Deutschland 1936 - Ein Jahr im braunen Dunst. Adolf, Dr. Küster

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Deutschland 1936 - Ein Jahr im braunen Dunst - Adolf, Dr. Küster

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du hast Ideen. Toll, das machen wir auf jeden Fall.

      Nur, hast du gesehen, das Lagerhaus ist fest verrammelt. Mutter hat bislang keinen Schlüssel gefunden. Sie will es aufbrechen lassen.“

      “Soll ich mal was Kluges sagen?“

      “Na. bitte!“

      “ Nie verzagen, Kurtchen fragen!“

      “Was denn, du Dichter, weißt du etwa wo ein Schlüssel liegt?“

      Die beiden hatten gemütlich in der Sonne, auf der Bank vor dem Gewächshaus „A“ gesessen. Jetzt rennen sie quer durch die Gärtnerei, hinüber zum Lagerhaus mit den Viehställen, das sich am Ende des handtuchförmigen Betriebes befindet.

      Das große Scheunentor des Lagerhauses ist durch einen schweren Eisenriegel gegen unerlaubtes Eindringen geschützt. Ein goldfarbenes schweres Vorhängeschloss grinst die beiden triumphierend an.

      Kurt hat sich auf eine derbe Holzkiste gestellt und steckt nun seinen rechten Arm tief durch eine Art Loch, das von den Fachwerkbalken rechts oberhalb des Tores gebildet wird und zaubert nach langem Herumfingern einen schmalen Schlüssel ans Tageslicht.

      “Das ist er! Verdammte Vogelscheiße!“

      Triumphierend hält er Sami den Schlüssel unter die Nase und versucht den frischen Vogeldreck vom Ärmel herunter zu kriegen.

      Sami kann die Schadenfreude nur schwer unterdrücken.

      “Kurt, du bist ein richtiger Tausendsassa.“

      Sami schließt das große Vorhängeschloss auf und legt es zur Seite.

      Er hebt den schweren Eisenriegel aus seinen Verankerungen und öffnet das Scheunentor.

      Beide Blicke fallen in ein großes Lagerhaus, in dem sich neben vielem Gemöcks, Bodenfräsen und anderem Ackergerät, auch ein gummibereifter Pferdewagen und ein uralter Pferdeschlitten findet.

      “Das muss ich unbedingt meiner Mutter zeigen.“

      Sami läuft auf flinken Beinen hinüber zum Gärtnerhaus, das er mit seiner Mutter seit wenigen Tagen bewohnt.

      Kurt hat die Vorbesitzer der Gärtnerei, die Wiesers, noch lebendig vor Augen. Von seinem Zimmer aus, beobachtete er schon als kleines Kind zu gern diesen geschäftigen Betrieb da unten, sofern er nicht selbst dazwischen herumlief.

      Frau Wieser war eigentlich die Seele des Betriebes. Wenn sie auf schlanken Beinen zwischen den Frühbeeten und Gewächshäusern herumwirbelte, dann stimmte die Richtung.

      Alle mochten sie und jedermann arbeitet gern mit ihr zusammen. Ihr Mann wirkte eher wie ihr Angestellter und sie bestimmte die Richtung. Nach ihrem Tod vor zwei Jahren ging es rapide abwärts mit der ’Gärtnerei Wieser.’ Das Pferd, die ’Bella’ verschwand als Erstes.

      Liebend gern saß der kleine Kurt auf dem Rücken dieses lammfrommen Pferdes und ritt stolz mit, wenn Frau Wieser zum Blumenmarkt fuhr und dort unter anderem Alpenveilchen, Primeln und Geranien verkaufte. Neben Schnittblumen, Obst und Gemüse.

      Frau Ester Wieser nähert sich neugierig, mit langen, unsicheren Schritten der Lagerhalle. Eine ansehnliche Frau mit vollem schwarzem Haar. Eine Frau um die Fünfzig.

      Kurt Rübnitz hatte sie bislang noch nicht gesehen. Er ist sofort angetan, von dieser gepflegten Frau, mit so einem ehrlichen, freundlichen Blick.

