzunehmen. Wir wären in dem großen Hotel ja unter vielen Menschen, was soll also passieren? Außerdem ist er durch und durch ein Gentleman.
Die Versuchung ist groß. Sehr groß!
Ich müsste mich allerdings zuvor aufs Fahrrad schwingen und durch den strömenden Regen zur nächsten Telefonzelle radeln, um besagtes Telefonat zu tätigen. Die Vorstellung ist wenig verlockend, aber immer noch besser, als den restlichen Abend Kohldampf zu schieben und vollends durchzuklappern.
Ich werde es tun!
Ich werde ihn anrufen, zurückradeln, mich trocknen, und mein einziges Kostüm anziehen, das ich mitgenommen habe, denn eines der Sommerkleider wäre bei diesem Wetter und zu dieser Stunde unpassend. Und meine Dreiviertelröhre trage ich nun schon seit meiner Ankunft hier.
Er soll mich an der Stelle aufpicken, an der er mich vorhin abgesetzt hat. Denn darauf hatte ich bestanden und es rundweg abgelehnt, dass er mich unter seinem Regenschirm bis zum Haus geleitet. Mein Wunsch sei ihm Befehl, hatte er kleinbeigegeben und mich am Straßenrand mit einem Handkuss verabschiedet. Ganz schön old school mein gelackter Dandy.
Kurz nach Mitternacht
Zu Hause kam ich mir so schick vor in meinem rosa Jackie-Kennedy-Kostüm, dessen Jacke mit einem einzigen großen Knopf asymmetrisch geschlossen wird. Ich hatte es mir von meinen Ersparnissen zur Abschlussfeier an der Höheren Handelsschule gekauft. Sogar ein Paar weiße Handschuhe hatte ich mir dazu gegönnt und einen dieser modischen kleinen Hüte. Ich trage also eigentlich den letzten Schrei! Meine sonst zum Pferdeschwanz gebundenen Haare hatte ich mir vorhin locker aufgesteckt und dazu einen seitlichen Audrey-Hepburn-Pony gekämmt. Warum auch nicht? Ich habe wie sie eine Knabenfigur, wie Mutti dazu sagt, wenn eine Frau nicht so viel Holz vor der Hütte hat wie sie selbst. Nur dass ich mit meinem Straßenköterblond und der Wischiwaschiaugenfarbe aus schmutzigem Grüngraugelbgemisch nicht ganz so apart aussehe wie die brünette Audrey mit ihren großen dunklen Augen. Ich hatte sogar meine kurze Perlenkette umgelegt, die ich von meiner Patentante zur Konfirmation geschenkt bekommen habe, und fand mich zusammen mit den weißen Pumps und der gleichfarbigen Handtasche ziemlich flott.
Das änderte sich schlagartig, als ich mit meinem „Rendezvous“ das Foyer des Palace Hotels betrat. Die dortige Damenwelt war in gedeckten Farben erschienen, die meisten in einem figurbetonten Etuikleid mit lässiger Jacke oder in einem schicken schwarzen Cocktailkleid. Zwischen ihnen nahm ich mich aus wie ein rosa Marzipanschweinchen. Mir brach augenblicklich der Schweiß aus und ich verfluchte mich dafür, dass ich die Abendeinladung angenommen hatte. Für so etwas bin ich einfach nicht ausgerüstet und musste es bisher auch nicht sein – schon gar nicht in dieser Preisklasse! Gott sei Dank trug Mr. Sinclair keinen Smoking wie die meisten dort anwesenden Herren, sondern „lediglich“ einen Nadelstreifenanzug – als wollte er den Standesunterschied zwischen uns nicht noch mehr betonen.
Ich hegte die Hoffnung, dass wir möglichst unbemerkt zu unserem Platz geleitet würden. Das Gegenteil war der Fall. Mr. Sinclair schien sämtlichen Gästen wohlbekannt zu sein, sie grüßten ihn von allen Seiten mit großer Ehrerbietung, wie mir schien, und nahmen natürlich seine Begleitung – also mich – genauestens unter die Lupe. Die neugierigen bis konsternierten Blicke waren nicht zu übersehen, doch Mr. Sinclair erklärte nonchalant, dass ich ein deutsches Fräulein auf Verwandtschaftsbesuch sei, das erste Mal im Vereinigten Königreich und sehr am britischen Lebensstil interessiert. Sofort entspannten sich die Mienen und schenkten mir ein nachsichtiges bis mitleidiges Lächeln. Mein Ausländerstatus erklärte und verzieh anscheinend einiges.
So viel Glanz und Eleganz wie in jenem Speisesaal kannte ich bisher nur aus Filmen. Wir wurden zu dem schönsten Tisch geleitet. Noch nie habe ich von so edlem Porzellan und mit so schwerem Tafelsilber gespeist, die Tischdecke war von einem geradezu beängstigenden Weiß. Trotz der höflichen Behandlung fühlte ich mich völlig fehl am Platz. Mr. Sinclair schien es zu bemerken. Röte stieg mir ins Gesicht. Ich wäre am liebsten aufgestanden und weggelaufen, selbst wenn ich den ganzen Weg im strömenden Regen hätte zurücklegen müssen. Da legte er mir seine Hand auf die meine. Die Berührung tat gut. Ich atmete auf und versank in seinen Augen wie auf eine rettende Insel.
Er bestellte uns zwei Aperitifs, irgendwas in einem Cocktailglas mit einem kleinen grünen Ding auf einem Zahnstocher. Ich traute mich nicht nachzufragen, um was für einen Drink es sich handelte, ich wollte mir nicht noch mehr Blöße von Weltunerfahrenheit geben. Ob mir der Martini zusage, fragte er mich schmunzelnd. Er trinke ihn immer gerne mit einem Spritzer …, es folgte irgendwas Französisches. Oh ja, auch ich würde ihn so bevorzugen, beteuerte ich. Meine Antwort schien ihn prächtig zu amüsieren. Ich hätte ihn dafür schlagen mögen. Der Ober näherte sich unserem Tisch, um die Bestellung aufzunehmen. Panisch versenkte ich meinen Blick in die Speisekarte, deren Gerichte ich auf die Schnelle nicht zu identifizieren vermochte. Don’t worry, my little sunshine, flüsterte er und bestellte für uns beide.
Nach der Suppe wollte er endlich meinen Namen erfahren, den ich ihm bis dahin erfolgreich vorenthalten hatte. Er war nur zu höflich gewesen nachzufragen, denn eigentlich hätte es sich ja bereits heute Nachmittag gehört gehabt, ihm diesen zu nennen, nachdem er sich mir in dem französischen Café offiziell vorgestellt hatte.
Doris, antwortete ich. Doris Ottensen, from Hamburg.
Er schien es mir abzunehmen. Warum auch nicht?
Wir