Walpurgisnacht: Niederbayern-Krimi (German Edition). Karoline Eisenschenk
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Читать онлайн книгу Walpurgisnacht: Niederbayern-Krimi (German Edition) - Karoline Eisenschenk страница 7
Hauptstraße 22 – er war am Ziel angekommen. Vorsichtig bog Cornelius in die kiesbedeckte Einfahrt des zweistöckigen Neubaus. Den Baugrund hatte Sandra von ihrer Großmutter geerbt, die sich beharrlich geweigert hatte, ihn der Gemeinde zu verkaufen. Sandra war im Nachbardorf aufgewachsen und liebte – genau wie Lukas – das Landleben. Also hatten sie sich nach fast zwanzig Jahren in der Großstadt entschlossen, nach Neukirchen umzuziehen. Das Haus, das schließlich entstanden war, war zweifellos ein Neubau, dennoch passte es sich mit seinem verwinkelten Baustil, den Holzbalken und grünen Fensterläden wunderbar der ländlichen Umgebung an.
Als Cornelius durch den kleinen Vorgarten auf die Eingangstür zuging, fiel ihm ein, dass der Schlüssel im Gasthaus für ihn hinterlegt war, da Lukas und Sandra bereits seit zwei Tagen in Griechenland waren. Das hatte er vollkommen vergessen.
Er beschloss spontan, das Auto stehen zu lassen und die kurze Strecke zu Fuß zu gehen. Vielleicht lernte er ja gleich seine zukünftigen Nachbarn kennen. Direkt nebenan stand ein stattlicher Bauernhof. Ein gepflegtes und mit zahlreichen Holzverkleidungen versehenes Wohnhaus befand sich auf der zur Nummer 22 angrenzenden Seite. Der große Innenhof mit einem wunderschönen Brunnen trennte es von den Wirtschaftsgebäuden und den Stallungen auf der anderen Seite. Cornelius vernahm das gedämpfte Wiehern von Pferden und entdeckte eine schwarze Katze, die sich vor dem Brunnen in der warmen Nachmittagssonne räkelte. Davon abgesehen war jedoch niemand zu sehen.
In diesem Augenblick hörte Cornelius hinter sich ein energisches Hupen und ein schwarzer Sportwagen, dessen Fahrer ohrenbetäubend laute Musik hörte, donnerte haarscharf an ihm vorbei und raste in den Innenhof. Direkt vor dem Eingang des Wohnhauses kam das Auto mit quietschenden Reifen zum Stehen.
Cornelius war erschrocken zwei Schritte zurückgestolpert und dabei unweigerlich vom Gehsteig auf die Straße getreten, auf der sich soeben ein weiterer Wagen von hinten näherte. Dessen Fahrer wich im letzten Moment aus, versuchte gleichzeitig zu bremsen, kam aber auf der Mistspur, die der Traktor hinterlassen hatte, ins Schleudern und rammte beinahe ein Toilettenhäuschen, das für eine Baustelle am gegenüberliegenden Haus aufgestellt war. Nur wenige Zentimeter davor hielt der Wagen schließlich an.
Dies alles geschah innerhalb weniger Sekunden und so blitzschnell, dass Cornelius nur mit offenem Mund dastand und zu keiner Reaktion fähig war. Erst als der Fahrer des Wagens wutentbrannt ausstieg und schimpfend auf ihn zu rannte, erwachten seine Lebensgeister wieder.
»Was laufen Sie denn mitten auf der Straße herum?«, brüllte der Mann. Er war Mitte fünfzig und hatte hellbraunes, an manchen Stellen schon leicht ergrautes Haar. Während er schrie, blieben seine Augen seltsam leblos. Wie überhaupt sein ganzes Gesicht einen abgekämpften und erschöpften Eindruck machte.
»Beinahe hätte ich Ihretwegen das Auto an diesem Klohäusl angeschrammt. Und wenn es ganz blöd gelaufen wäre, dann hätte ich Sie auch noch überfahren!«
Somit war wenigstens von Anfang an klar, wer beziehungsweise was hier wirklich wichtig war. Es war diese Aussage, die Cornelius endlich seine Stimme und seine Haltung wiederfinden ließ.
»Was kann ich dafür, wenn ich mitten auf dem Gehsteig beinahe von diesem Sportwagen angefahren werde. Irgendwo musste ich ja schließlich hin.« Er deutete auf den Wagen, aus dem soeben ein junger Mann stieg.
