Der Hebräerbrief - Ein heilsgeschichtlicher Kommentar. Roman Nies

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Der Hebräerbrief - Ein heilsgeschichtlicher Kommentar - Roman Nies

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muss eine Neuzeugung und eine Wiedergeburt vornehmen. Es ist ein Irrtum, anzunehmen, dass eine Taufe alles ist, wozu der Geist Gottes beteiligt werden muss, wie es einige Kirchen annehmen. Der Geist beginnt erst mit der Geistesgabe in der Neuzeugung sein Wachstums- und Heiligungswerk, denn die Ebenbildlichkeit, die bei Gott schon längst als Plan auch für jeden einzelnen vorliegt, ist noch lange nicht erreicht.

      Der Verfasser schreibt mit diesem Satz für die Ohren und das Verständnis eines Juden ganz Ungeheuerliches. Wie kann ein Mensch, selbst wenn er der Messias ist, das Ebenbild Gottes sein? Aber es kommt ja noch „schlimmer“. Alle Gläubigen sollen ein Ebenbild Christi werden und wären damit ein Ebenbild Gottes selbst. Und das aus zweierlei unfassbaren Gründen. Zuerst, weil Jesus Christus Gott ist, und dann, weil Er das Ebenbild des Vatergottes ist. Das Erbe ist also doppelt abgesichert.

      Und noch einmal betont der Verfasser die besondere Stellung von Christus zur Schöpfung: „Er trägt das All durch sein machtvolles Wort.“ Jemand, der die Schöpfung durch sein Wort trägt, kann niemand anderes sein als der Schöpfergott! Und der Gott, der in der Schöpfungswoche die Himmel und die Erde in sechs Tagen erschafft und alles was darin ist, hat alles in die Existenz gerufen. Er rief und es wurde, er sprach und es stand da. Und hier erfährt man etwas, was Generationen an Naturwissenschaftler nicht erforschen können, weshalb sie nicht verstehen können, was die Welt im Innern zusammenhält: Der für sie große Unbekannte trägt das All durch sein machtvolles Wort! Sie suchen nach der Weltformel und nach der Urkraft der Schöpfung, dabei handelt es sich um eine Person, über die sie das Wichtigste in der nächsten Bücherei erfahren könnten. Die deutschen Nobelpreisträger und Quantenphysiker Max Plank und Werner Heisenberg scheinen von dieser tragenden Urkraft etwas geahnt zu haben. Sie haben sie mit Gott identifiziert. *62

      Gott hat ganz am Anfang alle Dinge ins Dasein gerufen. Sein Ausruf, „Es werde Licht!“, ist Sein Programm und seither trägt Er nach Heb 1,3 alle Dinge mit seinem kräftigen Wort. Ohne Gott würden augenblicklich alle Elementarteilchen ins Nichts stürzen. Heisenberg und Planck, die in diese Grenzen der Elementarteilchenmechanik, in die sogenannte Welt der Quanten, vorgestoßen sind, müssen das auch so gesehen haben. Und da fragt sich dann nicht mehr, ob der Glauben an Gott vernünftig ist, sondern wie man daran zweifeln kann.

      „Er trägt das All durch sein machtvolles Wort.“ - Das ist nicht einfach eine schöne Metapher. Im tiefsten Innern des Existentiellen gibt es keinen echten Dualismus mehr. Denn alles was ist, kann nicht ohne Gott sein. Was ist, kann nicht für sich sein. Wenn Gott Seinen Geisthauch zurückzieht, bricht alles zusammen. Seine unsichtbare Kraft ist die Urkraft, die alles erschaffen hat und im Sein festhält. Sein „machtvolles Wort“ ist ein Befehlswort, ist um ihr Ziel wissende Informationsfülle, ist geistiger Input, Programm, Anweisung, Gesetz, aber auch Gnadenwort und Heilswort. Alles was Gott so aufruft, dass es die Elemente hören, geschieht. Er hat die Macht, Seinen Ratschluss auszuführen und Er hat alles in Seiner Schöpferhand. Und was sie nicht hat, hat der Zeugungsgeist. Die Welt mit ihren Geschöpfen hat einen jeweiligen Zustand, der immer nur oberflächlich vermessen und beschrieben werden kann, aber das, was aus ihnen wird, kann nicht vermessen werden, weil sich das Werden in seinem Entstehen durch was es initiiert und angeschoben wird und in seinem Fortgang nur über einen geistigen Prozess bestimmen lässt. Es müsste angehalten werden, um wieder in einem neuen Zustand vermessen und beurteilt werden zu können. Dieses Nichtmessbare, das sich einer absoluten Beurteilung entzieht, wird vom Zeugungsgeist Gottes fortgetragen und weiterentwickelt. Das ist wichtig zu wissen, denn die meisten, die an einen Gott glauben, sehen Ihn als inkompetent und impotent. Sie haben keinen Sinn für Seine Handlungsebene.

