Der Venezianische Löwe. Volker Jochim
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Sollte der Dottore bestätigen, dass es ein Unfall war, konnte er den Fall zu den Akten legen – aber wenn nicht? Er hatte so ein seltsames Gefühl in der Magengegend. Dieses Gefühl, das er kennenlernte, als er mit seinem Freund, dem ehemaligen deutschen Commissario Robert Marek die Mordserie im Frühsommer dieses Jahres aufklären konnte. Marek hatte ihm sehr viel beigebracht. Auch seine Sinne bei irgendwelchen Ungereimtheiten zu sensibilisieren. Bei ihm machte sich das eben durch dieses Gefühl in der Magengegend bemerkbar, das sich jetzt gerade eingestellt hatte. Er würde alles genau überprüfen.
Ghetti rief einen Kollegen in sein Büro und beauftragte ihn herauszufinden, in welcher Trattoria Zorzi beschäftigt war. Danach blieb ihm nichts weiter übrig, als zu warten.
5
Robert Marek wachte an diesem Montagmorgen etwas verkatert auf. Am Vorabend hatten er und seine beiden Freunde aus Frankfurt, Paul Krüger und Jakob Jung, Abschied gefeiert. Sie würden heute zurückfahren, falls es ihr Zustand zuließ. Die beiden waren für ein verlängertes Wochenende nach Caorle gekommen, nachdem sie ihren geplanten Besuch im Sommer verschieben mussten. Nur Kurt „Doc“ Stängl fehlte. Er hatte Termingründe vorgeschoben, dabei fürchtete er nur in Italien nichts zu essen und kein Bier zu bekommen. Beim nächsten Mal würde er bestimmt mitkommen, hatte er versprochen.
***
Marek hatte sich im Oktober des Vorjahres pensionieren lassen und war nach Caorle gezogen.
Am Freitag hatte er mit seinen beiden Freunden einen Ausflug nach Venedig gemacht. Zuerst mit seiner Ente nach Punta Sabbioni – während der Fahrt hatten Paul und Jakob das Gefühl seekrank zu werden – und dann mit dem Schiff über den Lido nach San Marco. Obwohl es schon Oktober war, wimmelte es auf der Piazza von Touristen, vorwiegend Japaner. Ob Napoleon diesen Platz noch immer den schönsten Salon Europas nennen würde, wenn er das sehen könnte? Selbst die berühmten Tauben Venedigs hatten Probleme einen Platz zum Landen zu finden. Doch Paul und Jakob, die zum ersten Mal in der Serenissima weilten, wurden, so wie es vielen Besuchern ergeht, von den ersten Eindrücken überwältigt. Beide schworen sich unabhängig voneinander hierher zu übersiedeln, wenn sie denn einmal pensioniert waren.
Marek selbst, der die Stadt mittlerweile fast besser als ein Venezianer kannte, wollte nur diesem Trubel entkommen, und zog die beiden Freunde hinter sich her, bis sie über Schleichwege, auf denen ihnen fast kein Fremder über den Weg lief, die hölzerne Brücke an der Accademia erreichten.
Nach dem Museumsbesuch, bei dem Marek wieder eine halbe Stunde vor seinem Bild La Tempesta von Giorgione verbrachte, ging es jenseits der Touristentrampelpfade durch die Sestiere Dorsoduro und San Polo, wo sie dann in einer kleinen Trattoria in der Calle della Madonna ein vorzügliches risotto di pesce genossen.
So gestärkt machten sie sich dann anschließend auf den Weg durch den Trubel des nahegelegenen Rialto zurück zum Schiffsanleger.
Zurück in Caorle waren die Freunde selbst für einen Schlummertrunk zu müde und wollten nur noch schlafen. Den ganzen Samstag verbrachten sie dann an der Strandpromenade, wo sie die frische Seeluft genossen und abends entführte sie Marek zum Essen in sein Stammlokal, wo er ihnen dann seine Freundin Silvana vorstellte. Silvana Rafaeli war Journalistin beim Gazzettino. Sie und Marek lernten sich bei einem seiner zahlreichen Kurzbesuche kennen und sie war es auch, die ihn zu seiner frühzeitigen Pensionierung und zum Umzug nach Caorle überredete.
