Der Venezianische Löwe. Volker Jochim

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Der Venezianische Löwe - Volker Jochim Kommissar Marek Krimi

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Oben liegt noch ein Fahrrad. Scheint gestürzt zu sein.“

      Der Arzt kletterte in die Rinne, um den Körper zu untersuchen.

      „Was ist?“, rief Ghetti.

      „Männlich und tot“, erwiderte der Dottore trocken. „Sieht tatsächlich so aus, als sei er mit dem Fahrrad gestürzt und sich dabei das Genick gebrochen.“

      „Ja, die Spuren deuten daraufhin. Das verbogene Vorderrad und der dicke Ast, der hier liegt. Scheint in der Dunkelheit dagegen gefahren zu sein. Wie lange liegt er schon da?“

      „Würde sagen fünf bis zehn Stunden, aber ich kann mich dabei auch um ein bis zwei Stunden vertun. Jedenfalls war er sofort tot.“

      Ghetti half dem Dottore aus der Rinne und ließ die Leute von der Spurensicherung ihre Arbeit tun.

      „Sucht bitte den ganzen Weg genau ab.“

      „Nach was sollen wir denn speziell suchen?“

      „Nach Spuren möglicher Fremdeinwirkung.“

      „Aber das war doch ein Unfall“, maulte einer seiner Kollegen, der die vage Hoffnung hatte, doch noch einmal ins Bett kriechen zu können.

      „Sieht so aus, könnte aber auch Fremdverschulden sein und ich will mir nicht nachsagen lassen, ich hätte etwas übersehen, basta“, beendete Ghetti die Diskussion.

      Mittlerweile war auch der Krankenwagen eingetroffen, und nachdem der Fotograf seine Arbeit erledigt hatte, gab Ghetti die Anweisung, den Toten ins Ospedale nach Portogruaro zu bringen. Da Caorle über keine Gerichtsmedizin verfügt, werden alle unnatürlichen Todesfälle dort untersucht. Er würde später den Leiter der Pathologie, Dottore Lovati bitten, sich die Leiche noch einmal genauer anzusehen. Einer der beiden Kriminaltechniker brachte Ghetti einen Beutel, in dem sich eine schmale Brieftasche befand.

      „Haben Sie schon hineingesehen?“

      „Führerschein, Ausweis und etwas Geld, etwa zwanzig Euro.“

      „Ich notiere mir nur die Anschrift, dann könnt ihr sie ins Labor mitnehmen.“

      „Wieso ins Labor? Ich denke es ist ein Unfall?“, erwiderte der Mann ungläubig, während Ghetti seine Gummihandschuhe anzog, die Brieftasche aus dem Beutel zog und die Anschrift vom Ausweis notierte.

      „Sicher ist sicher. Man kann nie wissen“, meinte Ghetti und legte alles zurück in den Beutel. „Ich erwarte dann Ihren Bericht. Sagen wir bis heute Nachmittag.“

      Damit ließ er den angesäuert dreinblickenden Mann stehen, rief seine Leute zusammen und gab Auftrag, zurück in die Caserma zu fahren.

      Schön, es war Sonntag, dazu noch früh am Morgen und er wäre auch lieber im Bett geblieben statt Frühdienst zu machen, doch man konnte ja die Ermittlungen nicht einfach auf den nächsten Tag verschieben, egal ob Unfall oder nicht.

      ***

      Der Nebel hatte sich gelichtet und zögernd zeigte sich die Herbstsonne am immer noch milchigen Himmel.

      Ghetti stand im Hof der Caserma und betrachtete den Zettel, auf dem er die Adresse des Opfers notiert hatte. Via Pellegrini - das war ganz hier in der Nähe, den kurzen Weg konnte er zu Fuß gehen. Er steckte den Zettel wieder ein, sagte in der Zentrale Bescheid wo er zu erreichen war und ging los.

      Er hatte noch nicht viel Erfahrung im Überbringen von schlechten Nachrichten und so probierte er in Gedanken alle möglichen Formulierungen durch, während er den Corso überquerte und kurz darauf in die Via Pellegrini einbog. Das gesuchte Haus war ein schmuckloses, dreigeschossiges Gebäude in dem vorwiegend Caorlotti wohnten.

      Den Namen des Toten konnte er nicht entdecken, als er das Tableau betrachtete, aber neben einer Klingel stand kein Name. Vielleicht war er hier richtig. Er drückte mehrmals auf den Knopf. Ohne Erfolg. Es rührte sich nichts. Als er schon gehen wollte, öffnete sich im Erdgeschoss ein Fenster und der Kopf einer ziemlich korpulenten älteren Frau erschien. Neugierig musterte sie seine Uniform.

      „Zu wem wollen Sie denn?“

      „Buon giorno, signora. Zu Zorzi. Die wohnen doch hier, oder?“

      „Was hat er denn angestellt?“

      „Wer?“

      „Na, der Alfredo. Den suchen Sie doch.“

      „Also wohnt er hier?“

      „Nein, nicht mehr.“

      Ghetti musste sich zusammennehmen. Die Frau ließ sich jedes Wort einzeln aus der Nase ziehen und platzte dabei vor Neugier.

      „Hätten Sie die große Güte mir zu erzählen, was Sie über Alfredo Zorzi wissen?“

      „Was wollen Sie denn hören?“

      „Alles!“, sagte Ghetti in scharfem Ton.

      „Eigentlich weiß ich nichts. Ich will keine Schwierigkeiten.“

      Als der Brigadiere tief Luft holte, gab sie sich geschlagen.

      „Ist ja schon gut. Der Alfredo hat bis vor etwa drei Wochen hier gewohnt. War ein ruhiger Kerl. Immer freundlich und höflich. Hätte nie gedacht, dass der mal von der Polizei gesucht wird.“

      „Und dann?“

      „Dann hat er seine Stelle verloren und dann ist er ausgezogen. Was ist denn mit ihm?“

      „Hat er Angehörige oder Verwandte?“

      „Keine Ahnung. Er hat hier alleine gewohnt. Ist ihm was passiert?“

      „Er hatte einen Unfall. Er ist tot.“

      „Santa madonna dell‘ angelo“, der Frau war sichtlich der Schrecken in die Glieder gefahren, „die arme Mutter.“

      „Also hatte er doch Angehörige?“

      „Ja, seine Mutter, aber die wohnt nicht hier.“

      „Wissen Sie zufällig, wo wir die Mutter erreichen können?“

      „Ich glaube sie wohnt in Triest. Der arme Kerl. Noch so jung war er.“

      „Grazie signora. Ach, noch etwas. Sie wissen nicht zufällig, wo er gearbeitet hat?“

      „Er war Koch in einer Trattoria. Ich glaube in Eraclea.“

      ***

      Der Brigadiere war erleichtert. Jetzt musste wenigstens nicht er der armen Mutter die traurige Nachricht überbringen.

      Zurück in seinem Büro rief er die Kollegen in Triest an und bat darum, Alfredo Zorzis Mutter ausfindig zu machen und sie vom Tod ihres Sohnes zu unterrichten. Was ihn aber immer noch beschäftigte war die Frage was jemand, der in Triest wohnte, mitten in der Nacht dort zu suchen hatte. Dazu noch mit einem Fahrrad.

      ***

      Am nächsten

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