Walpurgisnacht: Niederbayern-Krimi (German Edition). Karoline Eisenschenk
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Читать онлайн книгу Walpurgisnacht: Niederbayern-Krimi (German Edition) - Karoline Eisenschenk страница 5
»Tja, mein Lieber. Da braucht man eben etwas Mumm in den Knochen«, hallte es in diesem Augenblick durch die Aula.
Cornelius’ Hand, die das Sektglas hielt, zuckte kurz, und er war drauf und dran, in derselben Lautstärke kundzutun, was er von Professoren hielt, die Teile ihres Forschungsfreisemesters auf einem Luxusdampfer verbrachten, anstatt sich eben jener Forschung zu widmen. Aber er dachte einmal mehr an Ramona und begnügte sich schließlich mit einem knappen: »Dann kann ich Ihnen meine Frau ja guten Gewissens anvertrauen!«
»Was machen Sie eigentlich in der Zeit, in der wir an Bord sind?«, fragte Caroline von Greifenberg entgeistert und ganz so, als ob es außerhalb dieses Schiffs keine Überlebensmöglichkeit geben würde. Cornelius sah, wie auch ihr Mann plötzlich neugierig die Ohren spitzte.
»Das, Gnädigste«, flüsterte er deshalb geheimnisvoll, »ist zu delikat, um es auszusprechen.«
*
»Du willst aufs Land ziehen? Wie kommst du denn auf diese unmögliche Idee?«
Tabea starrte ihren Vater entsetzt an. Sie hatte so laut gesprochen, dass sich die Gäste an den anderen Tischen nach ihnen umdrehten, aber obwohl sie sonst auf ihre Etikette und ihr Auftreten sehr viel Wert legte, störte sie sich in diesem Augenblick kein bisschen daran. Ihre kunstvoll hochgesteckten blonden Locken bebten bei jeder Bewegung und schienen ihrer Empörung nur noch mehr Nachdruck zu verleihen. Ihre Wangen glühten fast vor Aufregung.
»Was heißt hier ›aufs Land ziehen‹. Ich werde nicht umziehen, sondern lediglich ein paar Wochen im Haus von Lukas und Sandra verbringen. Das ist alles«, versuchte Cornelius sie zu beruhigen.
Es war zwei Tage nach seiner Verabschiedung. Cornelius hatte Tabea zu einem gemeinsamen Mittagessen abgeholt, um ihr seine vor einigen Tagen gefassten Pläne mitzuteilen. Ihre Reaktion war wie erwartet und er verstand plötzlich, warum Ramona ihm diese Unterhaltung gerne alleine überlassen hatte.
»Das macht Mama niemals mit. Die hält das in diesem Dorf doch keine fünf Minuten aus. Außerdem wolltet ihr doch eine Kreuzfahrt machen!«
»Deine Mutter will eine Kreuzfahrt machen, nicht ich. Deshalb werde ich auch alleine nach Neukirchen fahren. Wir werden eine Art kleine Auszeit nehmen …« Weiter kam er nicht.
»Auszeit?« Die Locken seiner Tochter bebten dieses Mal so stark, dass er beinahe Angst bekam. Die Aufmerksamkeit des halben Restaurants war ihnen mittlerweile sicher, denn Tabea hatte nicht viel leiser gesprochen – ganz im Gegenteil.
Er lächelte den beiden älteren Damen am Nebentisch entschuldigend zu, was allerdings nicht die erhoffte Wirkung hatte. Für sie schien das Ganze jetzt erst richtig interessant zu werden, denn sie starrten das ungleiche Vater-Tochter-Paar weiter unverhohlen an.
»Was soll das heißen, ihr werdet eine Art Auszeit nehmen? Ihr wollt euch scheiden lassen, nicht wahr?« Und nach einer kurzen Pause: »Aber ihr seid doch meine Eltern – das geht nicht!« Tabea hatte manchmal eine sehr einfach konstruierte Logik, der nicht viel entgegenzusetzen war.
»Unsinn, mein Schatz. Niemand spricht hier von Scheidung. Wir brauchen einfach beide ein bisschen Ruhe und Erholung und das dort, wo sich jeder von uns am wohlsten fühlt. Deine Mutter auf einem Kreuzfahrtschiff und ich eben auf dem Land.«
»Aber dieses Getrenntsein habt ihr doch bisher auch nicht gebraucht. Warum denn jetzt auf einmal? Könnt ihr denn nicht irgendwo Urlaub machen, wo es euch beiden gefällt?«
Er musste zugeben, dass diese Frage durchaus ihre Berechtigung hatte. Das Schwierige an der Sache war, dass Cornelius die Antwort darauf selbst nicht wusste. Das heißt, er wusste sehr wohl, dass er nicht mit dem von Greifenbergschen Duo auf eine Kreuzfahrt gehen würde – auch Ramona zuliebe nicht. Deswegen hatte er nicht gezögert, als sein Patensohn Lukas ihn gefragt hatte, ob er für vier Wochen sein Haus in Neukirchen hüten wolle. Lukas hatte die einmalige Chance bekommen, mit seiner Frau eine Griechenlandexpedition zu leiten, wollte aber ihr neu gebautes Haus samt diverser Handwerker nur ungern so lange alleine lassen.
