Der Dozent. Stefan Meier

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Der Dozent - Stefan Meier страница 11

Автор:
Жанр:
Серия:
Издательство:
Der Dozent - Stefan Meier

Скачать книгу

wurde sie still und funkelte nur noch böse mit ihren Augen, aber zumindest würde sie – Gott sei Dank – in den meisten Fällen die Klappe halten.

      Natalie erinnerte sich an die Klausureinsicht im letzten Semester. Heike hatte sich trotz eines Durchschnitts von 2,6 über ihre 2,0 beschwert. Natürlich hatte sie die Schuld bei der „ungerechten“ und „fiesen“ Bewertung von Professor Fischer-Martinsen gesucht. Jakob hatte sich neben sie gestellt und gehustet: „Ich bin alt genug und mache mich selbst, und nicht meine Lehrer für meine Noten verantwortlich!“ Damit hatte er das Lachen aller, inklusive des Professors, auf seiner Seite gehabt.

      „Wenn Sie ein Zweitgutachten wünschen, dann schreiben Sie eine formale Begründung an das Prüfungsamt. Frist sind vier Wochen, vorher rühre ich keinen Finger“, hatte Professor Fischer-Martinsen ihr seelenruhig geantwortet und sie kalt stehen gelassen. Ihr Lippen hatten vor Wut begonnen zu beben und sie hatte böse Blicke in Richtung Jakob geworfen, der sich immer noch vor Lachen den Bauch gehalten hatte.

      „… auf das Referat bin ich mal gespannt. Wehe, die tun nicht, was ich sage …“

      Heike schritt an ihnen vorbei, ohne auch nur die geringste Kenntnis von ihnen zu nehmen. An ihrer Seite war Sandy. Eigentlich hieß sie Sandra und Sandy war lediglich ihr Spitzname. Zu Beginn des Studiums hatten Natalie und Lilly viel mit ihr zu tun gehabt. Sandy war ein ausgesprochen großzügiger und liebenswürdiger Mensch, wenn auch naiv und gutgläubig. Ihre Freizeit drehte sich um das Dressurreiten und ihren jungen Schäferhund Sternchen. Oft waren sie mit Sandy ins Grüne gefahren, hatten mit Sternchen gespielt und die Waldstücke in der Umgebung erkundet. Gemeinsam veranstalteten sie Brettspielabende, kochten gemeinsam und bereiteten sich gemeinsam auf ihre allererste Klausur vor. Als Sandy dann Heike kennenlernte, kam es langsam zum Bruch. Sie hatte zuerst wenig und später gar keine Zeit mehr für Lilly und sie gehabt.

      Heike schien eine sehr einnehmende Persönlichkeit zu sein und Natalie wurde das Gefühl nicht los, dass Sandy in dieser Freundschaft nur eine unterbezahlte Sekretärin war, und das tat ihr leid. Sie verdiente etwas Besseres, aber wenn man wochenlang nur Absagen erhielt, dann sah man es irgendwann auch nicht mehr ein, sich zu verabreden. Von Sandy musste schließlich auch ein Impuls kommen. Zumindest winkte sie ihnen noch zu und begrüßte sie lieb, bevor sie und Heike im Seminarraum verschwanden.

      Jakob streckte sich und blickte dann auf sein Handy. „Lasst uns auch mal rein und uns einen Platz suchen. Am besten weit weg von … na, ihr-wisst-schon-wem.“ Er hielt seine Hand schräg vor dem Mund und schielte in Richtung Heike. Die anderen drei nickten.

      Bevor sie in den Raum gingen, warf Natalie noch einen Blick nach rechts in den Korridor. Ein Mann mit rotem Rollkragenpullover schritt den Gang hinunter. Er zog einen kleinen Rollkoffer hinter sich her. Definitiv handelte es sich bei der Person um den jungen Mann mit den sympathischen Krähenfüßen, mit dem Natalie zu Mittag gegessen hatte. Und er bewegte sich direkt auf ihren Raum zu.

       8

      Natürlich hatten sie keine Sitzplätze weit weg von Heike bekommen. Die Tische in dem Raum waren in einer Hufeisenform mit zwei zusätzlichen Tischreihen in der Mitte angeordnet. Heike saß hinten rechts an der Ecke und da die anderen Studierenden scheinbar den selben Plan wie Natalie und ihre Clique verfolgten, und möglichst viel Distanz zwischen sich und dem Lästermaul lassen wollten, waren die einzigen freien Plätze direkt neben ihr. Jakob verzog schmerzlich die Miene, als er sich neben Heike setzte. Dann folgten Natalie, Lilly und Felix. Kaum hatte sich Lilly gesetzt, folgte wieder ihr Ritual: den Collegeblock in die Mitte legen, aufklappen, das Datum oben rechts notieren. Den Veranstaltungsnamen mittig in die erste Zeile schreiben, unterstreichen. Mit Rot. Denn Rot waren die Sprachwissenschaften, Blau die Naturwissenschaften und Grün die Gesellschaftswissenschaften. Für Pädagogik kam Violett zum Einsatz. In Momenten wie diesen überlegte Natalie, ob Lilly an OCD litt. Ja, definitiv! Die Bewegungsabläufe mit dem Collegeblock aus der Tasche holen, aufklappen, Datum notieren, und so weiter waren minuziöse, jahrelang trainierte Bewegungen, die reibungslos ineinander übergingen.

