Walpurgisnacht: Niederbayern-Krimi (German Edition). Karoline Eisenschenk

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Walpurgisnacht: Niederbayern-Krimi (German Edition) - Karoline Eisenschenk

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zusammen. Die kannst du doch nicht einfach wegwerfen.«

      Sascha trat unvermittelt einen Schritt zurück. »Ich hab mich aber nicht geändert. Sieh das doch endlich ein. Es ist vorbei.«

      »Wie kannst du nur so eiskalt sein? Wie kannst du mir das nur antun?«

      »Ich bin nicht eiskalt, sondern nur ehrlich. Das war ich von Anfang an. Und jetzt lass mich endlich in Ruhe und fahr nach Hause.« Die anfängliche Wut war zurückgekehrt, und ohne eine Antwort von Tanja abzuwarten drehte er sich um und ging zum Traktor zurück.

      »Doch«, hörte er sie plötzlich schreien, »du bist eiskalt! Sonst würdest du mich hier nicht so stehen lassen.« Sie sank wie ein Häufchen Elend neben ihrem Fahrrad auf die Straße und vergrub ihr Gesicht schluchzend in beiden Händen.

      Sascha schüttelte resigniert den Kopf. »Geh nach Hause, Tanja. Ich muss weiterarbeiten.« Er wollte sie nicht in den Arm nehmen, weil er wusste, dass sie die Geste falsch verstehen würde.

      Als er ins Führerhaus zurückgeklettert war, hob Tanja langsam den Kopf und blickte ihn aus tränenüberströmten Augen an. »Fahr du nur weiter«, stieß sie verzweifelt hervor. »Überfahr mich doch am besten gleich. Dann ist es wenigstens ganz vorbei. Eine hast du doch schon auf dem Gewissen.« Sie wusste genau, womit sie ihn am meisten treffen konnte, und sie wollte ihn verletzten, wollte ihm so wehtun, wie er ihr wehgetan hatte. Aber Sascha reagierte nicht auf ihre Worte, sondern knallte die Tür des Führerhauses zu.

      *

      Amelie Hartmann warf einen kurzen Blick auf ihre Armbanduhr und begann, schneller in die Pedale zu treten. Der Pflegedienst würde in zwanzig Minuten kommen. Außerdem wollte sie Anna nicht so lange mit Laura alleine lassen.

      Der April war ungewöhnlich warm und trocken. Auch heute schien die Sonne wieder kräftig vom tiefblauen Himmel und Amelie spürte, wie sich unter ihrem T-Shirt die ersten Schweißtropfen bildeten. Ihr Vater war schon seit den frühen Morgenstunden auf den Feldern und wollte bis zum Nachmittag durcharbeiten. Sie hatte ihm deshalb eine Brotzeit vorbeigebracht.

      »Papa, du musst etwas essen«, hatte sie ihn eindringlich ermahnt, nachdem er die drei kleinen Plastikbehälter wortlos entgegengenommen hatte.

      Wolfgang Hartmann hatte zuerst nur ein rüdes »Jaja« von sich gegeben, sich dann aber doch neben seine Tochter auf die ausgebreitete Picknickdecke gesetzt. Obwohl er anfangs keinen großen Appetit verspürt hatte, musste er zugeben, dass sich Amelie zu einer ausgezeichneten Köchin gemausert hatte und ihm die Pause gut tat. Auch wenn er am liebsten bis zum Umfallen gearbeitet hätte. Dann wäre es wenigstens vorbei und er müsste sich das Leid nicht jeden Tag von Neuem ansehen. Aber er hatte seiner Frau auf dem Sterbebett ein Versprechen gegeben und das durfte er nicht brechen – ganz egal, wie elend er sich selbst dabei fühlte. Verstohlen betrachtete er seine jüngere Tochter, die jetzt das Besteck und die Teller einsammelte.

      Sie war schon immer sehr zierlich gewesen, aber in den letzten Wochen war sie regelrecht schmal geworden. Und so ruhig, so in sich gekehrt. Auch wenn seine Frau immer diejenige gewesen war, zu der die Mädchen kamen, wenn sie Kummer hatten, Hilfe in der Schule brauchten oder sich etwas kaufen wollten, wofür das Taschengeld nicht ganz ausreichte, hätte er nie gedacht, dass jemals so eine emotionale Distanz zwischen ihm und seiner Tochter entstehen würde. Er stellte plötzlich fest, dass Amelie seit Lauras Unfall kein einziges Mal vor ihm geweint hatte. Und dabei musste man sie nur anschauen, um zu spüren, wie zerbrechlich die Fassade war, die sie mühsam versuchte aufrechtzuerhalten. Er hätte sie so gerne getröstet, so gerne etwas Aufmunterndes gesagt, aber er fühlte wieder nur diese unglaubliche Leere und Müdigkeit.

