Helle und die kalte Hand. Judith Arendt
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Helle und die kalte Hand - Judith Arendt страница 9
Sie nickte. »Sehr gut. Ich denke, wir könnten in der heißen Phase noch mal nachlegen. Ein Spot oder ein Jingle, ich weiß nicht. Ich werde das mit Signe besprechen.« Sie stand auf. »Sehr gute Arbeit, Kieran, ich sag’s gerne noch mal. Weiter so.«
Sie schenkte ihm ein strahlendes Lächeln, und er erwiderte es erleichtert.
»Bevor ich es vergesse«, Katrines Lächeln wurde starr, »meine Schwester möchte, dass du sie anrufst.«
Kieran schluckte. Verdammt.
Katrine musterte ihn. Er nickte. Jetzt bloß nicht rechtfertigen. Nichts erklären.
»Ich ruf sie an.«
»Gut.« Sie drehte sich auf ihren hohen Absätzen um und verließ das Büro. Im Stechschritt, so erschien es ihm. Er schwitzte. Er wusste genau, dass es ihr nicht gefiel, dass er und Elin miteinander zu tun hatten.
Nun, genau genommen gefiel es ihm auch nicht.
»Hast du schon Zeitung gelesen?« Elins Stimme schnappte über.
Kieran hasste das. Er hasste hysterische Frauen. Und diese war eine von der schlimmsten Sorte. Hätte er sich doch bloß auf nichts eingelassen. Die Bürotür hatte er wohlweislich geschlossen. Niemand sollte mitbekommen, dass er mit Katrines Schwester telefonierte. Er benutzte außerdem das Prepaidhandy.
»Überall steht es, sie haben es sogar im Fernsehen gebracht!«
»Wovon redest du?«
Sie senkte die Stimme. »Von der Leiche.«
Ohne dass er wusste, von was sie sprach, brach ihm der Schweiß aus.
»Bei Råbjerg Mile. Sie haben die Leiche einer Frau gefunden. Im Sand.«
Kieran beendete sofort das Gespräch. Die Beine sackten unter ihm weg.
Fuck, dachte er.
Fuck, fuck, fuck.
In was für eine Scheiße war er da geraten?
Råbjerg Mile
Außentemperatur 6 Grad
Helle hatte zu Hause gefrühstückt, geduscht und drei Stunden geschlafen. Danach war sie wie verabredet auf die Wache gefahren und hatte ihre Leute – Marianne und Ole – instruiert, wie sie die Vermisstenfälle zusammentragen sollten. Nebenbei hatte Helle entschieden, dass sie fünf Jahre (und nicht zwei, wie Ingvar angeordnet hatte) zurückgehen sollten. Jan-Cristofer und Amira sollten erst später wieder zum Dienst kommen, da sie bis weit in die Nacht gearbeitet hatten.
Jetzt bog Helle wieder auf den Wanderparkplatz ein, von dem aus man nach Råbjerg Mile laufen konnte. Aber es bot sich ein vollkommen anderes Bild als in der Nacht, als sie von einem Kollegen abgelöst worden und nach Hause gefahren war. Jeder Zentimeter war zugeparkt, sie fand nirgendwo einen Platz für ihren Volvo. Übertragungswagen, Polizeiautos und jede Menge Privatwagen von Journalisten, aber vermutlich auch von Gaffern.
Helle wendete ihre Schrottkiste und stellte sich an die Straße. Am frühen Morgen hatte es endlich aufgehört zu regnen, eine bleiche Sonne versteckte sich hinter Wolken, die regenschwer und drohend über dem flachen Land hingen, die Erde roch dunkel und feucht wie ein vollgesogener Schwamm.
Sie atmete tief ein und wuschelte sich durch ihre halblangen Haare. Einmal ohne Mütze unterwegs sein, herrlich. Ihre Kopfhaut juckte ständig, die dünnen Haare waren fahl und trocken, weil sie unter einer Wollmütze verborgen waren. Und wenn sie die Mütze einmal nicht trug, auf der Wache oder zu Hause, war die Luft dort trocken von der Heizung. Aber jetzt hatte Helle endlich wieder das Gefühl, durch die Kopfhaut atmen zu können.
