Gekaufte Wissenschaft. Christian Kreiß

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Gekaufte Wissenschaft - Christian Kreiß страница 5

Gekaufte Wissenschaft - Christian Kreiß

Скачать книгу

sehr häufig Aha-Erlebnisse.

       Hintergrund

      Ob Corona, Feinstaub-Grenzwerte, Diesel-Kat-Nachrüstung, Glyphosat, Zucker, Cholesterin, Kaffee, Medikamente, Impfungen, Weichmacher, Klimaerwärmung, Medienkonsum von Kindern: Über fast alle Lebensbereiche des Alltags werden mittlerweile teils erbitterte Meinungsschlachten geführt. Und praktisch immer wird die Wissenschaft als Kronzeuge ins Feld geführt. Gerade heute, in Zeiten von fake news, wäre daher eine objektive Wissenschaft wichtiger denn je. Was steckt hinter diesen Entwicklungen?

       Der March for Science im April 2017

      Am 22. April 2017 ereignete sich etwas sehr Ungewöhnliches: Mehr als eine Million Menschen, unter ihnen viele Wissenschaftler, gingen in über 450 Orten weltweit für die Freiheit der Wissenschaft demonstrieren. Das hatte es davor noch nie gegeben. Sie protestierten gegen entstellte, von der Politik missbrauchte Wissenschaft. Sie forderten stattdessen eine Wissenschaft, die auf Erkenntnissen beruht und dadurch der Öffentlichkeit dient. Die Protestierenden trugen Transparente mit sich mit Slogans wie: “Wissenschaft dient der Allgemeinheit“ oder “Die Wahrheit erforschen rettet die Welt“.

      Was war geschehen? Wie kam es, dass so viele Wissenschaftler unzufrieden waren? Der Stanford-Professor Robert Proctor fasste es in folgende Worte: „Es gibt eine breite Wahrnehmung unter den Wissenschaftlern von Angriffen auf die Idee der Wahrheit, die der Wissenschaft heilig ist“.4

      Der Marsch der Forscher zielte auf den Missbrauch der Wissenschaft durch die Politik. Ausgelöst wurde er vor allem durch Donald Trump. Der Protest war nur zu berechtigt. Die Geschichte zeigt, wie Diktatoren und Autokraten die Freiheit der Forschung ihren zerstörerischen Zielen opfern. Aber auch heute ist diese Verletzung der Wissenschaftsfreiheit durch Politiker weitverbreitet und vor allem: Sie nimmt rasant zu.

      Die Freiheit der Wissenschaft wird aber nicht nur durch Übergriffe von Politikern, sondern auch von Absatz- und Finanzinteressen bedroht. Und das ist Gegenstand des vorliegenden Buches. In den öffentlichen Medien-Diskussionen entscheiden immer häufiger die wissenschaftlichen Ergebnisse, die ins Feld geführt werden. Und so tobt ein immer stärker werdender Kampf um Wissenschaft und Glaubwürdigkeit.

       Aus „Im Namen Gottes“ wurde „Im Namen der Wissenschaft“

      Hintergrund für diesen Kampf ist eine dramatische geistige Wende in den letzten vielleicht 120 Jahren. Im 19. Jahrhundert war der Einfluss von Religion, Normen und Tradition unvergleichlich viel größer auf Gesetzgebung, Wirtschaft und das Alltagsleben als heute. Im dem Maße, in dem der Einfluss der traditionellen Werte und der Kirchen unter der Wucht des heraufziehenden materialistisch-naturwissenschaftlichen Weltbildes zerschlagen wurde, in dem Maße wuchs die Bedeutung der Wissenschaft. Sie blieb zuletzt weitgehend das letzte Fundament, auf das sich die verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen über Weltanschauungs-, politische oder religiöse Differenzen hinweg noch verständigen konnten. Viele Gesetze, Regelungen oder Richtlinien brauchen heute zwingend eine Begründung durch die Wissenschaft. Wir sehen eine bahnbrechende, säkulare Wende. Aus: “Im Namen Gottes“ wurde: “Im Namen der Wissenschaft“. In den letzten vier bis sechs Generationen stieg die Bedeutung der Wissenschaft in einem Ausmaß, das vorher in westlichen Gesellschaften undenkbar war.

      Aber gerade der phänomenale Siegeszug des materialistisch-naturwissenschaftlichen Denkens birgt die größte Gefahr gerade für die Wissenschaft selbst. Denn rein als Methode kann sie auf alles und jedes angewandt werden. Als Methode ist sie nur ein Instrument und kann als solches instrumentalisiert werden für beliebige Zwecke. Diktatoren und Autokraten können dieses Denken zum Bau von Brücken und Panzern benutzen. Konzerne können sie für ihre Zwecke missbrauchen. Und so birgt gerade der Epoche machende Siegeszug dieser Denkungsart die größten Gefahren für ihren Missbrauch.