Es wurde ein langer und unterhaltsamer Abend. Und gestern Abend trafen sie sich in Mareks Wohnung, um den Abschluss ihres Besuchs zu feiern. Es war eine feuchtfröhliche Feier, bei der etliche Flaschen Wein und eine Flasche Grappa geleert wurden.
***
„Ich glaube, ich bin zu alt für so ‘nen Scheiß“, brummte Marek, als er seine rot umränderten Augen im Spiegel sah.
Sein Kopf fühlte sich an, als würde gerade ein Güterzug durchrattern und auch der Rest seines Körpers war schlapp wie ein nasser Schwamm und nicht wie der eines vitalen Mittfünfzigers.
Unter der Dusche biss er die Zähne zusammen und ließ kaltes Wasser über sich rieseln, in der Hoffnung durch diese Tortur wieder einen klaren Kopf zu bekommen. So fühlte er sich auch etwas besser, als er aus dem Bad in die Küche schlurfte um sich einen Caffè zu kochen. Er hatte gerade die Caffettiera auf den Herd gestellt und sich eine Zigarette angesteckt, als sein Telefon klingelte. Dieser Ton verursachte wieder ein ekelhaftes Stechen in seinem Kopf und er verfluchte denjenigen, der es wagte ihn in seinem Zustand zu stören.
„Pronto“, brummte er schlecht gelaunt in den Hörer.
„Buon giorno, commissario. Ich bin‘s, Michele. Was ist den los? Hast du schlechte Laune?“
„Verdammt Ghetti, du störst mich gerade beim Sterben. Kannst du nicht später anrufen?“
„Oh, war es gestern wieder spät? Na ja, dann bearbeite ich den Fall halt erst einmal alleine weiter. Ciao commissario.“
Marek vergaß auf der Stelle seine Kopfschmerzen.
„Halt, halt. Was für einen Fall?“
Ghetti musste schmunzeln.
„Dachte ich mir doch, dass dich das interessiert. Es gab gestern Morgen einen Toten am Wasserwerk zwischen Duna Verde und San Donà. Kennst du die Gegend?“
„Klar kenne ich die. Das ist doch kurz hinter Brian, oder?“
„Genau. Ein Techniker fand an der Zufahrt einen Toten. Er lag in einer betonierten Wasserrinne mit gebrochenem Genick. Oben am Weg lag ein verbogenes Fahrrad vor einem dicken Ast. Was sagst du?“
„Moment, mein Caffè kocht.“
Marek nahm die Caffettiera vom Herd, schenkte sich eine Tasse ein, löffelte ordentlich Zucker hinein und nippte dann an der Tasse.
„Scheiße.“
„Wie, scheiße?“, Ghetti verstand gar nichts mehr.
„Nichts. Ich habe mir nur den Mund verbrannt. Das hört sich nach einem blöden Unfall an. Was ist daran ein Fall?“
„Du hast mir vor ein paar Monaten beigebracht auf das zu achten, was man nicht sieht, das zu erkennen was man sehen soll und auf seinen Bauch zu hören. Und der sagte mir, dass da etwas nicht stimmt. Ich habe den Toten also zu Dottore Lovati geschickt und der will mich jetzt dringend sehen. Und da dachte ich …“
„Klar komme ich mit“, unterbrach ihn Marek, der jetzt seinen Kater endgültig vergessen hatte. „Holst du mich ab?“
„In fünfzehn Minuten bin ich da. Ciao.“
Er kleidete sich rasch an, zündete sich noch eine Zigarette an und trank seinen Caffè aus. Dann klingelte auch schon der Brigadiere an der Tür.
***
Während der Fahrt nach Portogruaro ließ sich Marek über die genauen Umstände des Leichenfundes und die bisherigen Ermittlungsergebnisse aufklären.
„… und im Moment versuchen wir gerade die letzte Arbeitsstätte des Toten zu ermitteln“, beendete Ghetti seine Erzählung, während sie gerade zum Ospedale einbogen.
„Ich