Der Venezianische Löwe. Volker Jochim

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Der Venezianische Löwe - Volker Jochim Kommissar Marek Krimi

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nichts Verdächtiges zu fühlen. Dann nahm er ein Klappmesser, das ihm als Brieföffner diente, vom Schreibtisch und schnitt vorsichtig eine Seite des Umschlags auf. Zum Vorschein kamen ein Blatt Papier und einige kleinformatige Fotos. Zuerst nahm er die Bilder zur Hand. Das erste zeigte ihn vor dem Haus in Triest, in dem er vorgestern seine Verabredung hatte. Schnell blätterte er die anderen Fotos durch. Alle zeigten annähernd das Gleiche. Einmal sah er direkt in die Kamera, einmal in die entgegengesetzte Richtung. Ein Bild zeigte ihn beim Anzünden einer Zigarette, auf einem anderen blickte er an der Fassade empor. Das letzte Bild zeigte ihn beim Betreten des Gebäudes.

      „Verdammter Mist!“, fluchte er. „Welches Arschloch war das?“

      Er faltete das Blatt Papier auseinander und wurde blass. Jemand versuchte ihn zu erpressen. Der Brief war mit aufgeklebten Buchstaben geschrieben, die man aus einer Zeitung ausgeschnitten hatte.

      „Da hat wohl einer zu viele Krimis gesehen“, murmelte Nardi, als er sich wieder einigermaßen gefangen hatte.

       Bringen Sie mir einhunderttausend Euro in kleinen Scheinen am Samstag um zweiundzwanzig Uhr zum Wasserwerk an der Straße zwischen San Donà und Duna Verde. Kommen Sie alleine. Keine Polizei. Rechts neben dem See ist ein Weg mit einer Betonrinne. Legen Sie das Geld in die Rinne und verschwinden dann. Wenn Sie nicht zahlen, erfahren Ihre Frau und die Presse, dass Sie im Puff waren. Ich meine es ernst.

      „Amateur“, brummte Nardi, „der weiß nicht mit wem er sich anlegt.“

      „Wer weiß nicht, mit wem er sich anlegt?“

      Nardi fuhr herum. In der Tür stand Lydia in einen weißen Bademantel gehüllt, der zusammen mit ihren hellblond gefärbten Haaren, die Blässe ihrer Haut noch mehr betonte. Einziger Farbtupfer waren ihre dunklen Augenbrauen, die ihre eigentliche Haarfarbe zeigten.

      „Wie eine Porzellanfigur“, dachte Nardi, als er sie dort stehen sah.

      „Jemand hat mich vorgestern in Triest gesehen und fotografiert, als ich in das Haus bin. Jetzt versucht er mich damit zu erpressen. Ich habe es dir schon oft genug gesagt, dass die sich ein anderes Domizil suchen sollen. Jetzt haben wir den Ärger.“

      „Jetzt beruhige dich mal wieder. Ich habe dir doch gesagt, dass sie etwas anderes suchen. Außerdem, mit was will er dich denn erpressen? Will er mir die Fotos schicken, wenn du nicht zahlst? Ich wäre dann außer mir.“

      „Das weiß ich ja, aber er will es auch an die Presse geben, und diese Art pubblicità kann ich mir nicht leisten.“

      Sie stand noch immer in der Tür, neigte den Kopf leicht zur Seite und setzte ein strahlendes Lächeln auf.

      „Dann weißt du, was du tun musst…zahlen.“

      Dabei drehte sie sich um und schwebte hinaus.

      Nardi blickte ihr nach.

      „Außen ein Engelsgeschöpf und innen kalt wie ein Eisblock und gefährlich wie eine Viper“, dachte er.

      „Gibt es heute Morgen keinen Caffè?“, rief sie aus der Küche.

      „Bin noch nicht dazu gekommen“, log er.

      „Dann ist die Kanne wohl von gestern noch so heiß.“

      Ertappt.

      „Ich mache gleich welchen, cara mia.“

      „Lass nur, ich bin schon dabei.“

      ***

      „Was gedenkst du zu tun?“, fragte Lydia, als sie beide rauchend in der Küche saßen.