Trotz des Schlafentzugs fühlte sie sich frisch und motiviert. Das nächtliche Telefonat hatte viel mit ihrer guten Laune zu tun, Helle hoffte, dass es noch im Lauf des Tages Wirkung zeigte.
»Hej.« Der junge Polizist, der am Parkplatz Wachdienst hatte, winkte ihr müde zu.
»Hier ist ja was los«, kommentierte Helle die vielen Autos.
Der junge Mann nickte. »Seit die Meldung rausgegangen ist. Es war noch gar nicht richtig hell, da waren die Ersten schon hier.« Er zitterte vor Kälte.
Helle ließ ihren Blick über die weite Landschaft schweifen. In der Ferne konnte sie mehrere Grüppchen und versprengte Einzelpersonen ausmachen, die kreuz und quer über die riesige Wanderdüne liefen.
»Schwer zu kontrollieren.«
»Die Leute sind überall.« Der Polizist blickte etwas hilflos über die Schulter.
So war das heutzutage, dachte Helle, meistens waren die Gaffer schneller als die Journalisten. Manche schafften es sogar, vor der Feuerwehr oder den Sanitätern an einem Unfallort aufzutauchen.
In der Ferne beobachteten sie gemeinsam eine gebückte Figur mit einem Koffer, die eiligen Schrittes auf den Parkplatz zusteuerte. Helle erkannte sofort Dr. Runstad aus Aalborg. Keiner hatte so einen Buckel wie er. Sie beschloss, ihm entgegenzugehen, klopfte dem jungen Polizisten noch ermutigend auf die Schulter, obwohl es nichts zu ermutigen gab. Er hatte den miesesten Job bekommen, und sein Tag würde schwerlich besser werden.
»Helle!« Der Doktor hob kurz den Kopf und verzog leicht die Mundwinkel. Das war eine überschwänglich herzliche Begrüßung für den Rechtsmediziner, Helle grinste zurück.
»Jens, hej. Lange nicht gesehen.«
»Wie man hört, hast du den letzten Fall mit Hilfe aus Kopenhagen gelöst.«
Jens Runstad blieb neben Helle stehen, setzte seinen Koffer ab und kramte aus der Manteltasche ein zerknittertes Päckchen Lexington. Er war Kettenraucher und seit Helle ihn kannte, hatte sie ihn nie ohne Zigarette gesehen. Meistens drückte er eine halbgeraucht aus, während er sich schon wieder die nächste anzündete.
Der Doktor sog den ersten Zug tief in seine Lungen. Er war ein schmächtiger Mann mit eingefallener Brust, ungesunder Hautfarbe und schütterem farblosem Haar. Aber er hatte die klugen und freundlichen Augen einer Haselmaus, und mit diesen musterte er die Kommissarin aufmerksam. In den Augenwinkeln bildeten sich freundliche Fältchen.
»Ist ’ne interessante Sache.« Er deutete mit dem Kopf in Richtung des Fundortes.
»Erzähl mir mehr.« Helle streckte den rechten Arm in seine Richtung aus und spreizte auffordernd Zeige- und Mittelfinger. Runstad reichte ihr seine Zigarette. Sie nahm einen tiefen Zug und gab sie ihm zurück. Igitt, war das widerlich. Sie hatte vor Sinas Geburt mit dem Rauchen aufgehört, aber manchmal, meistens wenn sie betrunken, erschöpft oder besonders übermütig war, so wie jetzt, überkam sie die alte Sehnsucht. Wann immer sie ihr jedoch nachgab, reute es sie. Der Rauch biss am Gaumen, legte sich wie Teer auf die Zunge und trübte ihre Geschmacksnerven für mindestens vierundzwanzig Stunden.
Runstad lachte und schüttelte den Kopf. »Kann ich nicht. Ich fahre wieder zurück. Die müssen sie erst mal freilegen, das dauert.«
»Sie? Du meinst, es ist eine Frau?«
»Die