Wanderfieber. Christian Zimmermann

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Wanderfieber - Christian Zimmermann

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er ein Jahr auf einem Selbstversorger-Hof in Kalifornien und begann diese Lebensform sehr zu schätzen. Dann versuchten sie sich in Peru eine ähnliche Existenz aufzubauen, was aus verschiedenen Gründen nicht klappte. Aber ihr Traum, ein möglichst autarkes Leben zu führen, wollten sie nicht aufgeben. Und diese Idee ist der Ausgangspunkt seiner Fahrradtour. In Spanien gäbe es sehr viele verlassene Ortschaften. Ganze Gegenden seien wegen der stetigen Landflucht wie ausgestorben. So werde er radelnd potenzielle Niederlassungsorte auskundschaften. Er habe bereits eine Fülle von Kontakten mit Menschen geknüpft, die in Spanien schon Ähnliches aufgebaut hätten. Seine Freundin wird ihn Mitte Juli auf der iberischen Halbinsel treffen und anschliessend werden sie gemeinsam versuchen, ihre Vorstellungen in die Realität umzusetzen. Ich wünsche Felix und seiner Partnerin viel Kraft bei der Verwirklichung ihres Plans.

      Ich quartiere mich wieder für anderthalb Stunden in der Konditorei ein, um bei einem Kaffee und vor allem in der Wärme in die Tasten zu schlagen. Später schaue ich beim Supermarkt vorbei, um meinen Proviant zu ergänzen. Auf dem Nachhauseweg bemerke ich an der Donau erste Verbotsschilder: «Hochwasser, Wanderweg gesperrt». Die braune Brühe fliesst mit immer grösserer Wucht talwärts. Zurück auf dem Campingplatz treffe ich Nils, der mit seinem Kajak unterwegs ist und schon gestern hier Zuflucht fand. Er lässt seinen Kopf hängen, da für ihn das Hochwasser weitreichendere Konsequenzen mit sich bringt. Der Pegel sei bereits um über zwei Meter gestiegen und aus diesem Grund sei das Befahren des Flusses verboten. Und bis die Schliessung der Schifffahrt aufgehoben wird, kann es noch einmal ein oder zwei Tage dauern. Es ist eindrücklich, wie rasant der Pegel steigt. Vor einer guten Stunde war der schmale Pfad direkt am Fluss annähernd trocken begehbar, nun ist er völlig überflutet. Immer wieder schlendere ich an das Ufer, um das Schauspiel zu beobachten. Nils hält mich betreffend Hochwasser fortlaufend auf dem neusten Stand. Der maximale Pegel soll morgen Nachmittag, mit einem weiteren Zuwachs von einem halben Meter, erreicht werden.

      Am Abend gesellt sich ein holländisches Ehepaar zu unserer illustren Gruppe. Die beiden sind in ihren Sechzigern und begeben sich jedes Jahr auf eine Fahrradtour. Spontan laden sie uns zu einer Pasta Napolitana ein. Felix und Nils sind längst verpflegt und so bin ich der Einzige, der sich freut, mitzuessen. Frische Zwiebeln, Lauch und Karotten landen in der Sauce. Die Teigwaren sind bissfest und wir verdrücken die riesige Portion. Später ergibt sich eine lebhafte Diskussion über Gott und die Welt. Hauptthema ist aber die im Moment so aktuelle Klimadiskussion. Bis 22 Uhr schaffe ich es, mitzureden, dann verabschiede ich mich von meinen neuen Bekannten. Für mich fühlt sich diese Uhrzeit wie mitten in der Nacht an. Normalerweise schlüpfe ich mindestens eine Stunde früher in den Schlafsack.

       Peter von den Petri Jüngern

       Tag 18: Mittwoch, 22. Mai 2019, 45 km (506 km)

      Es hat praktisch aufgehört zu regnen. Wie vermutet, bin ich der Einzige, der vor 6 Uhr auf den Beinen ist. Beim Abmarsch ist noch immer niemand von den anderen nächtlichen Diskussionspartnern zu sehen und deshalb schleiche ich mich leise vom Platz. Es ist grau, kalt und der leichte Nieselregen kann meine Stimmung auch nicht heben. Zumindest fühle ich mich ausgeruht und ich kann feststellen, dass mir der gestrige faule Tag körperlich gutgetan hat. Aber irgendwie drückt das Wetter ein wenig auf die Laune. Ich beschliesse, bei diesem nicht gerade fotogenen Wetter die simple Route an der Donau entlang zu wählen und keine Abstecher durch die verschiedenen Ortschaften zu unternehmen. So spare ich etwa drei Kilometer Fussmarsch ein. Vielleicht ist das die falsche Entscheidung, weil es auf diese Weise keine Abwechslung gibt. Ich komme flott voran und wechsle schon vor dem Mittag in Ingolstadt die Flussseite. Die Stadt präsentiert sich bei diesem Wetter natürlich nicht von der besten Seite. Nur kurz schlendere ich durch die Altstadt und komme anschliessend wegen einer Baustelle beinahe nicht mehr an den Fluss hinunter. Eine Stunde lang gurke ich hin und her, bis ich wieder an die Donau zurückfinde. Ein bisschen niedergeschlagen setze ich mich auf eine Parkbank und belege mir ein Brötchen. Und wer kommt da unverhofft angeradelt? Es ist die Dame, die im Wald Angst vor den Rehlein hat! Ich komme mir vor wie im Film «Und täglich grüsst das Murmeltier» mit Bill Murray und Andie McDowell in den Hauptrollen. Bin ich in einer Zeitschlaufe gefangen? Verfolgt mich die Gute? Ist sie eine Stalkerin? Möglicherweise denkt sie dasselbe von mir. Sie habe zwei Nächte in Ingolstadt verbracht, um dem Dauerregen zu entgehen. Viel mehr reden wir nicht miteinander.

