Walpurgisnacht: Niederbayern-Krimi (German Edition). Karoline Eisenschenk
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Читать онлайн книгу Walpurgisnacht: Niederbayern-Krimi (German Edition) - Karoline Eisenschenk страница 10
Das Gästezimmer – sein Zimmer für die nächsten vier Wochen – besaß ein eigenes kleines Badezimmer und befand sich im Erdgeschoss direkt neben dem Wohnzimmer. Es hatte eine großzügige Fensterfront und war hell und geschmackvoll eingerichtet. An der Wand gegenüber des Doppelbetts hing eine moderne Darstellung der Akropolis, die, wie die Unterschrift am unteren rechten Bildrand erkennen ließ, Sandra selbst angefertigt hatte. Er stellte erleichtert fest, dass die Matratze sehr hart war und man nicht Gefahr lief, so tief einzusinken, dass man alleine nicht mehr aufstehen konnte. Die dunkelblauen Vorhänge passten farblich exakt zur Tagesdecke und zu den Handtüchern im Badezimmer, was zweifellos ebenfalls Sandras stilsicherem Auge zu verdanken war. Der Kleiderschrank nahm fast die gesamte Türseite ein und hätte problemlos dem Inhalt von Ramonas sämtlichen Koffern Platz geboten. Cornelius trat an das gegenüberliegende Fenster und öffnete es. Warme Frühlingsluft strömte herein. Er stellte fest, dass es sich an der Hausseite befand, die an das Grundstück der Hartmanns angrenzte.
Dort war im Erdgeschoss ebenfalls ein Fenster geöffnet und gab den Blick in eine gemütliche Küche frei, in der sich jedoch im Moment niemand aufhielt. Während Cornelius noch über seinen Nachbarn und dessen Tochter nachdachte, füllte auf einmal die Gestalt von Wolfgang Hartmann den Rahmen der Küchentür aus. Cornelius trat rasch einen Schritt vom Fenster zurück, um nicht von ihm gesehen zu werden. Sein Einstand war holprig genug verlaufen. Hartmann hielt ihn bereits für einen akademischen Wichtigtuer, er musste ihn nicht auch noch in die Kategorie »neugieriger Großstädter, der sich nur allzu gerne in die Angelegenheiten seiner Nachbarn einmischt« einordnen. Kaum hatte Wolfgang Hartmann die Küchentür wieder geschlossen, klingelte Cornelius’ Mobiltelefon.
»Tabea, mein Schatz, wie schön, dich zu hören.«
Kapitel 5
Und – wie ist er so, dieser Professor Cordelius?«, fragte Carola Schäfer, als sie ihren Sohn und ihre Tochter bei Anna Leitner abholte.
»Cornelius. Er heißt Gregor Cornelius, nicht Cordelius. Und er ist nett, sehr nett sogar. Frag deine Kinder. Denen hat er gleich ein Eis spendiert«, antwortete Anna, während sie gleichzeitig die erste Runde Bier für den Stammtisch zapfte.
Die Gaststube begann sich allmählich zu füllen und Anna war froh, dass die beiden Racker endlich abgeholt wurden. Sie liebte ihren Neffen und ihre Nichte über alles, aber Kinder gehörten nicht in die Gaststube, wo laut diskutiert und politisiert wurde, wo man Karten spielte und Fußball schaute und in der Hitze des Gefechts auch der eine oder andere Ausdruck unterhalb der Gürtellinie fiel. Gerade Sophie hatte Ohren wie ein Luchs und schnappte begierig alles auf, was man in ihrer Gegenwart zum Besten gab. Wörter, die nicht zum Vokabular einer Fünfjährigen gehörten, hatten es ihr besonders angetan.
»Also meinst, dass gut mit ihm auszukommen ist?«
Anna blickte ihre jüngere Schwester verwundert an. »Ja, freilich. Warum denn nicht? Was machst du dir denn auf einmal solche Gedanken?«
Carola blickte sich einmal kurz um, ehe sie im Flüsterton antwortete. Anna musste sich anstrengen, um über den Lärm, den die Männer am Stammtisch machten, überhaupt ein Wort zu verstehen.
»Du kannst dir nicht vorstellen, was bei den Albrechts kurz vor ihrer Abreise los war. Alle fünf Minuten hat jemand aus München angerufen: einmal seine Frau, dann irgendeine Haushälterin, dann wieder seine Frau. Die Frau Albrecht war sich zum Schluss nicht mehr sicher, ob das wirklich so eine gute Idee war, ausgerechnet Lukas’ Patenonkel das Haus anzuvertrauen. Darauf konnte auch nur ein Mann kommen.«
Anna musste unvermittelt lächeln. »Ich möchte nicht wissen, wie oft du deinem Stefan hinterhertelefonierst, wenn der mal nicht zu Hause ist. Ist doch klar, dass seine Frau sich Sorgen macht. Wenn ich da an den Johann denke …« Ihre Miene verdüsterte sich.
