Der Venezianische Löwe. Volker Jochim
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Читать онлайн книгу Der Venezianische Löwe - Volker Jochim страница 12
Ghetti wandte sich schon ab zu gehen, doch Marek erinnerte sich an ihren letzten Besuch, als er Nardis Wagen vor dem Hintereingang stehen sah. So war es auch diesmal. Als sie um das Gebäude herumgingen, sahen sie die schwarze Limousine Nardis hinter einem alten Fiat geparkt.
Die Hintertür war nicht verschlossen und so ging Marek zielstrebig, gefolgt von einem etwas verunsichert wirkenden Brigadiere Ghetti, direkt zu Nardis Büro. Diesmal hielt er sich nicht mit Höflichkeiten auf sondern öffnete die Türe mit einem Ruck und betrat das Büro. Der Überraschungseffekt war auf seiner Seite, denn Nardi sah ihn nur mit großen Augen ungläubig an, unfähig ein Wort zu sagen.
„Buon giorno, signor Nardi. Sie scheinen überrascht uns zu sehen.“
Nardi, der sich mittlerweile etwas gefangen hatte, versuchte sogleich wieder Dominanz auszuüben.
„Was soll dieser Auftritt? Was fällt Ihnen ein, so hier hereinzuplatzen? Ich hoffe Sie haben eine gute Erklärung, andernfalls werde ich …“
Weiter kam er nicht.
„Ich hoffe, dass Sie eine gute Erklärung haben, warum Sie uns belogen, oder zumindest etwas Wichtiges verschwiegen haben, Signor Nardi“, unterbrach ihn Marek und nahm unaufgefordert auf einem der beiden Besucherstühle platz.
„Was fällt Ihnen ein, so mit mir zu reden?“, begehrte Nardi auf. „Ich werde mich beschweren. Ich habe einflussreiche Freunde.“
Marek setzte ein unverschämtes Grinsen auf.
„So, dann bin ich mal gespannt, was Ihre einflussreichen Freunde dazu sagen.“
Dabei legte er ihm ein Foto vor die Nase, das ihn beim Betreten des ominösen Gebäudes in Triest zeigte, und es hatte die erhoffte Wirkung. Nardi war sofort alle Farbe aus dem Gesicht gewichen und er ließ sich schwer atmend zurück in seinen Sessel fallen.
„Woher haben Sie das?“
„Wir spielen das Spiel einmal anders herum. Was haben Sie uns verschwiegen? Und diesmal bitte die Wahrheit, wir haben noch mehr davon.“
Um seine Aussage zu unterstreichen, ließ sich Marek von Ghetti die anderen Fotos geben und wedelte damit vor Nardis Nase. Der hatte sich nach vorne gebeugt, die Arme auf die Schreibtischplatte gestützt und die Stirn auf die gefalteten Hände gelegt.
„Na schön, ich habe ihnen etwas verschwiegen. Ich wurde erpresst.“
„Von wem? Und warum haben Sie uns nichts davon gesagt?“
Nardi war wieder gefasst. Er sah Marek direkt an.
„Weil ich es nicht durfte. Verstehen Sie denn nicht? Er hatte gedroht meine Frau zu informieren, dass ich in diesem Etablissement war, falls ich nicht zahle oder die Polizei hinzuziehen würde. Ich denke Sie wissen bereits, dass es sich um ein solches Haus handelt und ich möchte Sie bitten, diese Information vertraulich zu behandeln. Ich liebe meine Frau und will sie nicht verlieren.“
„Das ist wieder einmal typisch“, dachte Marek, „ich liebe meine Frau, deshalb darf sie nicht wissen, dass ich im Puff war.“ Das hatte er schon so oft gehört.
„Erzählen Sie weiter. Wann genau wurden Sie erpresst? Wie hat sich alles abgespielt? Wie viel haben Sie gezahlt?“, bohrte er weiter.