      »Gut hast gekocht«, hatte er deshalb unbeholfen versucht zu loben.

      Amelie hatte ihn zaghaft angelächelt. Aber so gut wie bei der Mama wird es trotzdem nie schmecken, hatte sie in Gedanken hinzugefügt, es aber nicht gewagt, die Worte laut auszusprechen.

      »Mama, du fehlst mir so.« Jetzt, alleine auf dem Fahrrad, durfte sie es sagen. Jetzt – da keiner sie hören konnte. Für einen kurzen Moment schloss sie die Augen, um den kühlenden Fahrtwind ganz bewusst wahrzunehmen. Anna hatte gesagt, dass die Liebe ihrer Mutter wie der Wind sei – immer zu spüren, auch wenn sie sie nicht sehen konnte.

      Amelie war so in Gedanken versunken, dass sie die auf der Straße sitzende Gestalt erst bemerkte, als sie schon beinahe an ihr vorbeigefahren war. Sie bremste das Fahrrad scharf ab.

      »Ist Ihnen etwas passiert? Brauchen Sie Hilfe?«, fragte sie besorgt.

      Zu ihrem großen Widerwillen erkannte sie in diesem Augenblick Tanja Rohrbach. Sofort spürte sie, wie der vertraute Zorn in ihr aufstieg, und am liebsten hätte sie auf der Stelle kehrtgemacht und Tanja einfach dort sitzen gelassen. Aber irgendetwas war heute anders. Vielleicht war es Tanjas Gesicht, das sonst immer perfekt geschminkt, jetzt aber verquollen und mit Wimperntusche verschmiert war. Oder das verzweifelte Weinen, das ihren schmalen Körper regelrecht durchschüttelte.

      »Nein«, schluchzte sie, »mir kann niemand helfen.«

      Amelie folgte Tanjas Blick und wusste sofort, wer der Auslöser für ihre Stimmungslage war. Sascha Eichinger hatte den Traktor mittlerweile am unteren Ende des Felds gewendet und kam jetzt direkt auf sie zu. Ihre Blicke begegneten sich für den Bruchteil einer Sekunde und Amelie spürte plötzlich Übelkeit in sich aufsteigen. Sie zwang sich, ein paarmal tief durchzuatmen.

      »Komm, Tanja, steh auf«, sagte sie dann. »Lass uns zusammen nach Hause fahren.« Amelie wunderte sich selbst, wie ruhig und beherrscht sie klang.

      »Aber ich kann ohne ihn nicht mehr leben«, flüsterte Tanja, ehe sie langsam aufstand und sich mit einer unbeholfenen Geste die Tränen aus dem Gesicht zu wischen versuchte.

      »So etwas darfst du nicht einmal denken! Das ist dieser Typ nicht wert. Sag so etwas nie wieder, hast du mich verstanden?« Amelie hätte sie am liebsten an den Schultern gepackt und kräftig durchgeschüttelt.

      »Aber warum behandelt er mich denn nur so?«

      »Weil er ein verdammter Scheißkerl ist, der ohne nachzudenken auf den Gefühlen anderer herumtrampelt«, stieß Amelie heftig hervor. »Hier hast du ein Taschentuch.«

      Tanja schien einen Moment mit sich zu ringen, nahm dann aber doch das angebotene Taschentuch und schnäuzte sich geräuschvoll die Nase. Amelie hatte plötzlich das Gefühl, einem kleinen Mädchen gegenüberzustehen, das sich beide Knie aufgeschlagen hat, und eine ungewohnte Welle des Mitleids überkam sie.

      »Jetzt nimm dein Fahrrad und komm mit mir nach Hause«, sagte sie sanft.

      Amelie wollte eine Konfrontation mit Sascha unbedingt vermeiden. Außerdem sagte ihr ein Blick auf die Uhr, dass sie sich beeilen musste. Das Geräusch des Traktors wurde immer lauter. Tanja umklammerte den Lenker des Fahrrads so fest, dass ihre Knöchel weiß hervortraten. Aber sie riss sich zusammen und schaffte es tatsächlich aufzusteigen und loszufahren.

      Amelie eilte zu ihrem eigenen Fahrrad, drehte sich aber noch einmal kurz zu Sascha um. Ihre Augen trafen ungewollt die seinen, und der Hass drohte sie für einen Augenblick zu überwältigen.

      »Eines Tages wirst du dafür büßen«, murmelte sie leise.

      *

      Sascha hatte eigentlich nicht hinsehen wollen, aber Amelies graugrüne Augen zogen ihn wie ein Magnet an. Er spürte ihren hasserfüllten Blick wie tausend kleine Nadelstiche auf der Haut. Die Verachtung, die sie ihm entgegenbrachte, ging ihm durch

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