Deutschland 1936 - Ein Jahr im braunen Dunst. Adolf, Dr. Küster

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Deutschland 1936 - Ein Jahr im braunen Dunst - Adolf, Dr. Küster

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zu angeln.

      “Sami, schau draußen bitte mal genau nach, ich hab eben was in den Eimer geschaufelt. Es hat geblinkt.“

      Abwechselnd tragen sie die gefüllten Eimer auf einen Komposthaufen in der Nähe des Gewächshauses. Ein eingespieltes Team.

      Samis Rückkehr hat länger gedauert als gewohnt. Sami kommt und sieht blass aus. „Das ist doch ein Finger. oder?“

      Sichtlich angewidert hält er dem staunenden Kurt ein 3 gliedriges, zartes Knochengebilde vors Gesicht und legt es auf den Rand des Bassins.

      „Und dies hier ist dein ‛Blinker’.“

      In seiner flachen Rechten präsentiert er einen typischen Siegelring, wie ihn eitle Männer zu tragen pflegen.

      “Mensch, die gehören doch wohl zusammen? Oder was glaubst du, Sami?“

      „Klar, kleiner Finger mit Ring. Kannst du entziffern, was darauf steht?“

      “Jedenfalls ein großes R und ein T. Aber sieh mal hier, das T sieht aus wie ein Hammer und das R ist eine …? Wie nennt man diese Dinger, mit denen die kleinen Leute ihr Gras mähen, ich komme im Moment nicht drauf?“

      “Sichel.“

      “Na klar, Hammer und Sichel. Das ist das Zeichen der Kommunisten, die Sowjetunion hat’s in ihrer roten Fahne.“

      “Du hast Recht, jetzt sehe ich’s auch.“

      Die beiden spüren das ganze Grauen dieser Szene. Mit klopfenden Herzen steigen sie aus dem Wasser. Wer weiß schon, was sich noch alles im Schlamm finden könnte.

      Der skelettierte Finger macht ihnen Angst.

      “Du, der Finger wurde bestimmt abgehackt.“

      Tatsächlich findet sich eine beschädigte, glatte Knochenfläche am Grundglied des Fingers

      “Frag doch mal deinen Jonas, woher dieser Finger stammt. Er war doch dabei, er muss es schließlich mitgekriegt haben.“

      “Du Sami, da fällt mir was ein.

      Das war im vorigen Jahr, kurz nach meinem Geburtstag. Also Anfang September, an einem Sonntagmorgen. Ich gucke aus meinem Zimmer und denke, was ist denn da los? Ich sehe, wie in der Hannoverschen Landstraße ein Opel Laster, mit 5 oder 6 grölenden SA-Leuten, einen PKW verfolgt.

      Ich denke noch, die kriegen den nie. Der PKW ist doch viel schneller Da fährt ein zweiter, unbemannter Lastwagen den beiden Autos entgegen. Der muss wohl aus der Feldstraße gekommen sein.

      Vor der Gärtnerei Wieser, genau hier, stellt der Laster sich quer.

      Aus dem gejagten PKW sehe ich einen gut gekleideten Herrn im mittleren Alter aussteigen und in die Gärtnerei flüchten. In dieses Gewächshaus. Die SA-Männer hinter ihm her.

      Was dann hier im Gewächshaus abläuft, kann ich oben vom Fenster nicht richtig erkennen. Die Glasscheiben spiegeln.

      Aber sehr ruppig müssen die SA-Leute mit ihm umgegangen sein. Ich konnte aus dem ganzen Gebrüll seine ängstlichen Schreie heraushören. Als ich dann endlich den Herrn Wieser sah, wie er ins Gewächshaus lief, war ich etwas beruhigt.

      Gott sei Dank, Schüsse habe ich nicht gehört. Aber den Verfolgten später auch nicht mehr gesehen. Allerdings habe ich etwas von ihm, dessen Bedeutung ich selbst erst noch erkunden muss. Ich zeig’s dir nachher mal.