„Was soll das? Ich habe Ihnen alles gesagt, was Sie wissen wollten und mehr geht Sie nichts an. Die Sache ist vorbei. Ich habe gezahlt und basta.“
Marek beugte sich gefährlich nahe zu Nardi hinüber und Ghetti hielt die Luft an. Er kannte seinen Freund mittlerweile so gut, um zu wissen, dass er jeden Moment Nardi am Kragen über den Schreibtisch ziehen würde.
„Signor Nardi“, hörte er Marek erstaunlich ruhig und leise sagen, „wir ermitteln in einem Mordfall und ich glaube nicht, dass Sie jetzt in der Situation sind, irgendwelche Forderungen zu stellen, denn Sie stecken bis zum Hals mit in der Scheiße. Habe ich mich klar ausgedrückt? Beantworten Sie nun unsere Fragen oder möchten Sie uns lieber begleiten? Wir würden selbstverständlich Ihre Frau von Ihrem Verbleib unterrichten.“
„Sie Schwein“, zischte Nardi.
Die Fassade schien einen Sprung bekommen zu haben und Marek nahm es zufrieden und freundlich lächelnd zur Kenntnis.
„Was für ein Mord? Was hat das mit mir zu tun?“
„Wir stellen die Fragen und Sie antworten“, ließ sich der Brigadiere vernehmen, „der Commissario hatte Sie etwas gefragt.“
Nardi sah seine beiden Besucher an und lehnte sich dann in seinem Sessel zurück.
„Na schön. Letzte Woche war ich in Triest in diesem … diesem Haus …“
„Wann genau?“, unterbrach ihn Marek.
„Am Montag. Woher haben Sie überhaupt diese Fotos?“
„Weiter …“
„Am Mittwoch fand ich dann einen Umschlag in meinem Briefkasten mit diesen Fotos und einem Schreiben …“
„Wie sah der Brief aus und was stand darin?“
„Die Buchstaben waren aus einer Zeitung ausgeschnitten. Wie in diesen Fernsehkrimis. Ich sollte einhunderttausend Euro in einem Beutel am Wasserwerk in der Nähe von Brian deponieren und keine Polizei einschalten, sonst würden die Fotos an meine Frau gehen.“
„Wann und wie sollte die Übergabe stattfinden?“
„Am Samstag um zweiundzwanzig Uhr sollte ich das Geld in eine Rinne neben dem Zufahrtsweg legen und gleich wieder verschwinden.“
„Und was haben Sie gemacht?“
„Na das, was er wollte. Ich war pünktlich da, habe das Geld in die Rinne gelegt und bin gleich wieder losgefahren.“
„Woher wissen Sie, dass es ein Mann war?“
„Wie? Ich verstehe nicht …“
„Sie sagten … was er wollte …“
„Ich weiß es natürlich nicht. Man sagt das halt so.“
Marek hatte sich ebenfalls auf seinem Stuhl zurückgelehnt und fixierte sein Gegenüber.
„Ah, man sagt das so. Na gut, und was haben Sie dann gemacht? Ist Ihnen irgendetwas aufgefallen?“
„Ich bin nach Hause gefahren und aufgefallen ist mir nichts. Könnte ich nun endlich erfahren, was diese Geschichte mit Ihrem Mordfall zu tun hat?“
Nardi wirkte jetzt ziemlich ungehalten und hatte offenbar seine alte Überheblichkeit wieder erlangt. Doch Marek blieb unbeeindruckt. Zu viele solcher Charaktere hatte er während seines Berufslebens schon verhört und weich gekocht. Manche früher und manche erst später, aber irgendwann waren sie alle reif. Und der hier hatte Dreck am Stecken, auch wenn er den Mann von Welt spielte. Das roch er förmlich.
„Als wir gestern hier waren, hatten wir Sie nach einem Alfredo Zorzi gefragt, den Sie zuerst nicht gekannt haben