Helle und die kalte Hand. Judith Arendt

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Helle und die kalte Hand - Judith Arendt Helle Jespers ermittelt

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gelben Friesennerz und Gummistiefel aufgedrängt hatte. Ihre Jogginghose und den Hoodie hatte sie darunter anbehalten, sie sah aus wie ein Hochseefischer im Sturm, aber immerhin blieb sie trocken und einigermaßen warm.

      Sie erreichte den Strand und lief entlang der Abbruchkante einer Düne auf die Fundstelle zu. Ole stand mit hochgezogenen Schultern inmitten eines abgesperrten Quadrats, drei Halogenlampen erhellten die gespenstische Szenerie.

      Helle stieg über das Flatterband. Sofort fiel ihr Blick auf das Corpus Delicti: Eine Hand ragte aus dem Sand. In etwa einem Meter Höhe. Sie hing dort zusammenhanglos in der Luft und wirkte wie ein makabrer Garderobenhaken.

      Ole folgte ihrem Blick.

      »Krass, oder?«

      Helle nickte. »Wer hat das gemeldet?«

      Sie sah sich um. Keine Zeugen. Sie hoffte auf einen anonymen Anrufer. Das wäre schon ein erster Hinweis, denn das würde bedeuten, dass jemand gewusst hatte, dass sich hier eine Leiche befand.

      »Ansgar.«

      »Norborg?«

      Ole nickte, und Wasser schwappte von seiner Uniformmütze.

      »Was zum Teufel macht der hier? Um die Zeit, bei dem Wetter?«

      »Als er die Leiche gefunden hat, war es gerade erst dunkel, aber bis er auf der Wache war und ich mit ihm hier rausgefahren bin …«

      »Moment! Nur, dass ich das verstehe.« Helle war ungehalten. »Ansgar treibt sich also hier herum und sieht mal eben zufällig eine Hand. Dann geht er in aller Ruhe zurück und denkt sich …«

      »Er hat trainiert«, unterbrach Ole wieder. »Er ist gelaufen. Ohne Handy. Er trainiert für den Ironman. Und deshalb läuft er hier um die Nordspitze.«

      Helle nickte nur, war aber in Gedanken schon woanders. Obwohl es eine Menge Sachen gab, die besser waren, als hier im eiskalten Novemberregen an der jütländischen Küste herumzustehen und sich mit einer Leiche zu befassen, durchströmte sie Energie. Denn war es nicht das, nach was sie sich so dringend gesehnt hatte? Ein Fall. Ein echter Fall, hier in Skagen, dort, wo man sich mit Ladendieben und Falschparkern herumschlug.

      Seit dem Mord an Gunnar Larsen Anfang des Jahres hatte Helle immer wieder darüber nachgedacht, ob Bengt nicht recht hatte. Er glaubte, dass sie unterfordert war mit ihrer kleinen Skagener Polizeiwache. Sie war erst fünfzig, im besten Alter, um Verantwortung zu übernehmen. Wenn du es noch mal wissen willst, hatte er mehr als einmal zu ihr gesagt, dann jetzt. Aber Helle war unsicher. Mehr zu wollen hätte bedeutet, aus Skagen wegzugehen. Ein Angebot der Mordkommission Kopenhagen lag auf dem Tisch. Aber sie wollte eigentlich nicht weg. Nicht von Bengt und Emil, ihrem Haus, dem Meer und den Dünen. Ihrer Comfort Zone.

      Helle starrte auf die Hand. Das war ein Fall. Ihr Fall.

      »Wo ist Ansgar jetzt?«

      »Ich habe seine Aussage aufgenommen und ihn nach Hause geschickt.« Ole fröstelte.

      Helle zog aus ihrer Manteltasche eine kleine Thermosflasche. Die hatte Bengt ihr zugesteckt, und nun gab sie sie Ole.

      »Nimm. Heiße Brühe.«

      Ole nahm dankbar die Flasche entgegen. Seine Hände waren rotgefroren, und er zitterte.