      „Weiß noch nicht. Werde mal mit Gustavo darüber reden. Nur eins braucht sich das Schwein nicht einzubilden …“

      „… dass wir klein beigeben“, vollendete sie seinen Satz und setzte dabei ein vielsagendes Lächeln auf. Ihr Mann wünschte sich in diesem Moment zu wissen, was hinter ihrer hübschen Stirn vorging.

      ***

      Eine Stunde später saß Marco Nardi in seinem Büro in der Trattoria, als es an der Tür klopfte.

       „Avanti.“

      Die Tür öffnete sich und Gustavo Bossi betrat den Raum. Er war ein mittelgroßer, schlanker Mann von etwa fünfundvierzig Jahren. Seine dunkelbraunen Haare waren kurz geschnitten und seine Gesichtsfarbe war die eines Mannes, der schon lange kein Sonnenlicht mehr gesehen hatte.

      „Sie wollten mich sprechen Chef?“ „Ja. Mach die Tür zu und setz dich.“

      Nardi erzählte Bossi von dem Brief mit den Fotos und dem Erpresserschreiben und Bossi hörte interessiert zu.

      Als er vor etwas über einem Jahr aus dem Gefängnis entlassen wurde, hatte Nardi ihm eine Chance gegeben und das würde er ihm nie vergessen. Er wäre bereit für ihn durchs Feuer zu gehen. Nardi musste das wohl wissen, denn warum sonst hatte sich ein so enges Vertrauensverhältnis entwickelt.

      „Was meinst du? Was sollen wir tun?“, endete Nardi und sah seinen Mitarbeiter erwartungsvoll an.

      „Mmh, ich würde vorschlagen, Sie besorgen das Geld und legen es wie vom Erpresser gewünscht in diese Rinne.“

      „Ich dachte du hättest einen besseren Vorschlag“, fuhr Nardi wütend auf.

      „Ich bin ja noch nicht fertig“, erwiderte Bossi ruhig. „Ich werde mich gegenüber diesem Wasserwerk auf die Lauer legen. Dort gibt es ein paar Meter weiter einen Feldweg. Ich kenne die Gegend sehr gut. Wenn Sie also das Geld abgeliefert haben und weggefahren sind, warte ich bis dort ein Fahrzeug herauskommt. Um diese Zeit ist es dort stockdunkel. Da falle ich nicht auf. Ich werde ihm also folgen, bis ich weiß wo er wohnt, oder wer er ist. Dann holen wir die Jungs aus Jesolo und heben ihn aus. Was halten Sie davon?“

      Nardi saß zurückgelehnt in seinem Schreibtischsessel und kaute an seinen Fingernägeln. Auf einmal schnellte er nach vorne und schlug mit der flachen Hand auf den Schreibtisch.

      „Bene. Wir machen es so. Aber dass das klar ist – ich will mein Geld und dieses Schwein haben. Ich verlasse mich auf dich.“

      „Können Sie Chef.“

      Nachdem Bossi gegangen war, verließ auch Nardi das Lokal und fuhr zu seiner zwischen Eraclea und Jesolo gelegenen Manufaktur, in der Gips- und Terrakottafiguren hergestellt wurden. Das Meiste war für den Export bestimmt. So schmückten weiße Gipslöwen aus seinem Betrieb die Garageneinfahrten betuchter Menschen in Deutschland und Österreich und nicht wenige Statuen römischer und griechischer Gottheiten aus seiner Fertigung verzierten deren Gärten und Terrassen.

      Heute musste eine Lieferung nach Deutschland rausgehen und er wollte nochmal sicherstellen, dass es keine Probleme gab.

      „Ciao Alberto.“

      „Ah, buon giorno signor Nardi.”

      Alberto Sgorlon, der Leiter der Manufaktur, war einstmals Bildhauer mit eigenem Atelier gewesen, bis er in angetrunkenem Zustand bei einem Streit einem Kunden eine seiner Tonskulpturen auf dem Schädel zertrümmerte. Dafür durfte er wegen schwerer Körperverletzung einige Jahre absitzen. Nach

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