Touch the Core. Die Tiefe berühren.. Thomas Andresen

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Touch the Core. Die Tiefe berühren. - Thomas Andresen

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es über seine Sinnesorgane eine Unmenge zusätzlicher Informationen. Es unterscheidet angenehme und unangenehme Gefühlszustände und Situationen. Durch das Spüren von Berührung lernt es seine eigenen Körpergrenzen kennen. Die Schwerkraft zeigt ihm ebenfalls deutlich die Grenzen des eigenen Körpers und seines Bewegungsspielraums auf. Durch die noch nicht ausreichend entwickelte Sprachkompetenz erfährt es eine weitere Einschränkung seines Handlungs- und Gestaltungsspielraums. Da es seine Bedürfnisse sprachlich noch nicht zum Ausdruck bringen kann, ist es abhängig davon, wie gut die engen Bezugspersonen auf es eingestimmt sind. Niemals ist die Einstimmung so umfassend, dass alle Bedürfnisse des Babys permanent befriedigt werden.

      Durch die Spiegelung seiner engen Bezugspersonen lernt das Kind, dass bestimmte Verhaltensweisen gern gesehen werden und zur Befriedigung der eigenen Bedürfnisse hilfreich sind. Andere Verhaltensweisen hingegen bekommen weniger positive Resonanz, führen nicht zur Befriedigung seines Bedürfnisses oder rufen Stressreaktionen bei den Eltern hervor. Indem es Verhaltensweisen vermeidet, die sein Umfeld destabilisieren und so zu einer Stressreaktion für es selbst führen, schützt sich das Kind. Doch der Preis ist hoch.

      Um dem Umfeld zu gefallen, hielten wir als Kinder Verhaltensweisen und Gefühle zurück, verdrängten sie oder spalteten sie gar ab. In Summe führt dieses Verhalten über die Zeit dazu, dass wir uns als ein von unserer Umwelt getrenntes Wesen wahrnehmen.

      Die Stressfaktoren, die zu diesem Gefühl des Getrenntseins führen, wirken in erster Linie auf der körperlichen Ebene. Daher verbinden wir dieses frühe Ich-Erleben vorrangig mit unserem Körper. Die sich in Folge entwickelnde Struktur ist das Ego. Es lässt uns in unserem Sein abgetrennt von unserer Körperlichkeit wahrnehmen. Mit dieser dualen Wahrnehmung ist gleichzeitig die Grundlage für Bewertung angelegt – fortan etikettieren wir jede Erfahrung als angenehm, positiv oder unangenehm, negativ.

      Auch später, wenn das Kind erwachsen geworden und der Schutz eigentlich nicht mehr notwendig ist, bleiben die erlernten Verhaltensmuster erhalten. Unter diesen Bedingungen ist es schwierig, den Kontakt zum eigenen Kern wiederherzustellen, kontinuierlich zu wahren und offen zu halten. Und meist geht mit der Distanz zu sich selbst auch die Bewusstheit verloren, einzigartiger Teil eines Ganzen zu sein. Stattdessen resultiert oft eine Selbstwahrnehmung, die davon ausgeht, lediglich einen Körper zu haben, anstatt sich in einer belebten und beseelten Körperlichkeit wahrzunehmen.

      Auf dem Weg von der non-dualen zur dualen Wahrnehmung wird der Zugang zu einem großen Teil Deines Kerns verschüttet. Auch wenn es für den Moment so scheint, als ob der Verlust der Non-Dualität das einzige Unglück sei, so ist letztlich das Gefühl des Getrenntseins nicht zu bedauern. Denn die Bildung der Ego-Struktur ist zwingende Voraussetzung, um im Laufe der Entwicklung und Entfaltung zunehmend fähig zu werden, sich selbst zu reflektieren und auf dieser Basis Bewusstsein zu entwickeln. Denn das vorgeburtliche Gefühl der Verbundenheit hat eine gewisse Undifferenziertheit, da eben die Ich-Struktur noch nicht ausgebildet ist. Erst die selbst-bewusste Wahrnehmung von Verbundenheit lässt Dich die eigene Seins-Qualität erkennen.

      Aus der Perspektive Deines Selbst-Bewusst-Seins eröffnet sich der Raum, Deine Individualität mit all ihren Teilen, Deinen Kern mit all seinen Facetten zu erkennen.