      »Du hast das toll gemacht, Ole«, lobte Helle ihn endlich. Besser spät als nie. »Wie im Lehrbuch.«

      Ole schüttelte den Kopf, während er versuchte, das heiße Getränk in den kleinen Becher zu gießen, ohne etwas zu verschütten.

      »Doch, doch. Es ist dein erster Tatort.« Helle zeigte um sich herum. »Gut gesichert, alles organisiert, die Richtigen benachrichtigt …«

      Ole schlürfte vorsichtig die Brühe, guckte Helle über den Becherrand an und schüttelte vorsichtig den Kopf.

      »Ich habe mir etwas Zeit gelassen, bevor ich Ingvar informiert habe.«

      Sie sahen sich an. Helle verstand sofort, was Ole ihr damit sagen wollte. Er wusste genau, dass niemand mehr etwas zu melden hatte, wenn Ingvar erst hier aufkreuzte. Er war ihr Vorgesetzter und würde die Ermittlungsarbeit sofort an sich reißen, sobald er witterte, dass aus diesem Fall etwas Größeres werden könnte.

      Und das würde es, ganz ohne Zweifel.

      Helle warf erneut einen Blick auf die Hand.

      »Wann hast du es gemeldet?«

      »Du hast eine Viertelstunde Vorsprung. Sie müssten gleich hier sein.«

      Helle nickte und beschloss, keine Zeit zu verlieren. Ole hätte sofort in Fredrikshavn anrufen müssen. Bei einem Kapitalverbrechen war es seine Dienstpflicht, die übergeordnete Stelle zu benachrichtigen. Stattdessen hatte er sie informiert. Sie zog ihr Smartphone aus der Tasche und machte Fotos von der Hand und der Umgebung, die sie mit ihrer Stablampe ausleuchtete.

      Die Hand war in erstaunlich gutem Zustand, entweder war der dazugehörige Mensch noch nicht lange tot, oder aber Sand konservierte ausgezeichnet.

      Jetzt hörten sie die Polizeisirenen. Ingvar kam also mit Getöse und Aufgebot. Die Kollegen kamen näher, das Licht ihrer Stablampen zuckte über den nachtschwarzen Strand, Helle und Ole hörten ihre Rufe.

      Da ragte auch schon Ingvars großer Oberkörper über die Dünenkante.

      »Das eiskalte Händchen«, er lachte laut. »Na, so was haben wir hier auch noch nicht gehabt.«

      Er stapfte zu ihnen hinunter und tauchte in dem abgesperrten Bereich auf, nickte Ole zu und klopfte Helle auf die Schulter. »Na, mein Mädchen, was habt ihr da aufgetan?«

      Ohne eine Antwort abzuwarten, beugte er sich nah zu der Hand und nahm sie in Augenschein. Er pfiff durch die Zähne.

      »Donnerwetter. Wie es aussieht, hängt da noch mehr dran.«

      Er wandte sich wieder an Helle, während hinter ihm nach und nach Kollegen aus Fredrikshavn auftauchten, die sich nun alle neugierig um den makabren Fund drängten.

      Helle referierte, was sie von Ole wusste. Dass Ansgar Norborg, der Apotheker, der für den Ironman trainiert hatte, die Entdeckung gemeldet hatte.

      »Offensichtlich hat der Dauerregen der letzten Woche dazu geführt, dass hier ein Stück von der Dünenkante abgewaschen wurde.« Helle zeigte auf den langgestreckten Sandhaufen, der sich am Fuß der Düne über ein paar Meter erstreckte.

      »Dadurch wurde die Hand freigelegt. Sonst hätte man die Leiche vermutlich nie gefunden.«

      Ingvar nickte und nahm die Gesamtsituation in Augenschein.

      Ein Kollege hatte inzwischen eine Kamera hervorgeholt und machte Fotos.

      »Als Erstes brauchen wir ein Zelt, um den Fundort vor dem Regen zu schützen. Habt ihr eins?«

      Helle nickte, und Ingvar schien zufrieden.

      »Pia, du rufst in Aalborg an. Die Spurensicherung soll ihren Arsch hierherbewegen, und zwar schnell. Und Dr. Holt benachrichtigen, der soll auch sofort kommen. Vielleicht kann er schon etwas

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