Lukas’ Erleichterung nach seiner Zusage entnahm Cornelius, dass sie wohl auch nicht wussten, wen sie sonst mit dieser heiklen Aufgabe hätten behelligen können. Ramona hatte genau zwei Sekunden gebraucht, um über seinen Vorschlag, die nächsten Wochen gemeinsam in Niederbayern auf dem Land zu verbringen, nachzudenken. Er brauchte ungefähr ebenso lange, um sein Urteil über die von ihr geplante Kreuzfahrt zu fällen. Und da sie sich selten so schnell so uneins waren, stand weitere vier Sekunden später fest, dass – ausnahmsweise – jeder seinen Urlaub so verbringen würde, wie er wollte. Moderne Ehepaare machten so etwas nun einmal, hatte Ramona hinzugefügt. Und da er zwar offensichtlich nichts von moderner Lehrstuhlführung verstand, sich aber nicht nachsagen lassen wollte, ein unmoderner Ehemann zu sein, willigte er ein. Dies versuchte er nun seiner Tochter zu erklären, erntete dafür allerdings keine Anerkennung.
»Mama und du, ihr seid beide über sechzig! Wozu willst du denn plötzlich modern sein? Du warst noch nie modern, Papa. Natürlich fährst du mit Mama auf die Kreuzfahrt. Gegen deine Seekrankheit gibt es doch Tabletten.«
Und damit war für Tabea das Thema offensichtlich erledigt, denn sie widmete sich wieder ganz der Speisekarte. Cornelius musste sich eingestehen, dass es ihm im Grunde genommen egal war, ob er ein moderner Ehemann war oder nicht. Die Wahl zwischen Ruhe und Frieden in einem kleinen malerischen Dorf oder einem nervtötenden Urlaub mit Baron von und zu stellte sich ihm nicht wirklich.
*
Zu Tabeas großem Entsetzen ging es dieses Mal ausnahmsweise nicht nach ihrem Kopf. Ihre Eltern ließen sich von ihren Plänen nicht abbringen.
»Irgendwie rührt mich Tabeas Sorge um unsere Ehe. Ich konnte ihr nur mit Mühe ausreden, dass sie kein Scheidungskind werden wird«, sagte Cornelius lächelnd. Er stand an der Tür des gemeinsamen Schlafzimmers und sah seiner Frau beim Packen ihres mittlerweile vierten Koffers zu. Für ihn grenzte es jedes Mal an ein Wunder, wie man erstens überhaupt einen so großen Kleiderschrank haben konnte und zweitens so viel davon in den Urlaub mitnehmen musste.
Als Ramona auf seinen Kommentar nichts erwiderte, sondern schweigend eine ihrer Seidenblusen faltete, verspürte Cornelius eine plötzliche Unruhe. Vielleicht wusste Tabea ja viel mehr als er selbst. Die Hauptbetroffenen erfuhren es ja meistens erst als Allerletzte, das hörte man doch immer wieder.
Ramona hielt mitten in der Bewegung inne und blickte ihn verwirrt an. »Scheidung? Was redest du denn da für einen Unsinn. Ich habe nicht vor, mich von dir scheiden zu lassen. Auch wenn ich wirklich nicht weiß, was du in diesem Provinznest willst«, sagte sie dann mit einem lauten Seufzer und ließ sich erschöpft auf der Bettkante nieder. Das Einpacken des halben Kleiderschranks forderte offensichtlich erbarmungslos seinen Tribut. »Jetzt sind schon vier Koffer voll und dabei habe ich die Schuhe und Taschen noch nicht eingepackt«, murmelte sie und blickte zwischen ihrem Kleiderschrank und dem bedrohlich wachsenden Kofferberg hin und her.
»Bist du sicher, dass du alles brauchst, was du bisher eingepackt hast?«, versuchte er ihr seine Hilfe anzubieten, womit er sich jedoch nur einen weiteren vorwurfsvollen Blick einhandelte.
»Also Gregor, davon verstehst du nun wirklich nichts. Wie sehen denn eigentlich deine eigenen Vorbereitungen aus? Du wirst mir doch nicht im Ernst weismachen wollen, dass du bereits für vier Wochen gepackt hast?«
Cornelius kam nicht mehr dazu, ihr seine – mit wesentlich weniger Aufwand verbundenen – Reisevorbereitungen zu erklären, denn in