      Einen leicht zu greifenden und gleichzeitig dennoch komplexen Zugang zu unserer menschlichen Wesenhaftigkeit bekommt man durch die Betrachtung der Vorgänge, die ab der Empfängnis bis zur Geburt im Mutterleib stattfinden. Dazu müssen wir aber unser Schulwissen für einen Moment zur Seite stellen. Denn unsere Kultur ist geprägt von einem analytischen, deduktiven Denken. Wir neigen dazu, alles in Einzelteile zerlegen zu wollen, hinab bis in die Ebenen der Teilchenphysik und der Elektronenrastermikroskopie, in der Hoffnung, die Ursache allen Seins dort zu entdecken und das Geheimnis der Schöpfung zu verstehen. Wissenschaft ist notwendig und sinnvoll. Doch sie bietet nicht die einzige Perspektive, aus der die Welt betrachtet werden kann. Zwar kennt jeder die auf Aristoteles zurückgehende Erkenntnis, dass das Ganze mehr ist, als die Summe seiner Teile. Doch unsere naturwissenschaftlich geprägten Denkmuster führen dazu, dass wir beständig versuchen, simple Ursache-Wirkungs-Ketten zu erkennen. Die folgenden Ausführungen zu den Wechselwirkungen zwischen Innen- und Außenerleben, die durch die vorgeburtliche Zeit hindurch bis ins Erwachsenenalter stattfinden, sind durch die Arbeit von und mit Jaap van der Wal und Terence Dowling inspiriert. Sie geben sowohl Zugang zu unserer wesenhaften Gleichheit als auch zur Prägung und Entwicklung unserer individuellen Persönlichkeit.

      Die Befruchtung der Eizelle findet in der Regel im Eileiter statt. Anders als gerne glauben gemacht, ist es kein Wettrennen der Spermien, wer als erstes „drin“ ist. Im Gegenteil: Die Eizelle ist von eigenen Nährzellen wie von einem Strahlenkranz, der Corona radiata, umringt. Durch Abgabe bestimmter Substanzen treten die Spermien mit diesem Nährzellen in eine Wechselwirkung. Es findet eine Öffnung der Eizelle statt, eine Öffnung von innen nach außen. Erst dadurch entstehen Bedingungen, die die Fusion beider miteinander zu einer neuen Einheit ermöglichen. Weder dringt ein Spermium ein, noch wird es gnädig eingelassen. Es ist ein Stunden andauernder Prozess des sich gegenseitig immer mehr aufeinander Einlassens, quasi eine Art Paarungstanz, der zur Verschmelzung führt.

      Neues Leben ist entstanden. In der befruchteten Eizelle sind bereits alle Informationen für das Wachstum dieses Menschen vorhanden, es kommt nichts mehr hinzu. Es findet nur eine Vermehrung, Spezifizierung und Differenzierung von Zellen statt. Die Zeit bis zur Geburt, die Pränatalzeit, gliedert sich in drei Zeiträume: Die Zeit nach der Befruchtung bis etwa zur Einnistung in die Gebärmutter, von der Einnistung bis zum Abschluss der Organbildung und die Zeit des fötalen Wachstums.

      Während die befruchtete Eizelle vom Eileiter langsam in die Gebärmutter treibt, finden schon Zellteilungen statt. Ohne dass sich die Größe des Gesamtorganismus ändert, entstehen identische Zellkopien. Ab dem vierten Tag entwickelt sich der kugelförmige, 32-zellige Organismus (Morula) zur sogenannten Blastozyste weiter. Bis zu diesem Zeitpunkt wird weder etwas entfernt oder zurückgelassen, noch kommt etwas von außen hinzu. Die Frucht bleibt immer Eins. Doch nun passiert etwas Einschneidendes: Die Zellen der Peripherie teilen sich schneller und werden später zum Trophoblasten, der Grundlage des Mutterkuchens. Die inneren, sich langsamer teilenden Zellen werden zum Embryoblasten, aus ihm entsteht der Mensch an sich.

      Dies ist der erste Moment des Entstehens einer Dualität: Sowohl der spätere Mutterkuchen (außen), als auch der Embryo (innen) sind ein Produkt der befruchteten Eizelle. Dies lässt sich wunderbar im Bild von einem Baum und seinem Wurzelwerk darstellen. Der Baum nimmt seine Nahrung über seine Wurzeln auf, über den Stamm strömt sie in die sich ausbildende, dem Himmel entgegenreckende Krone. So ist es auch beim Embryo. Der Mutterkuchen verwurzelt sich in der Gebärmutter. Dort nimmt er seine Nährstoffe auf. Die Nährstoffe kommen nicht von ihm, aber durch ihn. Der Mutterkuchen und die Qualität der Versorgung durch ihn ist die erste prägende Erfahrung von Beziehung. Es findet ein Austausch, ein Dialog zwischen dem Embryo und seiner Plazenta statt.

       Von der Einheit zur Dualität

      „Was bekomme ich von Dir, was gebe ich Dir von mir?“ Der Embryo kann durch sein Bewegen die Versorgung beeinflussen, denn eine erhöhte körperliche Aktivität des Embryos erhöht den Blutrückstrom zum Mutterkuchen. Und da es sich um einen Kreislauf handelt, bekommt der kleine Mensch dadurch auch mehr Blut von der Plazenta zurück. Umgekehrt wurde bei Ultraschalluntersuchungen festgestellt, dass Feten den Fluss der Nährstoffe durch die Nabelschnur auch reduzieren können, indem sie sie mit der Hand zusammendrücken.

      Das im Mutterkuchen angereicherte Blut trägt neben Nährstoffen auch Antikörper mit sich, die die Immunabwehr des Embryos übernehmen. Ebenso sind mütterliche Hormone und andere Botenstoffe im Blut gelöst. Aber auch Giftstoffe gehen aus dem Organismus der Mutter auf das Kind über. Der Embryo und Fötus ist dadurch unmittelbar

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