      Kaum war Lilly mit dem Unterstreichen fertig, fiel auch die Tür zu und ihr Dozent, Max Schmidt, betrat den Raum und begrüßte die illustre Runde mit einem herzlichen „Moin!“ Er zog den Rollkoffer hinter sich her und nahm am vordersten Tisch Platz. Die schnelle neunzig Grad Drehung des Koffers ließ die Räder blockieren und sie schliffen knirschend über den PVC-Boden. Er lächelte in die Runde, hievte den Koffer auf den Stuhl und nahm seinen Laptop hinaus. Es folgten Maus, HDMI-Kabel, Präsenter und ein schwarzes Notizbuch. Während sein Laptop hochfuhr, ließ Max Schmidt seinen Blick über die Studierenden schweifen. Bildete Natalie es sich nur ein, oder verharrte sein Blick kurz auf ihr, als er zu ihnen herübersah? Hatte er sie auch wiedererkannt?

      „Ja, mit ihm war ich vorhin definitiv essen!“, sagte Natalie und drehte sich zu den anderen.

      „Und wenn du dich noch in Schale werfen würdest und mit ihm einen romantischen Spaziergang bei Sonnenuntergang unternimmst, dann ist dir die 1,0 sicher!“, säuselte Felix und Jakob fing an zu lachen. Heike erwiderte mit einem lauten Schnauben.

      „Weißt du was? Vielleicht werde ich das sogar!“, konterte Natalie und verschlug Felix offensichtlich die Sprache. Das passierte selten.

      Herr Schmidt drückte auf einen Knopf auf dem hintersten Drittel seines Tisches und der Beamer piepte auf. Nach einigen Sekunden wurde ein blaues Bild an die Leinwand projiziert. Er friemelte das HDMI-Kabel in die passende Buchse auf dem Tisch, steckte die Maus an den USB-Port auf der linken Seite seines Laptops und schwang das Kabel elegant dahinter.

      „Wir können sofort loslegen. Geben Sie mir noch einen Moment.“

      „Jaja, nur keine Eile“, konnte man es aus einer Ecke hören. Einige Studentinnen kicherten leise.

      Ein letztes Mal griff Herr Schmidt in seinen Koffer, holte einen Stapel Zettel hervor und drückte auf eine Taste auf dem Laptop. Das blaue Bild verschwand und eine Präsentation mit dem Titel Sprachentwicklung kam zum Vorschein.

      „Starten wir“, strahlte er, stellte den Koffer auf den Boden und schob den Stuhl zur Tischkante heran. „Mein Name ist Max Schmidt, ich bin wissenschaftlicher Mitarbeiter der Hochschule und dieses Semester beschäftigte ich mich mit Ihnen mit der Sprachentwicklung. Entgegen vieler Kollegen, die es vorziehen schlicht Referate zu verteilen und bis Ende des Semesters nur Präsentationen anzuhören, handhabe ich meine Kurse etwas anders. Bis nächstes Mal kaufen Sie sich bitte meinen Reader. Dieser ist im Sekretariat erhältlich und Sie tragen natürlich nur die Kosten für den Druck“, er lächelte sanft. „Der Reader kostet sieben Euro.“

      „Wieder sieben Euro ins Klo geworfen“, konnte man Heike schnauben hören. Sandy gluckste, Felix und Jakob schüttelten den Kopf. Herr Schmidt, der scheinbar den Zwischenruf überhört oder ihn professionell ignoriert hatte, fuhr fort.

      „Vor mir liegt der Kursplan.“ Er hob den Stapel hoch und begann sie auszuteilen.

      „Zu jeder Seminarsitzung reden wir über ein spezifisches Thema. Nächste Woche reden wir beispielsweise über den frühkindlichen Spracherwerb. Die Woche darauf über den Spracherwerb von Immigranten, für die Deutsch eine Zweit- oder in den meisten Fällen eine Fremdsprache ist. Ein aktuell wichtiges Thema und wenn Sie später in die Schule wollen, kommen Sie nicht drum herum. Die letzten drei Veranstaltungen sind bewusst leer gelassen. Da möchte ich auf Ihre Wünsche eingehen.“

      „Und wir sollen wohl deine Arbeit machen oder was“, tönte es halblaut aus der letzten Reihe. Wieder Heike.

      „Damit unsere Konversationen mit Inhalten gefüllt sind, finden Sie auf dem Kursplan die entsprechenden Kapitel im Reader, die Sie für die Sitzungen lesen sollen. So, was fehlt

Скачать книгу