Sein Gegenüber erstarrte. Er schien Cornelius, der sich noch einmal entschuldigte, mit einem Mal völlig vergessen zu haben. Dann zuckte er plötzlich zusammen. »Was haben Sie gesagt?«
»Ich sagte, es tut mir leid, dass ich Ihnen so einen Schreck eingejagt habe, aber dieser junge Mann hat mich beinahe angefahren. Im Übrigen bin ich Gregor Cornelius. Ich werde die nächsten vier Wochen im Haus von Lukas und Sandra Albrecht wohnen.«
»Von dem da drin kann ja auch nix Gescheites kommen«, murmelte der Mann geistesabwesend. Doch dann schien er sich zu besinnen, denn nach einer kurzen Pause streckte er seine kräftige Hand aus: »Hartmann, Wolfgang Hartmann. Mir gehört der Hof rechts neben den Albrechts.« Der andere Nachbar also.
»Darf ich Sie zur Entschuldigung vielleicht zu etwas einladen?«, fragte Cornelius. »Ich bin ohnehin auf dem Weg in den Gasthof, weil dort der Schlüssel für mich hinterlegt ist.«
In diesem Augenblick hörte Cornelius Schritte hinter sich. Er wandte sich um und sah, dass der junge Mann langsam auf sie zukam. Die Katze, die den ganzen Tumult zuvor mit Gelassenheit beobachtet hatte, war aufgesprungen und lief jetzt dicht neben ihm. Er lächelte Cornelius freundlich an und streckte ihm sofort seine Hand entgegen.
»Tut mir leid, dass ich Sie so erschreckt hab. Aber ich hab überhaupt nicht damit gerechnet, dass jemand in unserer Einfahrt steht. Alexander Eichinger, aber bitte sagen Sie Sascha zu mir.«
Cornelius war wahrlich kein Experte auf diesem Gebiet, dennoch erkannte selbst er, dass er gerade einem sehr attraktiven Exemplar seiner Spezies gegenüberstand … groß gewachsen, breitschultrig, braun gebrannt und mit der eher seltenen Kombination aus dunklen Haaren und tiefblauen Augen. Er besaß dieses gewisse Charisma, das nicht viele Menschen hatten, das andere aber sofort in seinen Bann zog und zu faszinieren wusste. Cornelius musste zugeben, dass es auch ihm nicht schwer fiel, dem jungen Mann zu verzeihen. Er stellte sich erneut vor und erklärte Sascha, was ihn nach Neukirchen und in die Einfahrt der Eichingers verschlagen hatte.
»Und dann hätte ich beinahe Herrn Hartmann zu einem Unfall genötigt«, schloss er seine Erklärungen ab und deutete auf Wolfgang Hartmann, der die ganze Zeit schweigend daneben gestanden hatte. Dessen Blick hatte sich erneut verdüstert und strahlte zudem plötzlich eine Kälte aus, die Cornelius fast erschreckte.
Für einen kurzen Moment schien auch Sascha Eichinger etwas aus dem Gleichgewicht zu geraten. Sein Lächeln war verschwunden und er vermied es, Wolfgang Hartmann direkt anzusehen oder etwas zu ihm zu sagen. Den Blick abwechselnd auf Cornelius und auf den Boden gerichtet, schwieg er einige Sekunden. Doch dann hatte er sich wieder im Griff.
»Tut mir wirklich leid, dass ich Sie so erschreckt hab. Ich würde Sie gerne auf ein Bier zu uns einladen«, sagte er dann mit einem Blick auf den Bauernhof, »aber wir müssen heute noch aufs Feld. Kommen Sie doch morgen Nachmittag auf den Fußballplatz hinter der Kirche. Wir spielen um drei gegen die Jungs aus Ebersbach und danach gibt’s Freibier für alle.« Er grinste und zwinkerte Cornelius zu. »Hab nämlich vor Kurzem eine Wette verloren.«
Cornelius nahm die Einladung gerne an. Fußball und Freibier – was für eine gute Entscheidung, nach Neukirchen zu kommen! Schuldbewusst musste er kurz an Ramona denken, die davon wenig begeistert wäre.
Erst nachdem Sascha sich von ihm verabschiedet hatte, fiel Cornelius auf, dass Wolfgang Hartmann die ganze Zeit kein Wort gesagt hatte. Auch jetzt blickte er dem jungen Mann nur finster hinterher, ehe er etwas murmelte, das wie »Hauptsache, du hast deinen Spaß!« klang, aber Cornelius war sich nicht sicher, ob er richtig gehört hatte.
»Netter junger Mann, wenn auch ein bisschen ungestüm«, sagte er deshalb vorsichtig, doch Hartmann blieb eine Antwort darauf erspart, denn in diesem Augenblick wurde hinter ihnen laut gehupt.
Ein Traktor war die Hauptstraße entlanggefahren, konnte jetzt jedoch nicht mehr weiter, da Hartmanns Auto immer noch quer auf der Straße stand. An dem weißblauen Band, das an einem der Außenspiegel angebracht war, erkannte Cornelius, dass es derselbe Traktor war, der bei seiner Anreise in Neukirchen vor ihm hergefahren war und den Mist verloren hatte. Seinen Anhänger samt Inhalt hatte er mittlerweile offenbar irgendwo abgestellt.
»Was