      So musste dieser umwälzende Jahrhunderttrend in einen Kampf um die Inhalte führen. Und so wurde schließlich mit etwas Verzögerung der Machtkampf in das Herz der Wissenschaft getragen, in die Universitäten selbst.

      Für gewinnorientierte Großunternehmen bedeutet das, in die Meinungsbildungskette, in den Geist so früh wie möglich einzugreifen, beispielsweise durch gesponserte Materialien für Schulen oder die gezielte Förderung bestimmter Wissenschaftler an bedeutenden Universitäten. Das ist sozusagen deep marketing. Einflussnahme auf die Wissenschaft wird systematisch in die Marketing-Strategie der Konzerne einbezogen.

      Diesem unheilvollen Trend kann man nur Einhalt gebieten, indem man die Zentren freier Wissenschaft so stark schützt wie möglich, sie so unabhängig und frei wie irgend möglich von allen externen Übergriffen – sowohl durch Politiker wie durch Konzerne - macht. Wir brauchen freie und unabhängige Hochschulen. Um dem Problem wirksam entgegenwirken zu können, müssen wir es aber erst erkennen bzw. diagnostizieren. Dazu will dieses Buch einen Beitrag leisten, indem die Wege aufgezeigt werden, wie Wissenschaft zunehmend durch Konzerne missbraucht wird. Erst wenn wir die Wege und Methoden kennen, können wir ihnen wirksam etwas entgegenstellen.

      4 Washington Post April 22, 2017

       Sind Industriegelder für die Bildung immer schlecht? Von echten und interessegeleiteten Mäzenen

       Echtes Unternehmertum und Rentenkapitalismus

      Selbstverständlich gab und gibt es wundervolle, selbstlose Mäzene, die Bildung und Kunst einfach als Herzensanliegen fördern wollen. Unternehmer sind keine Bösen. Ich bin großer Anhänger von Entrepreneurship-Kapitalismus und finde Unternehmer, die die Welt voranbringen, große klasse. Ich halte jedoch Rentenkapitalismus, bei dem es fast nur mehr um rent-seeking geht, nicht mehr um Unternehmertum, nicht nur für falsch, sondern sogar für schädlich.5 Bei Rentenkapitalismus oder assets under management, bei fremdverwalteten Vermögen und den allermeisten Börsen- und Futuresgeschäften geht es meist nur mehr um Jagd nach Rendite. Der Anleger bei Kapitalsammelstellen weiß normalerweise gar nicht mehr, wo sein Geld investiert ist, sondern hält nur mehr die Hand, bzw. das Girokonto auf, egal, wo die Rendite herkommt. Der Geldgeber verbindet sich dabei nicht mehr mit dem Unternehmen, kennt nicht die Mitarbeiter, die Produkte, die Lieferanten, die Kunden usw. Das halte ich für schlecht und das wird, wenn es nicht eingedämmt wird, unsere Wirtschaft in eine schlimme Krise treiben.6

      Den allermeisten echten Unternehmern geht es nicht um maximale Gewinne, sondern um die Sache. Bei börsennotierten Großkonzernen geht es aber nur mehr um maximale Rendite. Das ist ein großer Unterschied.7 Daher kann man davon ausgehen, dass Konzerngelder, die als „Spende“, „Schenkung“ oder als „Zuwendung“ aus dem Unternehmen fließen, niemals selbstlos sind, sondern immer einen Zweck verfolgen, nämlich Rendite zu machen, zumindest für PR zu sorgen und dadurch indirekt den Absatz anzukurbeln. Der Vorstand eines börsennotierten Unternehmens kann sich nicht leisten, Geld zu verschenken. Da würde er bei der nächste0n Hauptversammlung schnell geschasst.

       Drittmittel sind nicht gleich Drittmittel

      Drittmittel „sind für den vom Geldgeber bestimmten Zweck zu verwenden und nach dessen Bedingungen zu bewirtschaften“ (§ 25 Absatz 4 Hochschulrahmengesetz (HRG))

      Wir sollten also genau hinschauen, woher Geld fließt und welche Absicht damit verfolgt wird. Zuerst müssen wir aber den Begriff klären. Gemäß Paragraf 25 Absatz 1 Hochschulrahmengesetz (HRG) sind Drittmittel solche Gelder, „die nicht aus den der Hochschule zur Verfügung stehenden Haushaltsmitteln, sondern aus Mitteln Dritter finanziert werden“. Es sind also Gelder, die nicht von den öffentlich-rechtlichen Trägern als Grundfinanzierung an die Hochschulen überwiesen werden, sondern von anderen Geldgebern. Außerdem steht in Paragraf 25 Absatz 4 HRG: „Die Mittel sind für den vom Geldgeber bestimmten Zweck

Скачать книгу