      “So, dann bist du also der Kurt Rübnitz! Samuel hat viel von dir erzählt. Ist doch schön, dass du so nahe wohnst. Wenn dein Vater Frauenarzt ist, dann weiß ich jedenfalls in Zukunft, wo ich hinzugehen habe.“

      “Er würde sich freuen, bestimmt.“

      Kurt Rübnitz weiß schon eine Menge über diese Frau.

      Sami hat gleich, nachdem er sein Zimmer im Gärtnerhaus bezogen hatte, intensiv im Jugendzimmer seines Vaters nach einem Geheimfach gesucht, von dem sein Vater vor Jahren mal gesprochen hatte.

      Sami hatte Glück und wohl auch die richtige Nase. Eine Diele unter seinem Bett ließ sich hochheben, was man ihr aber von außen nicht ansehen konnte.

      Er fand in diesem Geheimfach eine Menge schwärmerischer Liebesbriefe aber auch einen sehr wichtigen Brief von dieser Frau. Von Samis Mutter, die jetzt vor ihm stand. Dieser Brief ließ einen verstehen, weshalb Bernhard Wieser, der Vater von Sami, sein Elternhaus für immer verließ.

      Sami hatte ihm gestern diesen schicksalsschweren Brief vorgelesen.

      „Wir müssen uns trennen“, war die Kernaussage.

      Wörtlich: „Dein Vater hat mich, hinter meinem Rücken, wiederholt als „die Judenschlampe“ bezeichnet. Wie kann ich dauerhaft in einer Familie leben, in der ich grundlos, derartig beleidigt werde.“

      Als er das hörte, änderte Kurt Rübnitz schlagartig seine Meinung über den „Alten Wieser“. Ein überzeugter Nationalsozialist war der schon immer. Das wusste hier jeder.

      Bei Wiesers wurde bei jeder sich bietenden Gelegenheit eine lange, ehrerbietende Hakenkreuzfahne an der Stirnseite des Gärtnerhauses gehisst.

      Rübnitzens begnügten sich, wie die meisten, mit einer Fahne, so groß wie ein Handtuch.

      Der alte Wieser, Hermann hieß er mit Vornamen, war ja auch ihr „Zellenleiter der NSDAP“, der den Bezirk Hannoversche Landstraße, Feldstraße und Berliner Straße umfasste. Hermann Wieser organisierte, dass jeder Haushalt seiner Zelle, regelmäßig Propaganda- Nachrichten erhielt. Kurt hatte in seinem Auftrag auch schon diese Zettel verteilt und sogar seinen Spaß dabeigehabt. Nach allem was er jetzt erfahren hatte, würde er dem Zellenleiter keinen Gefallen mehr tun.

      Wie kann man bei solch einer sympathischen Frau von einer ’Schlampe’ reden? Kurt kann das nicht begreifen. Aber es gibt eben in Deutschland Menschen, die Juden irrsinnig hassen. Wie viele es sind, ist schwer zu sagen. Sicherlich mehr als man denkt.

      Ein herrlicher Sonnenaufgang im August begrüßt die jungen Schläfer. Aber Kurt und Sami verpennen alles. Heute starten sie überglücklich in ihre Sommerferien.

      “Mensch Sami, du hast es gut. du musst dich jedenfalls nicht übers Zeugnis ärgern.“

      “Ich hab auch eins. Mein Zeugnis liegt im Kaiser- Wilhelm-Gymnasium in Hamburg-Barmbek, ich muss es nur anfordern. Vielleicht tue ich’s sogar. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es schlecht ist. Nur ’Latein’, da drohte mir zuletzt, ein schwaches ’ausreichend’. Ansonsten zu allen Zeiten viele ‚gute’ Noten.“

      “Toll, bei mir sieht das trüber aus. Genau wie dies Wasser, das wir jetzt so schön aufgewirbelt haben.“

      Das ist ein „Hallo“, bis der Kurt endlich seinen Jonas in den Händen hält. Und der Fisch zappelt, dass es eine reine Freude ist.

      “Immer die Hand davor“, hatte Sami gebrüllt, „Fische schwimmen nicht rückwärts.“

      Der Schlamm im Bassin liegt knöcheltief. In 30 Jahren ist hier bestimmt nie entschlammt worden. Mit den Eimern haben wir versucht, vom trüben Wasser so viel wie möglich auszuschöpfen. Nun amüsieren wir uns mit dem modderigen, schwarzen Schlamm, den

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