      In einem bekannten Kommentar zu Heb 1,3 meint man das Heilshandeln Gottes mit der Ausbildung der Gemeinde zum Abschluss gekommen sehen zu müssen. *63 Dabei ist die Ausbildung der Gemeinde nur ein Anfang zu einem heilswirksamen Fortgang der Heilsgeschichte Gottes mit den Menschen. Hat der Kommentator nicht 1 Kor 15,22-24 gelesen? Da gibt Paulus einen Überblick über das, was nach der Gemeindegründung erst noch ablaufen wird. *64 Zuerst ist Christus als Haupt der Gemeinde vollendet worden, dann kommt Seine Gemeinde und dann werden sogar alle, die irgendwann Feinde Gottes waren, ihm untergeordnet, damit Er alles dem Vater präsentieren kann (1 Kor 15,25). Dann ist Seine Herrschaft komplett und allumfassend.

      Und dann, heißt es im folgenden Vers noch, wird auch noch der Tod abgetan. Der Tod ist das, was in dieser Welt eine Existenz beendet hat. Tod bedeutet immer einen Wechsel der Existenzform von einer unvollständigen Existenz in der Abgeschiedenheit von Gott zu einer anderen, von welcher der Mensch noch nicht weiß, ob sie ihn näher oder ferner zu Gott gebracht hat. Der Tod ist nicht das Ende, sondern er wird am Ende sein, wenn Gott alles in allem sein wird (1 Kor 15,28). Und dann wird in allem Leben aus Gott sein, das bleibt, denn in Gott stirbt nichts mehr. In Gott ist jeder Gott nahegekommen.

      Das ist nicht das Ende, dass Christus wiederkommt, „um seine Gemeinde heimzuholen und Gericht über die Völker zu halten.“ wie es ein Ausleger schreibt. *65 Als nächstes wird Israel ganz in den Dienst Christi gestellt und das Tausendjährige Reich beginnt. Und viele Äonen folgen, bevor Gott alles in allem ist. Es gibt eine frohe Botschaft. Gott ist der Sieger. Er bringt alles zurecht. Er macht nicht Schluss so kurz nach dem Anfang!

      Im Widerspruch zu seiner eigenen Aussage, sagt der Kommentar weiter biblisch richtig: „Wollen wir versuchen, uns die unermessliche Größe unseres Herrn und Heilandes recht vor Augen zu stellen, so müssen wir uns deutlich machen, dass Jesus Christus Schöpfer der Welt, Erlöser der Welt und Vollender der Welt in einer Person ist.“ *66 Und was ist die Vollendung der Welt? Doch nicht, dass die Gemeinde in die Herrlichkeit Gottes eingeht und der Rest der Schöpfung auf die Müllhalde des Weltalls gekippt wird?

      In Psalm 102,26 spricht der Beter Gott an: „Du hast einst die Erde gegründet, und die Himmel sind deiner Hände Werk.“ Das greift der Verfasser des Hebräerbriefs in Heb 1,10 auf und nennt Gott Kyrios-Herr: „Du, Herr, hast im Anfang die Erde gegründet, und die Himmel sind Werke deiner Hände“, zugleich identifiziert er diesen Herrn mit Christus. Das ergibt sich aus der Anrede ab Heb 1,8, da spricht der Vatergott „zu dem Sohn“ (KÜ) oder „von dem Sohn“ (ElbÜ): „Dein Thron, [o] Gott, [besteht] für den Äon des Äons, und das Zepter der Geradheit [ist das] Zepter Deiner Königsherrschaft.“ (KÜ) *67

      Der Vater spricht den Sohn als „Gott“ an, der nach Heb 1,9 Gerechtigkeit liebt und Ungerechtigkeit hasst und deshalb von Gott gesalbt wird. Der Gesalbte, das ist auf Hebräisch der Meschiach.

      Zu Seinem Sohn sagt Er aber auch: „Dein Thron, o Gott, …“ So eine Botschaft an die Hebräer! Gleich am Anfang kommt die Schlüsselstelle. Wem das zu schwer ist, der braucht nicht mehr weiterlesen. Jesus Christus wird mit Gott gleichgesetzt, was eigentlich nur folgerichtig ist, wenn Er der Sohn Gottes ist. Zugleich wird verdeutlicht, dass da, wo im Alten Testament vom Schöpfergott geredet wird, niemand anderes als der Sohn Gottes gemeint ist.

      Der Verfasser verdeutlicht auch, dass dieser „Sohn Gottes“ größer ist als die anderen „Söhne“ im Himmel, die nur Boten Gottes sind, denn „[zu] welchen Boten hat Er jemals gesagt: Mein Sohn bist Du! Heute habe Ich Dich gezeugt? Anderswo wieder: Ich werde Ihm Vater sein und Er wird Mir Sohn sein?“ (Heb 1,5 KÜ) Das ist zum Teil ein Zitat aus Psalm 2,7. Was bedeutet es, Gottes Sohn zu sein? Von Engeln angebetet zu werden (Heb 1,6). Der Vater bestätigt die Richtigkeit der Königsherrschaft Seines Sohnes, denn Er sagt, dass Sein Thron äonenlang bestehen bleibt. Alle Boten Gottes werden den Sohn als Erstgeborenen anbeten (Heb 1,6). Jesus ist der Erstgeborene. Doch viele werden Ihm folgen. Jesus Christus ist also Gott und König. König von wem? Von allen, die Ihm nachgeboren werden. Wenn Jesus der Messias ist, dann weiß jeder Jude, dass Er sein König, der König Israels und damit aber auch der König aller Nationen ist.

      Die aus der hebräischen Denkweise stammende Bezeichnung „für

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