Mit einem energischen Ruck hob sie das Tablett mit den gefüllten Biergläsern hoch und ging zum Stammtisch, wo sie bereits sehnsüchtig erwartet wurde. Zurück am Tresen, saß ihre Schwester immer noch dort.
»Überall hat die Frau Albrecht Merkzettel angebracht. Und ich soll ein Auge auf ihn haben, hat sie mir noch zugeflüstert, bevor sie zum Flughafen gefahren sind. Der ist die Sache auch nicht mehr ganz geheuer, da bin ich mir sicher. Aber was soll ich denn zu ihm sagen?«
»Frag ihn halt, ob du ihm bei irgendetwas helfen kannst, wenn du das Gefühl hast, er kommt nicht zurecht.« Anna verlor allmählich die Geduld. »Und im Übrigen sollte die Sandra Albrecht froh und dankbar sein, dass sich jemand für vier Wochen um ihr Haus und die ganzen Handwerker kümmert. Wer hat denn schon so viel Zeit und kann zu Hause alles liegen und stehen lassen? Ich hätte sie hören wollen, wenn sie nicht nach Griechenland hätte mitkommen können.« In Anna brodelte es, während sie die benutzten Biergläser im Spülbecken reinigte. Dass manche Menschen aber auch immer unzufrieden sein mussten. Was würde sie für eine einzige Woche Urlaub in Griechenland oder irgendwo sonst auf dieser Welt geben. Endlich einmal raus aus diesem Haus …
»Was bist denn jetzt auf einmal so sauer? Ich mach mir doch nur Sorgen, dass ich mit diesem Cordelius nicht auskomm.« Carola spürte, dass sie drauf und dran war, mit ihrer Schwester zu streiten.
»Cornelius, nicht Cordelius. Jetzt merk es dir halt mal. Und warum solltest du mit ihm nicht auskommen? Deine Kinder hatten auch keine Probleme. Nimm sie doch einfach mit. Ich hab das Gefühl, er kann sehr gut mit Kindern umgehen.«
»Das wäre mir gar nicht so unrecht«, seufzte Carola. »Ausgerechnet jetzt, wo im Kindergarten die Masern umgehen und der Stefan seinen Fuß noch nicht ganz belasten darf.«
»Apropos Kinder. Die beiden sind beim Daniel Eichinger und spielen im Sandkasten. Das ist auch so ein herzensguter Mensch, auf den man sich hundertprozentig verlassen kann.« Anna klang schon wieder versöhnlicher.
»Daniel ist herzensgut und sein Bruder ein Herzensbrecher. Aber irgendwann werden Sascha seine ganzen Frauengeschichten noch zum Verhängnis, das schwör ich dir.«
*
Gedankenverloren blickte Anna ihrer Schwester nach. In Momenten wie diesen wurden ihr die zwölf Jahre Altersunterschied plötzlich wieder bewusst. Carola das kleine Mädchen und sie die große Schwester, die sie ab und zu an der Hand nehmen musste. Und doch: Was für ein unglaubliches Glück es war, dass sie einander hatten. Als ob sie ihre Gedanken gelesen hätte, kam in diesem Augenblick Amelie Hartmann zur Tür herein. Ihr Anblick machte Anna einmal mehr schmerzhaft bewusst, wie grausam das Schicksal doch mitunter sein konnte.
»Bist du schon wieder da? Ich hab dich erst in einer Stunde zurückerwartet.«
»Ja, ich hab nur kurz was erledigen müssen«, sagte Amelie leise. »Der Papa ist jetzt auch daheim. Auf den Stammtisch hat er sowieso keine Lust. Weißt du eigentlich, wo der Johann ist? Der Baumgartner steht nämlich mit seinem Auto draußen und hat sich nach ihm erkundigt.«
Kaum hatte Amelie den Namen »Baumgartner« ausgesprochen, stellte Anna das Tablett, das sie soeben in die Hand genommen hatte, mit einem Knall auf den Tresen zurück. Amelie blickte sie erstaunt an.
»Nein, ich weiß nicht, wo der Johann ist. Aber mit dem Baumgartner werd ich schon selbst fertig. Kannst du das Tablett bitte an den Vierertisch in der Ecke bringen? Ich bin gleich wieder da.«
Und noch ehe Amelie etwas erwidern konnte, war Anna hinter dem Tresen