      Mutter hatte mehrfach zum Mittagessen gerufen, also ging ich klopfenden Herzens ins Esszimmer, denn in der Gärtnerei war endlich Ruhe eingekehrt.

      Natürlich habe ich sofort die ganze Angelegenheit erzählt. Vater sagte nur: Wer weiß, welchem Schieber die SA-Männer eine Lektion erteilt haben, und aß in Ruhe weiter seinen Sonntagsbraten.“

      “Ja, und was wäre, wenn es kein Schieber, sondern ein Jude, ein Kommunist oder Sozialdemokrat war? Ein Mensch, der möglicherweise keinem Lebewesen ein Haar krümmen kann?“

      Beide starren entsetzt auf den weißen Knochen vor ihnen.

      Endlich schnippt Kurt das Skelettteil mit dem Finger zurück ins Bassin.

      Kurt quält der Gedanke, wartet hier in der Gärtnerei eventuell noch mehr auf Entdeckung?

      Kurt ist sich sicher, dass Sami ähnlich denkt.

      Sami und Kurt haben noch lange über das gestrige Ereignis nachdenken müssen.

      Kurt hat heute Morgen, ehe Sami auf der Bildfläche erscheint, den Wasser-Haupthahn für die Freilandversorgung geöffnet. Ungeduldig hockt er mit einem Gartenschlauch bewaffnet in seinem Versteck, um Sami mit einem mächtigen Wasserstrahl zu begrüßen.

      “Du alte Sau.“

      Sami ist erschreckt zurückgesprungen und schüttelt das Wasser ab. Es ist 9: 00 Uhr und die Augustsonne scheint übermütig auf die beiden herab. Nach dieser ungewollten Dusche will Sami es dem Kurt nun mal so richtig zeigen und ist sich sicher, dass ihm das auch gelingt.

      „Komm, mach mit!“

      In den Ferien trägt Sami stets einfache braune Turnschuhe mit Gummisohle. Genau wie die Kinder der meisten Eltern, die sparsam leben.

      Sami hat sich eine Leiter geschnappt und nun steigt er behände an der Stirnseite vom Gewächshaus C aufs Dach und balanciert leichtfüßig mit ausgestreckten Armen entlang des Dachfirstes, wie ein siegesgewisser Seiltänzer im Circus. Zu allem Übermut hält er noch eine Nelke mit dem Munde.

      “Sami, bist du total verrückt, der First trägt nicht mehr, der ist morsch. Die Häuser, das sind alte Kisten, komm zurück, los dalli.“

      Mir stockt der Atem, wenn ich daran denke: ein Schritt zur Seite, und aus ist es. Wenn der Sami durchs Glas stürzen würde, welche Katastrophe.

      Wie das Dach schwingt, oh Gott!

      Ich presse verzweifelt meine Hände vor die Augen, unmöglich, so was mit anzusehen.

      Unfassbar, aber Sami hat es geschafft. Sein glücklich strahlendes Lächeln gleicht einem Triumphator. Ich muss ihn umarmen, obwohl das sonst nicht meine Art ist. Und ich fühle, Sami ist ab jetzt mein bester Freund.

      “Was ist, willst du’s nicht auch mal versuchen?“

      “Nee, nee, so spinnerig kannst nur du sein. Ehrlich gesagt, mein Bammel ist so riesengroß, der allein bringt das Dach schon zum Einsturz.“

      “Na gut, dann würde ich vorschlagen, wir fluppen jetzt erst mal eine in aller Ruhe. Vielleicht da drüben, wo die vielen Schmetterlinge sind?“

      Sami zeigt auf die Bank am Schuppen.

      Der alte Geräteschuppen steht mit seinem Rücken zur Berliner Straße. Neben der Bank blüht üppig ein stattlicher Sommerflieder. Wir nähern uns der Bank und eine dunkle Wolke flattert davon.

      Hunderte von Schmetterlingen verzichten kurzfristig auf ihre Nektarmahlzeit, als wir uns auf der Bank niederlassen.

      “Kennst

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