      Ich bolze hirnlos Kilometer. Vohburg lasse ich rechts liegen und eigentlich möchte ich nach dieser Ortschaft irgendwo im Wald den Feierabend einläuten. Aber da kommt kein Wald. Es zieht eine Siedlung nach der anderen an mir vorbei und weit und breit entdecke ich kein geeignetes Plätzchen zum Schlafen. Ich schleppe mich lustlos weiter. Eingangs Pförring liegen auf der rechten Seite einige idyllische Baggerseen. Ein unübersehbares Schild sagt da aber klipp und klar: «Feuer machen und Campieren verboten»! Ich fluche innerlich. Das wäre der perfekte Platz gewesen. 400 Meter weiter, am anderen Ende der Seenlandschaft, versuche ich es noch einmal. Jawohl, hier verbietet mir kein Schild, zu übernachten. Ich biege in den schmalen Pfad ein, als mir ein Angler in Vollmontur entgegenkommt. Dieser will natürlich wissen, was ich hier mache. Nachdem ich ihm mein Abenteuer geschildert habe, brummt er in seinem breiten, bayerischen Akzent: «Reschpekt!» Ich frage ihn, ob ich hier irgendwo zelten dürfe. Das sei kein Problem und dann führt er mich durch ein wahres Labyrinth von Pfaden an eine herrliche Stelle. «Wer zu Fuss bis nach Moskau wandert, verdient den besten Platz!» Nun muss ich aber lachen, weil genau bei diesem Traumplatz wieder ein Verbotsschild steht! «Nur keine Panik, falls jemand lästige Fragen stellen sollte, sag einfach, der Peter von den «Petri Jüngern» habe es dir erlaubt. Ich bin der Pächter dieser Hälfte, die andere Seite der Seen gehört einem anderen Verein, wo ich aber auch Mitglied bin.» Ich richte mich häuslich ein, währenddessen Peter am See sein Glück versucht. Fluchend kommt er zu mir zurück. Er habe dummerweise seinen Haken im Gestrüpp verheddert und Ersatz habe er keinen dabei. Mit einem festen Händedruck verabschiedet sich der sympathische Mann von mir. Ich habe gerade den Inhalt der Büchse «Chili con carne» genussvoll verspeist, als ein anderer Fischer vorbeikommt. Riecht das nach Ärger? Nein, der pensionierte Mann stellt sich als Karl-Heinz vor und er sei der andere Pächter. «Jo mei, das hat der Peter sehr gut gemacht, dir den besten Platz zur Verfügung zu stellen.» Er erzählt mir, dass er sein Leben lang Bauleiter war und nun sehr viel gemeinnützige Arbeit verrichte. Karl-Heinz möchte einen Grund gehabt haben, auf dieser Erde gewesen zu sein, darum das selbstlose Engagement für die Allgemeinheit. Stolz verrät er mir, dass man ihn dieses Jahr zum Ehrenbürger von Pförring machen werde. Unvermittelt taucht Peter wieder auf. Einen neuen Haken hat er sich besorgt und in seiner Fischerweste stecken zwei Flaschen Bier. «Die trinken wir später miteinander.» Nach einer halben Stunde hat der Bierspender genug von der Fischerei und wir prosten uns zu. Eine ganze Weile plaudern wir zusammen. Die Dämmerung setzt ein, als wir uns voneinander verabschieden.

       Milde Spenden

       Tag 19: Donnerstag, 23. Mai 2019, 35 km (541 km)

      Dichter Nebel liegt über dem See. Trotz des unübersehbaren Verbotsschilds, störte sich niemand über meine Anwesenheit. Wie üblich, verlasse ich meinen Übernachtungsplatz sauber und aufgeräumt, einfach unter dem Motto: «Hinterlasse nicht mehr, als deine Fussabdrücke».

      Die ersten 6 km verlaufen schnurgerade auf dem Damm. Entlang der Donau stehen weite Teile des Walds unter Wasser. Zusammen mit dem Nebel ergibt sich ein surreales Bild. Plötzlich steht ein Reh auf dem Damm. Ich bleibe stehen und beobachte das Tier. Erst jetzt bemerkt es mich und wir beäugen uns für eine ganze Minute. Bambi weiss nicht, was es von mir halten soll, doch dann entschliesst es sich, mit eleganten Sprüngen das Weite zu suchen. Auch ein niedlicher Feldhase geniesst den kühlen Morgen.

      Über Neustadt und Bad Gögging führt die Route wieder vom Fluss weg. Ab Sittling sollte es nach Karte am Ufer der Donau langgehen. Ich folge brav der Beschilderung und stehe unverhofft und ohne Vorwarnung vor einem Absperrgitter, das mich mitten auf dem Strässchen zum Anhalten zwingt. Hier ist wirklich nicht an ein Weiterkommen zu denken, denn die Fahrbahn steht metertief unter Wasser. Ich kehre um, laufe

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